FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020

bogen des Versicherers oder nach der Wohnfläche. Aktuell beobachten Branchenkenner nur noch vereinzelte Kündigungen oder Beitragsanpassungen in Teilbeständen. Das war zwischen 2009 und 2016 ganz anders. Damals liefen breiter angelegte Sanierungsaktionen, bei denen schaden- trächtige Bestände gekündigt, Selbst- behalte erhöht oder Leistungen ausge- schlossen wurden. Viele Versicherer bie- ten erst seit der Jahrtausendwende Tarife mit Beitragsanpassungsklauseln (BAP) an. Diese erlauben eine schnellere Bei- tragserhöhung: Ändert sich die Kosten- situation während der Laufzeit, kann der Beitrag nach entsprechender Berechnung durch einen unabhängigen Treuhänder angepasst werden. Beiträge steigen weiter Für Makler sind solche Anpassungen meist ein Ärgernis. Sie müssen sich mehrere Stunden mit dem Fall und der Marktrecherche für alternativen Ver- sicherungsschutz beschäftigen. Meist fin- den die Berater auch einen günstigeren Versi- cherer – doch auch das sorgt nicht selten für Frust. „Ich muss mehrere Stunden Arbeitszeit aufwenden, habe am Ende des Tages aber we- niger Courtage – wegen des oft niedrigeren Neubeitrags“, beklagt ein Makler, der nicht namentlich genannt werden möchte. Laut Kivi hatten einige große Anbieter auch 2018 noch hohe Schadenkostenquoten, darunter die Westfälische Provinzial (121,4 %), Signal Idu- na (119,5 %), Gothaer (112,4 %) und R+V (108,4 %). Weitere Beitragsanpassungen oder Bestandssanierungen dürfen also nicht überraschen. Für eine dauerhaft hohe Schaden- belastung sorgen seit Jahren unter an- derem Leitungswasserschäden sowie steigende Handwerkerpreise, berich- tet Dennis Wittkamp, Fachkoordina- tor Schaden und Unfallversicherun- gen bei der Ratingagentur Asseku- rata. „Das Prämienwachstum der vergangenen Jahre ist in erste Linie auf Sanierungsbemühungen der Ver- sicherer zurückzuführen“, sagt er. „Trotzdem ist die Wohngebäudever- sicherung insbesondere in der Mehr- jahresbetrachtung aktuell bei vielen Gesellschaften noch defizitär.“ Mit- telfristig würden die Beiträge weiter steigen. Die nächste Frost-, Sturm-, Hochwasser- oder Starkregenphase kommt bestimmt. Gefahr unter Putz Die größte Gefahr für Hauseigentü- mer droht jedoch nicht aus der Luft, son- dern schlummert unsichtbar in den Gemäuern und im Boden. Im Jahr 2017 haben die Wohngebäudeversicherer für 1,14 Millionen Leitungswasserschäden – das sind mehr als 3.000 Fälle pro Tag – über 2,7 Milliarden Euro an ihre Kun- den zahlen müssen, im Schnitt also 2.400 Euro pro Schaden. In strengen Wintern entstehen mehr als zehn Prozent der Leitungswasserschäden durch Frost. Das darf nicht verwundern, da beim im- mer älter werdenden Gebäudebestand die Rohrsysteme sanierungsbedürftig werden. Zudem vernachlässigen die Eigentümer Präventionsmaßnahmen, die Schäden sind ja durch die Leitungswas- serversicherung gedeckt. Manche Versi- cherer setzen zur Prophylaxe und Scha- denbegrenzung auf Smart-Home-Tech- nologie, etwa mit Leckage-Ortungssyste- men, andere erweitern ihre Kooperationsnetze mit Handwerkern. Frühwarnsysteme, etwa ein „Wasserwächter“, werden Kunden durch Bei- tragsrabatte schmackhaft gemacht. Neben zunehmenden Naturgefahren und maroden Leitungen setzte auch der Wettbe- werb den Versicherern zu. Der Preiskampf der Vergangenheit ließ die Einnahmen erodieren, während immer neue beitragsfreie Deckungs- erweiterungen die Ausgaben aufblähten. Üblich waren lange Zeit etwa die Mitver- sicherung von Grundstücksbestandteilen, die nicht Teil des versicherten Gebäudes sind, von austretenden Flüssigkeiten aus Klima-, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen und Photovol- taikmodulen auf dem Hausdach. Um den Wildwuchs zu bekämp- fen, sind die Gesellschaften zuneh- mend dazu übergegangen, Tarifmerk- male zu differenzieren. Marktüblich sind drei Leistungsniveaus für Basis-, Komfort- und Premium-Schutz. Sehr gut sind vor allem die teuren Tarife, urteilte die Stiftung Warentest zuletzt Ende 2018. Vor allem Kunden mit Altverträgen hätten zumeist nur den früher üblichen Dreifachschutz vor Schäden durch Feuer (Brand, Blitz- schlag, Explosion) ohne Elementar- deckung und im Schadenfall zudem » Vor dem Hintergrund der klimabedingt drohenden Zunahme von Naturkatastro- phen und der weiter altern- den Gebäudebestände stellt sich die Frage, ob eine nach- haltige Erholung des Zweigs überhaupt möglich ist. « Dennis Wittkamp, Assekurata Dennis Wittkamp, Assekurata: „Trotz Prämienwachstum ist die Wohn- gebäudesparte aktuell bei vielen Gesellschaften noch defizitär.“ Schwieriges Geschäft Einnahmen und Leistungen der Wohngebäudeversicherer Im Durchschnitt war das Geschäft mit Wohngebäudepolicen zuletzt kaum rentabel. 1 nach Schadenabwicklung | 2 GDV-Hochrechnung zum 28.11.2019 Quelle: GDV 0 2 4 6 8 Mrd. Euro 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 120 % 140 % 160 % 2019 2 2018 2017 2016 2015 2014 2013 Bruttoaufwendungen für Schadenfälle Schaden- Kostenquote 1 Gebuchte Bruttobeiträge www.fondsprofessionell.de | 2/2020 249

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