FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2020

ben wir gesehen, dass viele Unternehmer das Thema Gewinnfreibetrag in der Vergangenheit kaum beachtet haben.“ Relationship Manager Das erste Geschäftsjahr führte auch zu eini- gen Lerneffekten. Die wohl wichtigste Konse- quenz daraus war eine Trennung von Bera- tung und Kundenakquise. Die Beweggründe sind für den Feel-Finance-Gründer schnell erklärt: „Es gibt viele Leute, die unglaublich gut im Netzwerken und in der Kundenakquise sind, die Beratung an sich interessiert sie al- lerdings nicht. Andere sind sehr gute Berater, tun sich aber schwer damit, neue Kunden zu gewinnen. Daher haben wir vier Relationship Manager aufgebaut, die ausschließlich Kon- takte zu den Kunden herstellen. Sie können zwar bei Beratungsgesprächen als Vertrauens- person für den Kunden dabei sein, mit der Beratung an sich haben sie allerdings nichts zu tun.“ Dass diese Strategie aufgeht, zeigt sich laut Hochstrasser an der Tatsache, dass man mittlerweile pro Monat an die 20 Neu- kundenkontakte über die Netzwerker be- kommt. Einer dieser Relationship Manager ist Andreas Welser. Der ehemalige Vermögens- berater wollte der Branche schon fast den Rücken kehren, da er in der Beratung nie sei- ne Berufung gefunden hat. „Wir wollten ihn allerdings nicht verlieren, da er ein ausge- zeichneter Netzwerker ist. Mit der Einführung der Relationship Manager konnten wir ihm eine Perspektive bieten“, so Hochstrasser. Über Welser, der gut im Fußballsport vernetzt ist, möchte man nun auch verstärkt Sportler als Kunden gewinnen. Wie das in der Praxis funktionieren soll, beschreibt Welser so: „Mei- ne Aufgabe ist es, mit den richtigen Personen ins Gespräch zu kommen. Ich besuche Veran- staltungen und versuche dabei, möglichst vie- le Leute und Unternehmen kennenzulernen. Es geht dabei darum herauszufinden, in wel- chen Bereichen es mögliche Anknüpfungs- punkte gibt. Ich erkenne dann auch recht schnell, welcher Berater für den potenziellen Neukunden am besten geeignet ist.“ Vom Umsatz bekommen die Relationship Manager 25 Prozent weitergereicht, dieses Modell ist nach Ansicht von Hochstrasser daher durch- aus auch für Quereinsteiger interessant. Quereinsteiger „Es geht nicht, dass ein Quereinsteiger in- nerhalb von ein paar Monaten das Geschäft in allen seinen Facetten lernt. Als Relation- ship Manager hat er hingegen die Möglich- keit, interne Ausbildungen zu durchlaufen. Möchte er nach einem Jahr den Weg in die Beratung einschlagen, unterstützen wir ihn bei der Ausbildung zum akademischen Finanz- dienstleister.“ Hochstrasser ist der Meinung, dass man als Finanzvertrieb heute mehr denn je in Vorleistung gehen muss, um Neueinstei- ger beim Einstieg zu unterstützen. „Man wird aktuell kaum jemanden finden, der bereit ist, 3.000 bis 6.000 Euro für die Ausbildung, die Kammerumlage und die Vermögensschaden- haftpflichtversicherung zu bezahlen. Hinzu kommt, dass man sich danach zuerst einen Kundenstamm aufbauen muss. Man trägt das volle Risiko selbst und kann dann – vielleicht nach einem Jahr – davon leben. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die gesamte Bran- che ein Nachwuchsproblem hat“, meint der Vertriebsprofi. Um dieses Problem in Angriff zu nehmen, will Feel-Finance bis Mitte des Jahres ein neues Modell für Mitarbeiter aus- rollen. „Unser Plan besteht darin, künftig ein Fixum im Bereich von 750 bis 800 Euro netto anzubieten. Wir übernehmen dann auch die Ausbildungskosten zum akademischen Fi- nanzdienstleister. Das Ganze ist auf zwölf Monate befristet. ImAnschluss muss sich der Partner entscheiden: Lässt er das Ganze wei- terlaufen, wird er als Kundenberater tätig oder – und davon gehen wir eher aus –wird er selbstständiger Berater.“ Bankberater Parallel dazu hofft Hochstrasser aber auch, erfahrene Berater aus dem Bankbereich ge- winnen zu können. Dass dies nicht nur Wunschdenken ist, zeigt sich am Beispiel von Lukas Unger. Der ehemalige Bankmitarbeiter war insgesamt sechs Jahre für Raiffeisen tätig, bevor er zu Feel-Finance wechselte. Unger ist hoch qualifiziert und motiviert – 2014 startete er ein berufsbegleitendes Studium für Bank- und Versicherungswirtschaft an der FH Joan- neum, im Anschluss begann er ein Master- studium an der Karl-Franzens-Universität in Graz: „Ich wollte einfach tiefer in die Materie einsteigen. 2017 habe ich den Bachelor ge- macht und war danach in der Raiffeisen Lan- desbank in Graz tätig, wo ich mich vor allem auf das Thema Immobilienbewertung spezia- lisiert habe. Im September 2019 bekam ich das Angebot, an der Universität als For- schungsassistent tätig zu werden. Nun arbeite ich nebenbei an einem einjährigen For- schungsprojekt mit.“ Seine Mitarbeit bei der Raiffeisenbank kündigte der Akademiker schon im letzten Jahr, über einen ehemaligen Studienkollegen entstand der Kontakt zu Feel- Finance. Am Unternehmenskonzept gefiel Unger vor allem, dass es keine vorgegebenen Vertriebsziele gibt und den Kunden eine um- fangreiche Produktpalette angeboten werden kann. „Für mich war auch klar, dass der klas- sische Nine-to-five-Job für mich nichts mehr ist. Ich wollte eine flexiblere Arbeitszeitgestal- tung, bei der ich auch auf die Bedürfnisse der Kunden besser eingehen kann und wo ich mein eigener Herr sein kann.“ Existenzängste hat er keine, das Ziel ist aber auch klar: in möglichst kurzer Zeit auf Basis der Selbst- ständigkeit leben zu können. Vor allem im Kreditbereich schätzt der ehemalige Banker seine Chancen dafür gut ein. „Meine ersten Kundentermine gehen alle in Richtung Finan- zierung. Das Thema war auch in meiner Bankzeit immer schon eine meiner Stärken. Den Wertpapierbereich empfinde ich zwar interessanter, hier braucht man allerdings auch etwas mehr Zeit.“ GEORG PANKL | FP Lukas Unger, Feel-Finance: „Ich wollte einfach tiefer in die Materie einsteigen.“ » Meine Aufgabe ist es, mit den richtigen Personen ins Gespräch zu kommen. Ich besuche Veran- staltungen und versuche dabei, möglichst viele Leute und Unter- nehmen kennenzulernen. « Andreas Welser, Feel-Finance 215 www.fondsprofessionell.at | 1/2020

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