FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020
Fällen eine Abgeltungsvereinbarung unter- schreiben“, warnt Anwalt Strübing. Dann wären keine weiteren Ansprüche aus der BSV mehr möglich. Inzwischen mehren sich auch kritische Stimmen in der Politik, die den Kompromiss als „höchst problematisch“ ansehen. Mit ihrer vermeintlichen Kulanz würden sich die Versicherer freikaufen, lässt sich die Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann in einer Tageszeitung zitieren. Sie fragt rhetorisch, welcher Imbiss sich wohl mit der Allianz-Versicherung anle- gen würde? Offensichtlich tut dies ein Bochumer Gastronom. Er will von der Allianz nicht nur 30.000 Euro auf Kulanz- basis, sondern die vollen 210.000 Euro aus seiner BSV, wie die „Wirtschaftswo- che“ berichtet. Das braucht auch finanziell einen langen Atem. Rechtsprechung zur BSV existiert bisher nicht. Die Branche weiß, dass viele Firmenkunden einen jahrelangen Rechts- streit nicht durchstehen. „Das ist abstoßend“, kritisiert der Maklerpool Invers. Ohne Wenn und Aber Einige Anbieter zahlen bei Vorliegen einer BSV den schließungsbedingten Ausfall voll, darunter Barmenia, Münchener Verein und HDI. „Die Regulierung zahlreicher Schaden- fälle, darunter viele Gaststätten und Bars, hat bereits begonnen“, sagt HDI-Vertriebsvor- stand Wolfgang Hanssmann. In sachgerechter Auslegung der Be- dingungen leiste der Versicherer nun auch, „wenn behördliche Schließungsanweisungen infolge des neuartigen Coronavirus erfol- gen, das als gleichgestellt mit anderen bekannten Auslösern mit Bezug zum IfSG gewertet wird“, ergänzt Hanssmann. HDI ist zu- sätzlich dem bayerischen Kom- promiss beigetreten, um auch die versicherten Hotels mit 15 Prozent zu entschädigen, die in der Regel nicht aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen wurden, sondern angesichts fehlender Kun- den: Wegen der Kontaktbeschrän- kungen durften keine Privatreisen- den mehr einchecken. Verlässlich gezahlt hat nach eigenem Bekunden auch der Mün- chener Verein, der viele Metzge- reien und Bäckereien versichert hat. Bislang seien teils sechsstellige Beträge an unterschiedliche Firmen geflossen. „Wir lassen unsere Kunden nicht hängen“, betont Rainer Reitzler, der Vorstandschef der Versicherungsgruppe. „Von Beginn an war es für uns selbstverständlich, Corona im Rahmen der BSV als versichert anzusehen.“ Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW begrüßt jedes Bemühen um einen Kom- promiss auch wegen der Versicherungsver- mittler, „die im guten Glauben, umfassenden Versicherungsschutz vermittelt zu haben, in erhebliche Erklärungsnot gegenüber ihren Kunden gekommen sind“, wie es AfW-Vor- stand Norman Wirth formuliert. Kritisch wird jedoch gesehen, dass viele Versicherer selbst bei diesem Minimalkonsens nicht mitziehen. Der Verband betont, dass es Betroffenen frei- steht, auf die volle Versicherungssumme zu pochen. Dabei kann sich juristischer Beistand auszahlen, denn nur in sehr seltenen Fällen sei ein generelles Risiko übertragbarer Krankhei- ten in den AVB eindeutig versichert gewesen. Pandemie-Pool Wer erst jetzt eine BSV abschließen will, hat bis auf wenige Ausnahmen keine Chance mehr. Die Versicherer schlossen seit Bekanntwerden vermehrter Corona- Fälle in Wuhan Ende Dezember über wenige Tage hinweg die Tarife und lehn- ten Neugeschäft ab, so die Erinnerung von Oliver Drewes. „Einen Pandemie-Ret- tungsschirm kann allenfalls der Staat auf- spannen“, meint der Maxpool-Chef. Dazu passt der Vorschlag des interna- tionalen Versicherungsmaklers Aon, Ver- sicherungsrisiken künftig in einem Pande- mie-Pool abzusichern – nach dem Vorbild des staatlich finanzierten Versicherers Extre- mus für Terrorismusrisiken. Dies sei besser als nachträgliche staatliche Hilfen, weil die Fir- men vorher eigene Versicherungsbeiträge zah- len und so nicht von der Beliebigkeit politi- scher Entscheidungen abhängig wären. In der Gegenwart sollten die Versicherer im Zweifel Kulanz zeigen, rät Maxpool-Chef Drewes. „Sonst droht ein gewaltiger Imageschaden für die Branche, die ohnehin mit dem Vorurteil leben muss, Regenschirme bei Sonnenschein auszugeben, sie bei Regen aber zurückzu- verlangen.“ DETLEF POHL | FP Wolfgang Hanssmann, HDI: „Die Regulierung zahlreicher Schadenfälle, darunter viele Gaststätten, hat bereits begonnen.“ Rainer Reitzler, Münchener Verein: „Selbstverständlich sehen wir Corona im Rahmen der BSV als versichert an.“ » In den meisten Fällen ist vereinbart, dass die zuständige Behörde den Betrieb geschlossen haben muss, damit der Versicherer zahlt. « Tobias Strübing, Wirth Rechtsanwälte www.fondsprofessionell.de | 2/2020 247
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