FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020

Deutlich gestiegen sind nach Ihren Beobachtungen die Renditeprognosen für Aktien. Wie wirkt sich das aus? Die erwarteten Aktienerträge sind auf breiter Front um 100 bis 250 Basispunkte gestiegen. Das mag angesichts der jüngsten Kommenta- re über die Risiken im Zusammenhang mit Gewinnen, Dividenden und Aktienrückkäufen nicht unbedingt logisch erscheinen. Aber so relevant kurzfristige Gewinnschwankungen auch sind, wir konzentrieren uns bei unseren Langfristprognosen für Aktien auf Gewinn- trends, die mit dem langfristigen potenziellen Wachstum korrelieren. Außerdem glauben wir nicht, dass die Einschränkungen der Cash- Ausschüttungen nach dem Ende von Krise und Rezession noch lange anhalten werden. Obwohl in bestimmten Regionen und Sekto- ren die Auszahlungen kurzfristig unter Druck stehen, halten wir dies für kein dauerhaftes Thema. Schließlich war der jüngste Schock an den Märkten ja nicht das Ergebnis eines unternehmerischen Fehlverhaltens. Und was bedeutet das für die einzelnen Marktsegmente? Large Caps aus den USA gehörten lange Zeit hindurch zu den teuersten Aktien, doch wegen der hohen Marktqualität und der Neigung der Anleger zu Technologiewerten haben die gro- ßen Werte im Konjunkturaufschwung welt- weit den Ton angegeben. In der neuen Phase, in der wir uns jetzt befinden, sind die Rendite- erwartungen für Large Caps aus den USA, wie gesagt immer auf dem Stand per 31. März, von 5,60 Prozent auf 7,20 Prozent ge- stiegen. Das ist eine Folge des starken Index- verfalls im März. In der Konsequenz führt das die Renditeerwartungen für US-Aktien nach unserem Ermessen zwar sehr viel näher an jenes Niveau heran, das wir als langfristig fair bezeichnen. Allerdings liegen die erwarteten Renditen für Aktien anderer Regionen da- durch inzwischen weit vor jenen der USA. In lokaler Währung sind die Renditen für Aktien des Euroraums um 240 Basispunkte auf 8,20 Prozent gestiegen; für Aktien der Schwellen- länder beträgt der Anstieg 130 Basispunkte auf ein Niveau von 10,50 Prozent, und die Renditeerwartungen für japanische Aktien sind um 100 Basispunkte auf 6,50 Prozent ge- klettert. Der Währungseffekt bestimmt dabei angesichts der derzeitigen Überbewertung des US-Dollars den erwarteten Renditeaufschlag für Nicht-US-Märkte zusätzlich. Risikoberei- nigt verringert sich jedoch umgekehrt der US- Renditeaufschlag. Was ist Ihrer Einschätzung nach für Rohstoffinvestments zu erwarten? Bei den Rohstoffen steigert der Energiepreis- verfall die Renditeerwartungen, obwohl unse- re Basisannahmen für das Trendwachstum unverändert sind. Bei Gold haben sich hin- gegen unsere Renditeerwartungen trotz der starken Rally des Edelmetalls nicht verändert. Langfristig dürften der nach unseren Pro- gnosen schwächere Dollar und die potenziell höhere Inflation die Renditeerwartungen für Gold unterstützen. Bleiben noch die alternativen Invest- ments. Was sind hier Ihre Erwartungen? Bei alternativen Anlagen, das gilt vor allem für Private Equity und Hedgefonds, sind die erwarteten Erträge der öffentlichen Märkte der wichtigste Renditetreiber. Und steigende Er- tragserwartungen an den öffentlichen Aktien- märkten führen zu einem Anstieg der erwar- teten Erträge für Private Equity von 100 Ba- sispunkten auf 9,80 Prozent. Dementspre- chend sind unsere Alpha-Prognosen für Pri- vate Equity, aber auch für Hedgefonds, nach wie vor recht optimistisch. Zusätzlich bestätigt die jüngste Marktvolatilität uns in der Über- zeugung, dass mittelfristig gute Aussichten zur Generierung von Zusatzerträgen bestehen. Vor allem kann bisher trocken gehaltenes Pulver in den Bilanzen von Private-Equity-Unterneh- men jetzt zu niedrigeren Einstiegspreisen ein- gesetzt werden und höhere Finanzierungs- kosten weitgehend ausgleichen. Und eine er- höhte Volatilität sowie eine größere Streuung von Anlagen kann die Alpha-Generierung bei Hedgefonds durchaus begünstigen. Welche Schlüsse können Anleger mit Blick auf den nächsten Zyklus ziehen? Die Merkmale des nächsten Zyklus wie auch die Auswirkungen der jüngsten Maßnahmen von Politik und Notenbanken werden sich erst in einigen Monaten deutlicher abzeichnen. Aber eines zeigt sich anhand der veränderten Bewertungen sehr klar und wird durch die Renditeerwartungen auf Basis verschiedener Einstiegspreise zusätzlich bestätigt: Je stärker die Preise kurzfristig fallen, desto stärker ist auch der Impuls für die langfristig erwarteten Renditen. Anders ausgedrückt: Je pessimis- tischer die Einschätzung der Lage heute ist, desto optimistischer kann der langfristige Ertragsausblick ausfallen. Vielen Dank für das Gespräch. HANS HEUSER | FP » Der jüngste Schock an den Märkten war ja nicht das Ergebnis eines unter- nehmerischen Fehl- verhaltens. « Tilmann Galler, J.P. Morgan Asset Management Langfristig dürften der nach unseren Prognosen schwächere Dollar und die potenziell höhere Inflation die Renditeerwartungen für Gold unterstützen. » « Tilmann Galler, J.P. Morgan Asset Management Foto: © Manjit Jari | J.P. Morgan Tilmann Galler: „Die erwarteten Aktienerträge sind auf breiter Front um 100 bis 250 Basispunkte gestiegen. Das mag nicht unbedingt logisch erscheinen.“ markt & strategie I tilmann galler | j.p. morgan asset management 154 www.fondsprofessionell.de | 2/2020

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