FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020

Produkt greifen, sonst wäre das Haftungs- risiko einfach zu groß. Mittlerweile gibt es auch unzählige Labels für nachhaltige Produkte. Welchen Nut- zen haben diese für den Berater? Die EU vertritt die Ansicht, dass man dem Kunden die Geldanlage möglichst einfach machen muss, und im Prinzip stimme ich dem zu: Man sollte es dem Kunden zumin- dest einfacher machen. Daher gibt es auf EU- Ebene etwa auch Pläne, das EU-Ecolabel auch auf Finanzprodukte auszudehnen. Das ist derzeit ein kontrovers diskutiertes Thema und wird es wohl auch noch für längere Zeit bleiben. Und falls es kommt, wird es meiner Meinung nach nicht sehr aussagekräftig sein – und darin liegt die Chance für die Berater. Sie müssen verstehen, was die unterschiedli- chen Labels und Siegel aussagen, und es ihren Kunden erklären können. Im deutschsprachi- gen Raum gibt es mehrere wesentliche La- bels, darunter das FNG-Siegel und das Öster- reichische Umweltzeichen. Diese sind inhalt- lich allerdings sehr unterschiedlich. Es lohnt sich daher für die Berater, die Methodologie hinter den einzelnen Labels anzusehen. Muss man angesichts der Coronakrise nicht davon ausgehen, dass das Nachhal- tigkeitsthema etwas aus dem Fokus gerät und auch die Staaten ihre ambitionierten und kostspieligen Klimaziele überdenken werden? Ganz im Gegenteil, alle Staaten greifen nun zu einer expansiven Fiskalpolitik. Die Gelder, die nun frei werden, können gezielter für Um- weltschutzthemen genutzt werden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn etwa große staat- liche Förderprogramme für die Bauwirtschaft aufgelegt werden, dann können diese für die Klimasanierung von Gebäuden oder für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Schienennetze zweckgewidmet werden. Also würden in Bereichen, für die bisher kein oder zu wenig Geld da war, durch die notwendigen Konjunkturpakete plötzlich Mittel frei. Es bie- tet sich also eine Riesenchance. Es muss aller- dings erkannt werden, dass Umweltpolitik und Wirtschaftsinteressen nicht im Gegensatz zu- einander stehen müssen. Durch die aktuellen Möglichkeiten können völlig neue Geschäfts- felder entstehen. Und welche Rolle kann nachhaltiges Investieren auf Ebene der Endanleger spielen? Ihr Buch trägt den Titel „Nach- haltig investieren gegen den Klimawan- del“. Entschuldigung, aber ist das nicht etwas hochgestochen? Ich habe das Buch sehr stark auf das Thema Klimawandel fokussiert, da dieses Problem die Menschen derzeit sehr stark beschäftigt. Es ist allerdings wichtig zu verstehen, dass nachhaltiges Investieren weitaus breiter ge- fasst ist und nicht nur den Aspekt des Klima- wandels beinhaltet. Allerdings kann der End- anleger durch Ausschluss gewisser Branchen, etwa Kohle und Öl, zumindest entscheiden, nicht in diese klimaschädlichen Sektoren zu investieren. Der Einzelinvestor wird natürlich nicht die Welt ändern. Sieht man sich aller- dings die Summen an, die hier investiert wer- den, muss man schon davon ausgehen, dass die Auswirkungen erheblich sind. Fonds- gesellschaften und große Investoren nutzen ihre Stellung in vielen Fällen bereits heute, um bei Hauptversammlungen positiv auf Firmen einzuwirken, damit diese ihr Unter- nehmen nachhaltiger ausrichten. Es gibt etwa die „Climate Action 100+ Initiative“: Mehr als 300 Investoren mit insgesamt mehr als 32 Billionen US-Dollar verwaltetem Ver- mögen haben sich hier zusammengetan, um die 100 größten Emittenten von Treibhaus- gasen dazu zu bewegen, endlich ihr Ge- schäftsmodell zu ändern. Da kann also schon etwas bewegt werden. Muss man sich nicht die Frage stellen, ob der massive Geldfluss hin zu nachhal- tigen Investments nicht auch Gefahren birgt, etwa die einer Blasenbildung? Dabei gibt es zwei Aspekte, zum einen den des Risikos. Hier sehen wir bereits, dass die Aufsichtsbehörden aufgrund der EU-Vor- gaben von den beaufsichtigten Unternehmen verlangen, dass diese sich mit Nachhaltig- keitsrisiken strategisch auseinandersetzen müssen, und zwar auf physischer wie auch auf transitorischer Ebene. Zu Letzterer gehört auch, dass Risiken, die durch Umschichtun- gen am Kapitalmarkt entstehen, also mögliche Verwerfungen, rechtzeitig erkannt werden. Der zweite Aspekt ist die Tatsache, dass immer mehr Asset Manager – wie auch für Unterzeichner der Principles for Responsible Investment (PRI) zwingend vorgeschrieben – ESG-Faktoren in ihre Anlageentscheidungen integrieren. Somit wird nicht einfach blind gekauft, das Ganze ist Teil einer cleveren Analyse mit sinnvollen Entscheidungen. Für viele Asset Manager war die Integration in die gesamte Strategie auch keine leichte Aufgabe. Daher sehe ich die Gefahr von Blasen und Verwerfungen als sehr gering an. Vielen Dank für das Gespräch. GEORG PANKL | FP Adam Lessing: „Es muss erkannt werden, dass Umweltpolitik und Wirtschaftsinteressen nicht im Gegensatz zueinan- der stehen müssen. Durch die aktuellen Möglichkeiten können völlig neue Geschäftsfelder entstehen.“ Foto: © Marlene Fröhlich 306 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 esg-spezial I adam lessing

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