FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020
ergebende wirtschaftliche Veränderungen, etwa wenn Mieter nicht bezahlen oder auszie- hen, sind zwar Gegenstand von zumindest jährlichen Berichten an die Anleger. Welche Wertveränderung ein Anteil dadurch aber aktuell erfährt, bleibt unklar. Vor allemAnle- ger in geschlossenen Fonds mit Einzelhan- delsimmobilien oder Hotels bekamen in den vergangenen Wochen mitgeteilt, dass aus Vorsichtsgründen Auszahlungen einstweilen reduziert oder ausgesetzt würden. Fondsanalystin Knorr erinnert daran, dass man jeden Einzelfall gesondert betrachten muss: „Gerade bei den nicht risikodiversi- fizierenden Produkten muss man sich die Finanzierungsseite genau ansehen.“ Als risiko- mischend gelten Fonds, die mindestens drei Objekte haben oder zum Beispiel über eine diversifizierte Mieterstruktur gewährleisten, dass sie Ausfallrisiken streuen. Geschlossene Fonds können mit bis zu 60 Prozent Fremd- kapital operieren, während offene Immobi- lienfonds ihre Bestände zu maximal 30 Pro- zent fremdfinanzieren dürfen. Das erhöht bei geschlossenen Fonds das Risiko, das mit Fremdfinanzierungen regelmäßig einhergeht. „Wenn die Bank eine Immobilie abwertet, kann es passieren, dass ihr Wert vertraglich vereinbarte Mindestgrenzen unterschreitet“, sagt Knorr. Dann verlangen Banken häufig ein Zugeständnis, üblicherweise zunächst mal in Form von Auszahlungsverzichten. Hotels Durch die Reisebeschränkungen sind Hotels über Nacht die Umsätze weggebrochen. „Ins- besondere bei hybriden Vertragskonstruktio- nen, wenn also ein Teil der Pacht umsatzab- hängig gezahlt wird, macht sich das schnell auch auf Fondsebene be- merkbar“, sagt Knorr. Der variable Teil fällt dann vertragskonform sofort weg. Häufig genug können die Hotels jedoch auch den fixen Teil nicht mehr zahlen. Die Lage eines Hotels wird maßgeblich dafür sein, wie schnell es seinen Weg aus der Misere finden wird. „Der Hotelsektor“, gibt Knorr aber zu bedenken, „wird sich möglicher- weise durch Corona strukturell ändern.“ Denn viele Unternehmen stellen gerade fest, wie viel sich an Reisekosten einsparen lässt, wenn man verstärkt digitale Kommunika- tionswege nutzt. Das beschert dem Sektor eine große Unsicherheit. Mietstundung, Mietreduktion, Pachtverlängerung Wer seinem Pächter einen Zahlungsauf- schub gewährt, braucht die Gewissheit, dass er später dazu in der Lage sein wird, die Pacht nachzuzahlen. Einige Branchen werden sich damit aber schwertun. Während der Einzel- handel möglicherweise von einer zurückkom- menden Kauflust profitiert und ausgefallene Umsätze teilweise kompensieren kann, haben Hotellerie und Gastronomie keine Chance, ihre Verluste wieder aufzuholen. In der Praxis ist entsprechend häufiger das Lösungsmodell Mietreduktion gegen Ver- tragsverlängerung anzutreffen. Ein nicht zu verachtender Zusatzeffekt, der sich dabei einstellen kann: Das wechselseitige Vertrauen zwischen Mieter und Vermieter wird zuneh- men, wenn sie gemeinsam eine tragfähige Lösung finden. Ausblick Der Einzelhandel in Deutschland wird zwar seit Ende April schrittweise wieder hochge- fahren. Die Angst vor einer Rezession wird jedoch die Kauflust der Menschen bremsen, was die Aussichten für Investments in Einzel- handelsimmobilien dauerhaft eintrüben könn- te. Bei Büroimmobilien gibt es hingegen ver- einzelt optimistische Stimmen. „Im Gegensatz zu vorherigen Krisen handelt es sich um einen externen Schock, dessen Ursache, Umfang und Ablauf bislang einmalig sind“, sagt Wolf- gang Speer, Leiter Büro und Wohnen bei der Immobilienberatung Colliers International in Deutschland. „Dennoch können wir aus ver- gangenen Krisen Muster und Trends erkennen sowie mithilfe eines Prognosemodells ver- schiedene Szenarien ermitteln, wie sich der erwartete Leerstand entwickeln könnte.“ Ge- mäß dem Leerstandsmodell von Colliers könnte die Leerstandsquote von aktuell etwa 2,9 Prozent kommendes Jahr auf Werte zwi- schen 3,9 und 5,5 Prozent wachsen. Zunächst würde jedoch die gegenwärtig vielerorts noch vorherrschende Flächenknappheit reduziert werden, ergänzt Speer. „Es ist keine Rückkehr zu den Höchstständen der Dotcom- oder der Finanzkrise zu erwarten.“ Zwei Immobiliensegmente könn- ten sogar gestärkt aus der Krise kommen. „Wir erwarten, dass Logistik und Wohnen die Hauptge- winner dieser Krise sein werden“, schreibt die DWS in einer aktuellen Analyse zu den Auswirkungen von Covid-19 auf Immobilieninvest- ments. „Beide stehen dem Ab- schwung widerstandsfähiger gegen- über und sind gut positioniert, um von einem beschleunigten struktu- rellen Wandel zu profitieren.“ TILMAN WELTHER | FP Foto: © Colliers Wolfgang Speer, Colliers: „Es ist keine Rückkehr zu den Höchstständen vor der Finanzkrise zu erwarten.“ » Der Hotelsektor wird sich möglicherweise durch Corona strukturell ändern. « Sonja Knorr, Scope Analysis „Externer Schock“ Prognose des Büroflächenleerstands in Deutschlands Top-7-Städten Bei zwei bis vier Prozent Arbeitslosen spricht man noch von Vollbeschäftigung. Bei Immobilien gelten fünf Prozent Leerstand noch als gesund. Quelle: Colliers 0 % 2 % 4 % 6 % 8 % 10 % 2021 Q1 2020 2018 2016 2014 2012 2010 Schnelle Erholung Langsame Erholung Leerstandquote 5,5 % 4,6 % 3,9 % Mittlere Erholung Finanzkrise Corona 194 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 sachwerte I immobilien
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