FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020

sen wurden, weil dort das Virus aufgetreten ist (Einzelverfügung). Bei Allgemeinver- fügungen von Behörden ohne konkreten Corona-Befall im Unternehmen „orien- tiert sich Signal Iduna an der Logik des bayerischen Modells“, so ein Firmen- sprecher. Von diesem Modell wird später noch die Rede sein. Experten halten die Argumentation für vorgeschoben. „In den meisten Fällen ist vereinbart, dass die zuständige Behörde den Betrieb geschlossen haben muss, da- mit der Versicherer zahlt“, erklärt Tobias Strübing, Partner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. Dazu reichen nach seiner Auffassung auch überregionale Anordnungen aus. „In den meisten AVB steht nicht, dass die behördliche Anordnung sich unmittelbar an das betroffene Unternehmen richten muss“, so der Fachanwalt für Versicherungsrecht weiter. Maßnahmen zur Schließung von Unternehmen dürfen die Bundesländer auf- grund des IfSG erlassen. Strübing ist über- zeugt, dass die Versicherer mit ihrer Ableh- nung vor Gericht kaum durchkommen dürf- ten, denn die Bedingungen nehmen zumeist und gleich an mehreren Stellen Bezug auf das IfSG und bringen damit zum Ausdruck, dass die in diesem Gesetz aufgelisteten Krankhei- ten maßgeblich sein sollen. „Dem Grunde nach besteht in vielen Fällen Versicherungs- schutz“, meint er. Gegenwehr Auch das Argument, wonach das Coronavirus nicht namentlich in den Bedingungen genannt ist, sticht nicht. „Die Auflistungen in den AVB haben nur deklaratori- schen, nicht jedoch konstitutiven Charakter“, meint Hans-Georg Jenssen, Geschäftsführer des Bun- desverbandes Deutscher Versiche- rungsmakler (BDVM). Das erge- be sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. „Wenn Versicherer sich vor dieser Dynamik schützen wollen, um ihre Kalkulation nicht zu gefährden, müssten sie das auch so deutlich in die AVB rein- schreiben, dass es ein durch- schnittlicher Versicherungsnehmer versteht“, schimpft Jenssen. „Das haben sie aber nicht“, betont der Maklerverbandschef auch mit Blick auf den Marktführer Allianz. Für den Versicherten mache es keinen Unterschied, ob die Betriebs- schließung durch die Gesundheitsbehörde oder durch die Landesregierung oder die nachgeordnete Landesbehörde aufgrund einer Allgemeinverfügung erfolge, meint Tamara Knöpfel, Fachanwältin für Versicherungsrecht. „Die Betriebsschließung ist hoheitlich ange- ordnet“, betont sie. „Das ist der Umstand, auf den es imWege der ergänzenden Vertragsaus- legung ankommt.“ Die Blockadehaltung vieler Gesellschaften ist nach Meinung vieler Beobachter auch des- halb besonders ärgerlich, weil es meist nur um Minimaldeckungen im Vergleich zum Ge- samtumsatz der Betriebe geht. Die Schäden, die durch einen Betriebsstopp durch Corona entstehen, sind laut BDVM eher rudimentär abgesichert, da nicht die Umsätze ersetzt werden, sondern nur laufende Betriebskosten wie Miete, Löhne, Kredit- und Leasingraten. Diese Größenordnung bestätigt Thomas Bischof, Versicherungsvorstand im W&W- Konzern. Er schätzt, dass nur jedes hundertste Unternehmen eine BSV abgeschlossen hat. Für ihn stehe jedoch die öffentliche Hand in der Verantwortung. Grund: Versiche- rungszweck der BSV sei der Ersatz bei Schließung infolge von Verseuchung – und nicht bei behördlich angeordneter Unterbrechung von Infektionsketten. Viele Versicherer verlangen zudem von den Betroffenen, Entschädigungsansprü- che wegen Betriebsschließung nach dem IfSG bei den zuständigen Behörden anzu- melden. Bis das Geld fließt, könne der Kunde vom Versicherer ein zinsloses Dar- lehen bis zur vollen Versicherungshöhe ver- langen. Meist lässt der Versicherer sich diese behördlichen Entschädigungsansprüche abtre- ten. Das ist aber nicht ungefährlich, denn in den AVB steht auch: Wenn die öffentlich- rechtliche Entschädigung abgelehnt wird, stellt der Versicherer das Darlehen sofort fäl- lig. „Vielfach dürfte gar kein Entschädigungs- anspruch gegenüber der Behörde bestehen“, fürchtet Anwalt Strübing. Daher rät er, juristi- schen Beistand zu suchen, sobald sich eine Ablehnung durch den Versicherer abzeichnet. Vom Saulus zum Paulus Zwei Wochen nach den ersten Betriebs- schließungen begann die Assekuranz, sich vom Saulus zum Paulus zu wandeln. Das » Die Betriebsschließung ist hoheitlich angeordnet. Das ist der Umstand, auf den es im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ankommt. « Tamara Knöpfel, Fachanwältin Torsten Wetzel, Haftpflichtkasse: „Betroffene können sich auch jetzt noch direkt oder über ihre Vermittler bei uns melden.“ Oliver Drewes, Maxpool: „Einen Pandemie-Rettungsschirm kann allenfalls der Staat aufspannen.“ www.fondsprofessionell.de | 2/2020 245

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