FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020
Blackrocks Passivsparte iShares. Im Zuge dessen sei von Marktteilnehmern die Frage aufgekommen, warum der Preis des ETFs um einige Prozentpunkte von seinem Nettoinven- tarwert abweichen kann. „Hier mussten wir erklären, dass der Nettoinventarwert auf einer theoretischen Berechnung fußt. Wenn die im ETF-Portfolio enthaltenen Papiere nicht oder nur selten gehandelt werden, ist ihr Wert gleichsam eingefroren“, erläutert Scharl. „Der ETF wird hingegen laufend gehandelt. So kommt es zeitweilig zu größeren Abweichun- gen.“ Tatsächlich hätten sich die Anteilswerte der Anleihen-ETFs vielmehr zu einer Art Wegweiser für die Kurse der zugrunde liegen- den Bonds entwickelt. „ETFs dienten für den Anleihenmarkt als Preisfindungsinstrument“, berichtet Scharl. Informationsvorsprung Unterstützung für diese Sicht erhalten die Anbieter von den Experten der BIS. „Anders als bei Publikumsfonds, die einmal am Tag bewertet werden, läuft der ETF-Handel durch- gängig. Ihre Liquidität wird von einer ganzen Palette an Intermediären unterstützt“, schrei- ben die BIS-Ökonomen Sirio Aramonte und Fernando Avalos. „Im Ergebnis binden ETFs rascher Informationen ein als die zugrunde liegenden Anleihen.“ Vielmehr würden unge- wöhnlich erscheinende Anteilspreise der Ent- wicklung des Nettoinventarwerts und der Bondkurse vorgreifen. „Dies deutet darauf hin, dass der Informationsfluss von den ETF-Anteilspreisen zum Nettoinventar- wert gerichtet ist.“ Zudem verweist die Fondsgesellschaft DWS, die die ETF-Marke Xtrackers betreibt, in einer Analyse darauf, dass die Preiswirren bei Anleihen-ETFs den Besonderheiten des Bondhandels geschuldet seien. „Der Markt für fest- verzinsliche Papiere funktioniert nicht wie bei Aktien“, betonen die DWS- Experten Bhaven Patel, Jamie Hartley und Cesar Muro. „Er ist fragmentiert, zudem weder standardisiert, noch gibt es eine offizielle Schlussauktion.“ Daher warte der Anleihenhandel nicht mit derselben Transparenz und Klar- heit auf wie bei Aktien. „Demzufolge spiegelt der Nettoinventarwert eines ETF oder eines herkömmlichen Fonds einen theoretischen, geschätzten Wert wider.“ Auch Bondbarometer würden sich aus vielen theoretischen Kursen zusammensetzten, die nicht unbedingt die im echten Handel erzielbaren Preise ab- bilden. In dynamischen Marktphasen weiteten sich diese geringen Abweichungen rasch zu großen Differenzen aus. Dies sei jedoch keine Besonderheit von ETFs, sondern des Bond- marktes, betonen die drei DWS-Mitarbeiter. Ein weiteres Argument der Kritiker lautet, dass passive Vehikel einen Börsenabschwung verstärken würden. Die massive Rückgabe von ETF-Anteilen führe dazu, dass Anbieter die in den Fonds enthaltenen Papiere geballt auf den Markt werfen müssten. Das würde die Abwärtsspirale noch befeuern. Auch dies lässt die Branche nicht gelten. „Bei einer Rückgabe von ETF-Anteilen wurde nur ein Bruchteil der Anleihen auch tatsächlich physisch be- wegt“, stellt Scharl klar. „Vielmehr nahmen die Market Maker die Anleihen auf ihr Buch und parkten sie für den Fall einer Nachfrage nach neuen ETF-Anteilen. Diese Nachfrage setzte tatsächlich kurze Zeit später wieder ein“, sagt der Blackrock-Mann. Abgefedert Anders als bei klassischen Fonds überneh- men bei ETFs sogenannte Authorized Partici- pants die Anteilsausgabe und -rücknahme. Fondsanteile werden bei ETFs nur erschaffen oder aufgelöst, wenn im Sekundärhandel Angebot und Nachfrage nicht zusammenfin- den. Diesen Handel unterstützen die soge- nannten Market Maker. Inmitten des Covid-19-Crashs konnte der Sekundärhandel viel abfedern, meinen die Analysten der DWS in ihrem Papier. Demzu- folge lag der Sekundärhandel bei einigen An- leihen-ETFs im März weit über demWert des Vorjahreszeitraums. So seien in der Hochpha- se der Coronakrise für eine Anteilsabwicklung im Primärmarkt in Höhe von einer Million Euro im Sekundärmarkt 3,5 Millionen Euro gehandelt worden. Zu normalen Zeiten liege dieser Wert bei 1,3 Millionen Euro. Der iShares-Manager Scharl verweist auf einen weiteren Punkt: „Investoren nutzen ETFs als liquides Werkzeug, um rasch ihr Portfolio anzupassen.“ So wur- den nicht einzelne Anleihen, sondern viel- mehr die ETF-Körbe gehandelt. „Früher hätten Großinvestoren eben über sogenannte Basket Trades gehandelt – und Wertpapiere abge- stoßen.“ Und er ergänzt: „ETFs sind keine Trendverstärker. Der Anlei- henmarkt insgesamt ist beispiels- weise immer noch deutlich größer.“ Scharl betont: „Der ETF-Markt ist hingegen viel zu klein, um als Brandbeschleuniger zu wirken.“ Die Analysten von Absolut Re- search erklären schließlich, dass von keiner dauerhaften Störung des Marktes gesprochen werden könne. Gleichwohl seien die beobachteten Abweichungen für Investoren natür- lich nicht erfreulich. SEBASTIAN ERTINGER | FP Foto: © Axel Gaube Peter Scharl, Blackrock: „Der ETF-Markt ist viel zu klein, um als Brandbeschleuniger zu wirken.“ » Im Ergebnis binden ETFs rascher Informationen ein als die zugrunde liegenden Anleihen. « Sirio Aramonte und Fernando Avalos, BIS Auf Abstand gegangen Diskrepanz zwischen NAV und Preis bei einem ETF Beim iShares Core Euro Corporate Bond ETF kam es zu Abweichungen, ebenso wie bei anderen Vehikeln auf Unternehmensanleihen. Quelle: Bloomberg 115 120 125 130 135 April März Feb Jan Schlusskurs Corporate Bond ETF Nettoinventarwert Euro 140 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 markt & strategie I etf-kurse
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