FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020
D ie Europäische Union möchte den Kontinent zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz machen – und nimmt dafür den Finanzsektor in die Pflicht. Deshalb hat die EU-Kommission zahlreiche ambitio- nierte Regulierungsprojekte angeschoben. Eini- ge davon treffen Anlageberater und Finanz- vertriebe direkt, andere eher über Umwege. ImWesentlichen geht es um vier Vorhaben: Künftig wird ein Berater seine Kunden fragen müssen, ob sie bei ihrer Anlage Nachhaltig- keitskriterien berücksichtigt wissen möchten. Ein Projekt deutlich größeren Ausmaßes ist die Taxonomie, mit der sich die EU an einer Definition versucht, welche Wirtschaftsakti- vitäten als grün einzustufen sind. Anspruchs- voll ist auch das Vorhaben, ein EU-Label für Ökofonds einzuführen, das auf der Taxonomie aufsetzt. Und als geradezu gigantisches Vor- haben erweist sich die Umsetzung der soge- nannten Offenlegungsverordnung. Als fünftes, fast abgeschlossenes Projekt kommt die Benchmarkverordnung hinzu, die Kriterien für Klimaschutzindizes setzt (siehe Kasten Seite 312). FONDS professionell versucht, den Regulierungsdschungel zu lichten. ESG-Präferenzen Voraussichtlich ab Ende 2021 müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen in der Anlageberatung die „Nachhaltigkeitspräferen- zen“ ihrer Kunden abfragen, so sieht es eine geplante Änderung der Mifid-II-Vorgaben vor. „Der genaue Zeitpunkt ist noch offen, weil die EU-Kommission bislang noch nicht ihren finalen Entwurf vorgelegt hat“, erläutert Magdalena Kuper, Abteilungsdirektorin Recht beim Fondsverband BVI. Sobald dieses Dokument veröffentlicht ist, müssen noch das EU-Parlament und der EU-Rat zustimmen, dann erfolgt die Veröffentlichung im Amts- blatt. „Ab diesem Zeitpunkt bleiben der Bran- che aller Voraussicht nach zwölf Monate, bis die Regeln anzuwenden sind.“ Viel Zeit ist das nicht, schließlich müssen die Beratungs- prozesse und die nötige IT an die neuen Vor- gaben angepasst und die Mitarbeiter geschult werden. Deshalb arbeiten die Verbände der Banken (Deutsche Kreditwirtschaft), Fonds- anbieter (BVI) und Derivateemittenten (DDV) schon daran, wie eine Umsetzung in der Praxis aussehen könnte. Das Grundkonzept der Verbände sieht vor, in der Zielmarktdefinition für Finanzinstru- mente ein neues Datenfeld „N“ einzuführen. Die Anbieter können Fonds oder Zertifikate, die gewisse Mindestausschlüsse vorsehen und eine dezidierte ESG-Strategie verfolgen, dort als nachhaltig kennzeichnen. Bejaht ein Anleger die Frage seines Beraters, ob er Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt wissen möchte, kann so ein automatischer Abgleich mit passenden Produkten stattfinden. Wie die Abfrage genau zu erfolgen hat, ist noch offen. Vielleicht reicht eine schlichte Zusatzfrage in der Kundenexploration, die mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann, vielleicht muss der Berater gemeinsam mit dem Kunden aber auch erörtern, welche nach- haltigen Anlagestrategien es gibt und worauf er besonderen Wert legen möchte. „Die EU- Wertpapieraufsicht ESMAwird ihre Leitlinien zur Geeignetheitsprüfung und zum Zielmarkt noch überarbeiten“, erwartet Kuper. „Auf die- ser Grundlage rechnen wir mit Anpassungen der Verwaltungspraxis der Bafin.“ Klar ist bereits, dass allein die Frage an Kunden, ob sie nachhaltig investieren möch- ten, den Absatz entsprechender Produkte ankurbeln dürfte – schließlich wird vielen Anlegern damit eine Option aufgezeigt, von der sie bislang noch gar nichts wussten. Genau das ist auch das Ziel der EU-Kommission. Die ESMA hat allerdings schon angedeutet, dass einem an Nachhaltigkeit interessierten Kunden nicht zwingend ein ESG-Produkt empfohlen werden muss – nämlich dann, wenn der Berater nach Analyse aller Angaben ein anderes Produkt als besser geeignet erach- tet. Dies muss in der Geeignetheitserklärung allerdings begründet werden. Die Vorgabe, die Nachhaltigkeitspräferenz abzufragen, soll Künftig müssen Berater die „Nachhaltigkeitspräferenzen“ ihrer Kunden beachten. Bald folgt zudem ein Umweltzeichen für Fonds. Was auf die Branche zukommt. Regulierungs dschungel » Es ist fraglich, ob der Zeitplan zur Umsetzung der Offenlegungsverordnung noch zu halten ist. « Magdalena Kuper, BVI Foto: © Friedberg | stock.adobe.com Es gibt die schöne Redensart, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Diese Gefahr droht wohl auch bei der ESG-Regulierung der EU: Allein die Empfehlung einer Expertengruppe zur Taxonomie umfasst über 600 Seiten. 308 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 esg-spezial I regulierung
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