FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020
nicht durch zu strenge Anlage- und Aus- schlusskriterien so eingeschränkt sein, dass keine ausreichende Risikostreuung möglich ist. Ein Siegel nur für die ‚grüne Nische‘ nützt niemandem.“ Richter be- grüßt, dass die EU-Kommission an bereits bestehenden Fonds testen möchte, ob die Investitionskriterien praktikabel sind. Die Ergebnisse sollen bis Mitte 2020 vorlie- gen und bei der Ausgestaltung des Eco- labels beachtet werden. Wesselin Kruschev, Managementberater beim Consultinghaus Capco, erwartet, dass künftig nicht nur Umweltaspekte den Aus- schlag für das Ecolabel geben, sondern auch soziale Kriterien, sobald die entsprechende Taxonomie vorliegt. „Die Anleger möchten ja nicht in die klimafreundliche Panzerproduk- tion investieren“, sagt er. Mit Blick auf die Anlageberatung fürchtet Kruschev, dass sich als Konsequenz der ESG- Regulierung die Produktauswahl für Privat- kunden weiter reduziert. „Viele Banken wer- den Anlegern, die Wert auf Nachhaltigkeit legen, nur Fonds mit Ecolabel anbieten, weil sie damit auf der sicheren Seite sind“, sagt er. „Alles andere fällt hinten runter.“ Offenlegungsverordnung Die Frage nach der Nachhaltigkeitspräfe- renz und das Ecolabel werden die Punkte sein, an denen Berater an der Kundenfront die EU-Regulierung direkt zu spüren bekommen. Für ihre Arbeitgeber gibt es eine weitere Baustelle: die Offenlegungsverordnung, die schon am 10. März 2021 in Kraft treten soll. Banken und andere Wertpapierdienstleister müssen künftig darlegen, ob sie bei ihrer Beratung die wichtigsten „nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“ berücksichtigen, wie es im schönsten Büro- kratendeutsch in der Verordnung heißt. Auf die Fondsanbieter kommt noch mehr Arbeit zu, zum Beispiel gibt es gesonderte Ex-post-Informationspflichten: „Bei Nach- haltigkeitsprodukten muss die Gesamtnach- haltigkeit belegt werden, das heißt wie die ökologischen und sozialen Merkmale erfüllt wurden“, erläutert Christian Waigel, Partner der Münchner Kanzlei Waigel Rechtsanwälte. „Leider können wir nicht mit einer Regulie- rung aus einem Guss rechnen. Die Transpa- renzpflichten treten wahrscheinlich in Kraft, bevor die Details der Taxonomie feststehen. Damit ist ein Umsetzungschaos eigentlich programmiert.“ Vielleicht darf die Branche auf etwas mehr Zeit hoffen, denn ein Konsultationsverfahren zu Detailvorschriften ist wegen der Coro- na-Pandemie ins Stocken geraten. „Es ist fraglich, ob der Zeitplan zur Umsetzung der Offenlegungsverordnung noch zu hal- ten ist“, sagt BVI-Rechtsexpertin Kuper. Würden die aktuellen Pläne Realität, müssten Fondsanbieter, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigten, auf Gesell- schaftsebene zahlreiche Nachhaltigkeits- kennziffern veröffentlichen – egal ob sie nun ESG-Fonds anbieten oder nicht. „Da geht es um den Kohlendioxidausstoß, die Recy- clingquote oder den durchschnittlichen Gen- der-Pay-Gap, um nur einige Beispiele zu nen- nen“, so Kuper. „Diese Zahlen wären anfangs wohlgemerkt nicht für die einzelnen Fonds zu berechnen, sondern voraussichtlich für das Gesamtportfolio aller Produkte einer Gesell- schaft. Das wäre ein gigantischer Aufwand, und wir fragen uns, welchen Mehrwert das hätte.“ Bis 1. September haben der BVI und andere Verbände Zeit, ihre Bedenken in Brüs- sel anzumelden. Diese Möglichkeit werden sie auf jeden Fall nutzen. BERND MIKOSCH | FP » Ein Siegel nur für die › grüne Nische ‹ nützt niemandem. « Thomas Richter, BVI Indizes gegen den Klimawandel Die EU arbeitet an Kriterien für Indizes, die Anleger bei der Umsetzung einer kohlenstoffärmeren Investitionsstra- tegie unterstützen sollen. Die Konsultation zu den Rechts- vorschriften ist abgeschlossen, wurde bis Redaktions- schluss jedoch noch nicht veröffentlicht. Zwei Indextypen: Die Europäische Kommission unter- breitet Vorschläge für Mindestkriterien für zwei Indizes, die für Aktien und Unternehmensanleihen gelten sollen: „EU Climate Transition Benchmark“ und „EU Paris-aligned Benchmark“. Beide zielen darauf ab, das ehrgeizigste Szenario der EU im Zuge des Pariser Klimaschutzabkom- mens 2015 zu erreichen, den Anstieg der globalen Erwär- mung also bei unter 1,5 Grad zu halten. Bei den „Climate Transition“-Indizes müssen die gesamten Treibhausgas- emissionen im Vergleich zum Durchschnitt des breiten Marktes sofort um 30 Prozent gesenkt werden, bei der „Paris-aligned“-Variante sogar um 50 Prozent. In beiden Indexversionen müssen die Emissionen dann um mindes- tens sieben Prozent pro Jahr weiter reduziert werden. Einschätzung: „Die Initiative der EU zielt darauf ab, mit- hilfe von Indizes Kapitalströme in Unternehmen zu lenken, die den Klimawandel wirklich angehen – das ist eine ech- te Innovation“, sagt Heike Fürpaß-Peter, verantwortlich für das Geschäft von Lyxor ETF in Deutschland und Öster- reich. Sie begrüßt, dass keine Branchen ausgeschlossen werden. „Insbesondere in kohlenstoffintensiven Sektoren ist die Hebelwirkung besonders groß, wenn Investoren auf Veränderungen drängen.“ Lyxor hat ETFs auf MSCI- Indizes lanciert, die sich nach den EU-Vorgaben richten. Foto: © Kanzlei Waigel, BVI Christian Waigel, Kanzlei Waigel: „Leider können wir nicht mit einer Regulierung aus einem Guss rechnen.“ Magdalena Kuper, BVI: „Wir rechnen mit Anpassungen der Verwaltungspraxis der Bafin.“ 312 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 esg-spezial I regulierung
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