FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2019

nachhaltig ist und als solche bezeichnet wer- den darf. Im Wesentlichen kommt es darauf an, dass die Investition ein Umweltziel fördert (Klimaschutz, Schutz von Wasserressourcen etc.) und gleichzeitig keine Umweltziele gefährdet. Allerdings dauert es noch, bis die- ser Bezeichnungsschutz zu beachten ist. Die Verordnung ist nämlich erst mit Juli 2020 staffelweise anwendbar, vollständig erst mit Ende 2022. Die Taxonomie-VO bleibt aber nicht die einzige Neuerung. Im Rahmen des europäi- schen Aktionsplans zur Finanzierung nachhal- tigen Wachstums wird außerdem noch die „Offenlegungs-Verordnung“ erlassen sowie die zur Mifid II ergangene Delegierte Verord- nung (EU) 2017/565 geändert. Die Offen- legungs-VO sieht unter anderem für Wert- papierfirmen, Versicherungsvermittler und Wertpapiervermittler umfassende Offenle- gungspflichten zu Nachhaltigkeitsrisiken vor. Das soll insbesondere dazu führen, dass die Finanzmarktteilnehmer ESG-Faktoren in ihren Beratungsprozess integrieren und Anle- ger diese Faktoren sodann in ihrer Anlage- entscheidungen berücksichtigen. Mit der Änderung der DelVO wird zudem der Bera- tungsprozess insofern angepasst, als Anlage- berater künftig aktiv nachfragen müssen, ob und wie der Kunde ökologische Nachhaltig- keit und Sozialverträglichkeit bei Investments berücksichtigen möchte. Die Angaben sind sodann entsprechend bei der Produktempfeh- lung zu berücksichtigen. Der Geltungsbeginn dieser Vorschriften ist aber wie jener der Taxonomie-VO frühestens im Jahr 2021. Nachhaltige Anlageberatung Aber müssen Anlageberater bereits heute nachfragen, ob der Kunde ein nachhaltiges Finanzprodukt wünscht? Anlageberater sind verpflichtet, im Rahmen der Beratung die An- lageziele des Kunden zu ermitteln. Dies um- fasst nach § 56 Abs. 1 WAG 2018 unter ande- rem die Pflicht, Informationen zum Anlage- zweck einzuholen. Darunter sind jene Zwecke zu verstehen, die der Anleger mit dem geplan- ten Geschäft verfolgen will, etwa Vermögens- bildung oder Altersvorsorge. Der Anlage- berater soll somit das „Wozu der Geldanlage“ abklären. Das bedeutet, dass der Berater grundsätzlich nur diese Zweckvorstellung ab- zufragen hat, nicht aber auch allenfalls dahin- terstehende Motive. Ein explizites Nachfra- gen, ob das Finanzprodukt auch nachhaltig sein soll, ist daher aus rechtlicher Sicht derzeit noch nicht in jedem Fall geboten. Eine solche Nachforschungspflicht besteht nur dann, wenn der Berater weiß oder der Kunde von sich aus mitteilt, dass ihm auch beim Investieren der Umweltgedanke wichtig ist oder er nachhal- tige Produkte wünscht. In diesem Fall muss der Anlageberater bereits heute den Nach- haltigkeitsaspekt bei der Beratung beachten. Betrachtet man die Ergebnisse der erwähn- ten Bafin-Umfrage, ist es für Anlageberater aber ohnedies sinnvoll, bereits heute standard- mäßig bei den Kunden nachzufragen, ob ih- nen nachhaltige Aspekte beim Veranlagen wichtig sind. So geben zwar drei Viertel der Befragten an, dass ökonomische Überlegun- gen bei der Anlageentscheidung im Vorder- grund stehen, jedoch möchten gleichzeitig 60 Prozent mit ihrer Investition zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen. Potenzielle Haftungsrisiken Neben all dem positiven Frohsinn, der nachhaltige Finanzinstrumente begleitet, dür- fen Anlageberater aber nicht die damit ver- bundenen potenziellen Haftungsrisiken außer Acht lassen. Denn Anleger haben hinsichtlich nachhaltiger Produkte oft völlig falsche Vor- stellungen. Wie die Umfrage der Bafin zeigt, glauben viele Anleger, dass sich die ökonomi- schen und nachhaltigen Aspekte gegenseitig positiv beeinflussen – mehr Nachhaltigkeit bedeutet demnach mehr Sicherheit und mehr Rendite. Dieser Irrglaube führt aber aufs In- vestment-Glatteis, denn nachhaltige Anlage- produkte können genauso sicher oder unsicher sein wie nicht nachhaltige Produkte. Anlage- berater sollten daher davon ausgehen, dass die Anleger die Faktoren „Sicherheit“ und „Nach- haltigkeit“ nicht richtig verknüpfen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Rendite. Anlageberater sind daher gut beraten, Kun- den über den Zusammenhang der genannten Faktoren zu informieren. Hierbei sollten aber nicht nur die einzelnen Anlageziele erfragt werden, sondern auch deren Verhältnis zuein- ander. Nimmt der Anleger etwa eine niedrigere Rendite oder ein höheres Risiko in Kauf, nur um eine grüne Wertanlage zu erhalten? Oder verzichtet er lieber auf Nachhaltigkeit, um da- für mehr Rendite zu erzielen? So hat die Bafin ermittelt, dass 38 Prozent der befragten Anle- ger eine geringere Rendite für nachhaltigere Investments in Kauf nehmen würden. Knapp 16 Prozent würden dafür auch ein höheres Risiko eingehen. Sohin ist auch das Verhältnis der einzelnen Anlagefaktoren auszuloten, um am Ende dem Anleger ein für ihn geeignetes Finanzprodukt empfehlen zu können. Besondere Vorsicht Ein weiteres – altbekanntes – Gefahren- potenzial besteht darin, dass das vermeintlich nachhaltige Produkt nicht das enthält, was es verspricht – sprich: dass es nicht grün, son- dern grau ist. Hier ist besondere Vorsicht geboten, denn nach ständiger Rechtsprechung des OGH kann ein Anlageberater auch dann haften, wenn er auf Zusicherungen des Emit- tenten vertraut und keine darüber hinaus gehenden Informationen einholt beziehungs- weise insgesamt an die Richtigkeit der verfügbaren Informationen glaubt. Für Anla- geberater bedeutet das, nicht blindlings auf Werbematerialien des Emittenten und allfäl- lige Gütesiegel zu vertrauen, sondern sich von der ökologischen Nachhaltigkeit des Produkts zu überzeugen. Dazu muss der Berater aber nicht etwa nach Bangladesch fliegen und nachprüfen, ob tatsächlich ohne Einsatz von Kindern nur Biobaumwolle verarbeitet wird, oder den Emissionsausstoß einer Fabrik nachmessen. Vielmehr sollten zum Beispiel Gütesiegel auf ihre Seriosität hin geprüft wer- den und vom Emittenten umfassendes Infor- mationsmaterial eingeholt werden, aus dem hervorgeht, wie das Produkt die ESG-Krite- rien erfüllt. Überhaupt ist ganz generell darauf hinzuweisen, dass die in den letzten Jahren zur Beratungshaftung ergangene Judikatur eins zu eins auch für nachhaltige Produkte gilt. Hier besteht somit für Anlageberater kein Unterschied zu nicht nachhaltigen Finanz- produkten, ist doch auszuschließen, dass die Zivilgerichte etwa aufgrund des grünen Gedankens großzügiger bei möglichen Bera- tungsfehlern agieren. Beachtet man jedoch die aufgezeigten Risiken bei der Beratung, kön- nen Anlageberater mit gutem Gewissen nach- haltige Produkte vertreiben. Die Autoren Mag. Martin Pichler, Rechtsan- waltsanwärter, und Florian Braunauer, LL.B., juristischer Mitarbeiter, sind Mitarbeiter der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH. FP Foto: © B&T 254 www.fondsprofessionell.at | 4/2019 steuer & recht I nachhaltige anlageberatung

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