FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020

Fehlende Wirtschaftlichkeit Neben dergleichen organisatorischen Pro- blemen unterscheiden sich auch die betriebs- wirtschaftlichen Erfordernisse von Wohnung und Pflegeimmobilie. „Die Wertentwicklung einer Pflegeimmobilie ist nicht mit der einer Wohnimmobilie vergleichbar“, sagt Nagel. „Eine Pflegeimmobilie muss viel öfter revi- talisiert werden.“ Weil das unterschätzt oder bewusst in Kauf genommen wird, werden bei vielen Angeboten die Instandhal- tungskosten nicht ausreichend kalku- liert. Ein Angebot setzt dafür bei- spielsweise für ein Apartment von 22 Quadratmeter Wohn- und 28 Qua- dratmeter Gemeinschaftsfläche pau- schal 100 Euro im Jahr an, wohinge- gen etwa der Verband Privater Bau- herren empfiehlt, mindestens einen Euro je Quadratmeter und Monat an- zusetzen – also das Sechsfache. Das führt dazu, dass in den ersten Jahren mehr an die Anleger ausgezahlt wird, als ausgekehrt werden sollte. Seitens der Anleger wird es da keinen Wider- spruch geben, aber nach zehn oder 15 Jahren, wenn größere Instandhal- tungsarbeiten notwendig werden, wird es zum Problem. Angebote, die vier Prozent pro Jahr und mehr ver- sprechen, verkaufen sich natürlich leichter. Aber: „Dann muss an den In- standhaltungskosten gespart wer- den“, warnt Terragon-Chef Held. Schwerer ins Gewicht dürfte fallen, dass bei den Apartment- modellen allzu häufig im Ankauf nicht der Gewinn liegt, sondern der Verlust programmiert ist. Beim Verkauf an Privatanleger schlagen Aufteiler mitunter erheb- liche Margen auf: „Die Einstiegs- preise liegen oft 30 bis 40 Prozent über den Gestehungspreisen“, sagt Hemsö-Geschäftsführer Nagel. Fehlende Flexibilität Aber selbst wer bereit wäre, sein Pflegeapartment mit Abschlä- gen dieser Größenordnung wieder zu verkaufen, wird feststellen, dass es keinen Zweitmarkt gibt. Das Versprechen, das in Verkaufs- gesprächen mitunter zu hören ist, dass man als Pflegefall dann in seine eigenen vier Wände einzie- hen könne, wird wohl nicht einzu- lösen sein, wenn das Apartment nicht ohnehin gerade leersteht: Eine Eigenbedarfskündigung ist in einem Pflegebetrieb wirkungslos. Auch um eine etwaige Drittverwendung, wenn zum Beispiel der Pächter in die Insol- venz geht oder sein Vertrag ausläuft, ist es bei Pflegeapartments schlecht bestellt. „Wie irre- führend die Bezeichnung Apartment ist, zeigt sich dann darin, dass es keine autonomen Ein- heiten sind. Es handelt sich überwiegend um Pflege-Einzelzimmer, ohne Küche. Die tech- nischen Voraussetzungen für eine problemlose einzelne Abrechnung von Heizung, Strom und Wasser sind nicht oft nicht gegeben“, sagt DCPC-Consultant Schröder. Garantieversprechen Viele Vermittler von Pflegeapartments wer- ben damit, wie sicher das Investment sei. Da ist von „staatlich gesicherten Mieteinnahmen“ die Rede oder davon, dass Anleger auch bei Leerstand ihre Miete erhal- ten würden. Das ist – zumal in dieser Kombination – grober Unfug. Mit der „staatlichen Garantie“ ist gemeint, dass die Sozialversiche- rungsträger für die Zahlung der Pflegesätze an den Betreiber auf- kommen, wenn ein Heimbewohner dazu finanziell nicht mehr in der Lage ist. Bleibt aber ein Bett leer, gibt es diese Unterstützung nicht. Und dass der Betreiber seine Pacht auch in diesem Fall überweisen muss – darauf bezieht sich das zweite halt- lose Versprechen –, steht zwar in sei- nem Vertrag, aber das geht natürlich nur, so lange er über entsprechende Rücklagen verfügt. Das ist in einem in hohem Maße auf Kante genähten System leider nicht die Regel. TILMAN WELTHER | FP Foto: © Terragon l Hemsö Michael Held, Terragon: „Der Neubau einer Pflegeimmobilie ist schwieriger geworden.“ Jens Nagel, Hemsö: „Ein Betreiber braucht einen Eigentümer, der flexibel reagieren kann. Eine WEG ist denkbar unflexibel.“ Enormer Mehrbedarf Prognose zur Entwicklung der vollstationären Pflege Bis 2040 werden rund 300.000 zusätzliche Plätze benötigt, schätzt DCPC. Das entspricht 3.750 zusätzlichen Heimen bei einer Heimgröße von 80 Plätzen, also 180 Heimen oder zirka 14.300 Plätzen pro Jahr bis 2040. Quelle: DCPC Deutsche Care Property Consulting auf Basis von Destatis-Angaben und unter Zugrundelegung einer vollstationären Quote von 4,26 Prozent der über 65-Jährigen sowie eines geschätzten Ersatzbaubedarfs von rund fünf Prozent der vorhandenen Einrichtungen. 2040 Prognose 2017 2015 2013 2011 Pflegeplätze 743.000 Pflege- plätze 764.000 Pflege- plätze 783.000 Pflege- plätze 818.000 Pflege- plätze 1.120.000 Pflege- plätze 208 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 sachwerte I pflegeimmobilien

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