FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020

übrigens nur für die Anlageberatung gelten, nicht aber im beratungsfreien Geschäft. Taxonomie Die zweite, ungleich größere Baustelle ist die Taxonomie. Ende vergangenen Jahres einigten sich die EU-Staaten auf politischer Ebene über die grundlegende Ausgestaltung dieses Klassifizierungssystems für ökolo- gisch nachhaltiges Wirtschaften. Der Ge- schäftszweig eines Unternehmens gilt als „grün“, wenn er zu einem von insgesamt sechs ökologischen Zielen beiträgt (siehe Kasten diese Seite) und zugleich keines der anderen Ziele wesentlich schädigt. Die Technical Expert Group (TEG) veröffent- lichte Anfang März ihren Abschlussbe- richt zu den ersten beiden Umweltzielen, also dem Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel. „Allein das sind schon über 600 Seiten Papier“, sagt Kuper. Auch hier handelt es sich lediglich um eine Empfehlung – die delegierten Rechtsakte, mit denen die EU-Kommis- sion die TEG-Kriterien in verbindliche Regeln gießt, stehen noch aus. Die technischen Kriterien zu den wei- teren vier Umweltzielen sollen bis Ende 2022 folgen. Im kommenden Jahr wird sich die EU-Kommission auch dazu äußern, wie eine „soziale“ Taxonomie aussehen könnte, damit nicht nur das „E“, sondern auch das „S“ aus ESG abgedeckt ist. Eine „G“-Taxonomie ist übrigens nicht vorgesehen. „Die EU-Regeln setzen vielmehr voraus, dass Fonds, die ökologi- sche oder soziale Themen fördern, in Unter- nehmen mit guter Corporate Governance investieren“, so Kuper. Fonds müssen sich nicht nach der Taxo- nomie richten, sie können auch andere ESG- Ansätze verfolgen. Allerdings müssen sie, sofern sie als nachhaltig vermarktet werden, ab Januar 2022 berichten, wie groß der Anteil taxonomiekonformer Investitionen in ihrem Portfolio ist. Das wird aber kaum zu stemmen sein. „Denn dafür benötigen die Fonds ent- sprechende Daten der Unternehmen – und diese sind erstmals für das Berichtsjahr 2022 verpflichtet, solche Zahlen zu veröffentli- chen“, sagt Kuper. Die Daten würden also frü- hestens Anfang 2023 vorliegen. „Außerdem gilt die Pflicht zur Veröffentlichung nur für die etwa 7.000 börsennotierten Unternehmen aus der EU. Woher die Daten für die anderen der insgesamt rund 50.000 Unternehmen weltweit kommen sollen, ist völlig offen.“ Ecolabel Sobald zumindest Teile der Taxonomie endgültig stehen, kann ein weiteres Projekt Realität werden: das Ecolabel für Fonds. Das EU-Siegel wurde 1992 eingeführt, um um- weltfreundliche Alltagsprodukte zu kennzeich- nen. Mancher kennt es vomWaschmittel oder von der Windelpackung. Aus Deutschland dürfen beispielsweise 45 Handgeschirrspül- mittel, 38 Produkte aus der Kategorie „Innen- und Außenfarben und -lacke“ und drei Cam- pingplätze das EU-Umweltzeichen tragen. Bis Ende dieses Jahres soll das Joint Research Center der EU-Kommission Vorschläge aus- arbeiten, wie die Kriterien des Ecolabels für Fonds aussehen könnten. Die aktuellen Entwürfe sind der Bran- che zu streng. So sollen Aktienfonds mit Ecolabel mindestens 20 Prozent ihres Gel- des in Unternehmen investieren, die ihren Umsatz mindestens zur Hälfte aus „grü- nen“ Geschäftsfeldern erwirtschaften, bei weiteren 40 Prozent muss wenigstens ein Fünftel der Erlöse taxonomiekonform sein. Mit einem Themenfonds, der etwa auf erneuerbare Energien setzt, wäre das noch möglich, bei breit über mehrere Sektoren diversifizierten Portfolios wohl kaum. Richtig heikel wird es Branchen- kennern zufolge bei Rentenfonds. Dort lautet die Idee, dass mehr als 70 Prozent des Vermögens in Anleihen investiert sein müssten, die den Green-Bond-Standard der EU erfüllen. Es gebe jedoch gar nicht genügend Anleihen dieses Typs, meinen Portfoliomanager. Käme es tatsächlich zu dieser Vorgabe, wäre das Risiko eine Green-Bond-Blase real. „Da das Ecolabel für Fonds für Privat- anleger gedacht ist, brauchen wir ein aus- reichend diversifiziertes Anlageuniver- sum“, mahnt BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter. „Die Titelauswahl sollte Foto: © Axel Gaube, Capco Heike Fürpaß-Peter, Lyxor: „Die EU-Initiative zielt darauf ab, mithilfe von Indizes den Klimawandel anzugehen.“ » Die Transparenzpflichten treten wahrscheinlich in Kraft, bevor die Details der Taxonomie feststehen. Damit ist ein Umsetzungschaos eigentlich programmiert. « Christian Waigel, Waigel Rechtsanwälte EU-Taxonomie Durch die sogenannte Taxonomie möchte die EU festgelegen, welche wirtschaftliche Tätigkeit als nachhaltig/ökologisch ein- gestuft werden darf. Dazu werden sechs Umweltziele definiert: Klimaschutz Anpassung an den Klimawandel Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeres- ressourcen Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung Schutz gesunder Ökosysteme Nachhaltig ist eine Investition, die einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer der genannten Umweltziele leistet. Dabei darf sie zu keiner erheblichen Beeinträchtigung eines der anderen Umweltziele führen. Quelle: Waigel Rechtsanwälte Wesselin Kruschev, Capco: „Die Anleger möchten nicht in die klimafreundliche Panzerproduktion investieren.“ 310 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 esg-spezial I regulierung

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