FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020
Foto: © Tinnakorn | stock.adobe.com N ormalerweise folgen börsengehan- delte Indexfonds einfach den vor- gegebenen Wegen. Ein Börsen- barometer gibt die Zusammenstellung des Portfolios vor. Der Exchange Traded Fund (ETF) kauft oder verkauft die ent- sprechenden Titel – und das war’s. Doch inmitten der Marktverwerfungen rund um die Ausbreitung der Lungenkrankheit Covid-19 und ausgerechnet kurz vor dem 20. Geburts- tag der börsengehandelten Indexfonds in Europa am 11. April verließen Anleihen-ETFs die vorgezeichneten Wege. Es kam teilweise zu erheblichen Abweichungen zwischen dem Fondswert und dem Index, der abgebildet werden soll. Auch zwischen den Preisen, zu denen die Anteile einiger Bond-ETFs an der Börse gehandelt wurden, und ihrem jeweiligen Nettoinventarwert klafften Diskrepanzen auf. Dieses Phänomen trat vorwiegend bei Pro- dukten mit Fokus auf Unternehmensanleihen auf. Kritiker sehen diesen Verlauf als Beleg für die systematischen Schwächen von Anlei- hen-ETFs. Die Anbieter wehren sich aller- dings gegen diesen Vorwurf. Gewisse Abweichungen zwischen der Ent- wicklung eines Börsenbarometers und passi- ver Fonds, die dieses abbilden, sind nicht un- gewöhnlich. Während Indizes theoretischen Konstrukten gleichen, gehen bei ETFs unter anderem Handelskosten, Steuern und Gebüh- ren ab. Doch inmitten des Corona-Crashs nahm dieser sogenannte „Tracking Error“ grö- ßere Dimensionen an. Dies zeigt eine Auswer- tung des Analysehauses Absolut Research. Die Experten untersuchen 104 ETFs im Zeit- raum vom 20. Februar bis 27. März 2020. Abgekoppelt Demnach lagen rund 30 Prozent der Fonds an mindestens einem Tag mehr als vier Pro- zentpunkte unter ihrem Index. Bei 15 Prozent der ETFs war dies auch an mehr als einem Tag der Fall. Um mehr als acht Prozentpunkte von ihrem Barometer wichen vier Prozent der Fonds ab, dies allerdings nur für einen Tag und nicht wiederholt. Dieses Phänomen offen- barte sich in der Hochphase der Verwerfungen Mitte März und überwiegend bei Unterneh- mensanleihen-ETFs, ebbte später aber ab. Bei Produkten auf Staatsanleihen waren diese Wirren selten zu beobachten. Weiterhin lag der Preis der ETF-Anteile teilweise deutlich unter dem Nettoinventar- wert. Einer Analyse der Bank für Internatio- nalen Zahlungsausgleich (BIS) zufolge kam es hier zu Diskrepanzen von bis zu neun Pro- zent. Das war eine schmerzhafte Erfahrung für Investoren, die ihre Fondsanteile unter Wert verkaufen mussten. Kritiker sehen sich durch diese Abweichungen bestätigt: Ihrer Meinung nach sind die durchgängig handel- baren ETFs nicht das geeignete Vehikel für Investments in Anlageklassen mit geringerer Liquidität wie Unternehmensanleihen. Heikle Pakete Einer von ihnen ist Leonhard Fischer von der DFG Deutschen Fondsgesellschaft. „ETFs stellen außerhalb des Aktiensektors eine Sackgasse dar“, meint der Mitinitia- tor und Vorsitzende des Anlageausschus- ses des „Zukunftsfonds“. Angesichts der enormen Differenzen zwischen Börsen- preis und Nettoinventarwert hätte so man- cher Anleihen-ETF gravierende Probleme bei der Anteilsrücknahme bekommen, so der ehe- malige Investmentbanker. „Allein die massi- ven Stützungskäufe der Notenbanken verhin- derten dies“, sagt Fischer. „Anleihen-ETFs erinnern mich stark an die Verbriefungen aus der Zeit vor der Finanzkrise 2008. Da wurden ebenfalls illiquide Papiere zu einem Paket zusammengefasst, das dann einen vermeint- lichen Liquiditätsschutz bieten sollte.“ Die ETF-Anbieter wiederum treten dieser Interpretation entgegen. Sie verweisen zum einen auf die außergewöhnliche Lage an den Finanzmärkten. „Die Anleihenmärkte gerieten unter extremen Stress. Eine große Zahl von Papieren war vom Handel ausgesetzt, oder es wurden nur unregelmäßig Kurse gestellt“, sagt Peter Scharl, Leiter des Wealth-Bereichs für die Region Europa, Nahost und Afrika bei Im Zuge des Kursverfalls an den Börsen driftete der Anteilspreis von Anleihen-ETFs deutlich vom inneren Wert der Fonds ab. Das Phänomen irritierte Investoren. Schwieriges Terrain In anspruchsvollem Gelände unterwegs: Inmitten der Marktwirren klafften bei Anleihen-ETFs Lücken zwischen ihrem Anteilspreis und dem Nettoinventarwert auf. » ETFs stellen außerhalb des Aktiensektors eine Sackgasse dar. « Leonhard Fischer, DFG 138 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 markt & strategie I etf-kurse
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