FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2019
Foto: © PANORAMO | stock.adobe.com, Günter Menzl D ie österreichische Hauptstadt ist ein Eldorado für Sozialromantiker – sie wird regelmäßig zur lebenswertesten Metropole der Welt auserkoren und woh- nungswirtschaftlich oft als gelobtes Land beschrieben. Denn in kaum einer anderen Großstadt von diesem Rang und Namen ist das Dach über dem Kopf – im internationalen Vergleich – so günstig wie in Wien. Der stark ausgeprägte soziale und ge- förderte Wohnungsmarkt macht die Stadt für viele Metropolen, in denen die Mieten teilweise unerschwinglich sind, zum Vorbild. Wie groß die Pro- bleme andernorts zum Teil sind, zeigt Berlin, wo man sich vor gut zwanzig Jahren aus dem Sozialbau verabschie- det hat, um nun vor Kurzem einen „Mietendeckel“ einzuführen. Trotz der vergleichsweise günstigen Situation in Wien lässt die Arbeiter- kammer kein gutes Haar an der heimi- schen Wohnungswirtschaft. Ein beson- derer Dorn im Auge sind ihr die pri- vaten Mietwohnungen, die angeblich „immer mehr zum Luxus“ und insbe- sondere für die junge Bevölkerung unleistbar werden. Die massive Veranlagung von Invest- mentgesellschaften in Immobilien habe in ganz Europa in den vergangenen zehn Jahren in den Großstädten zu rasanten Steigerungen der Wohnungspreise und Mieten geführt. In Wien seien die Preise für neue Eigentums- wohnungen um 60 Prozent und die Nettomie- te im freien Wohnungsmarkt bei neuen Miet- verträgen um die Hälfte gestiegen. Rege Bautätigkeit Daran sieht man, wie brisant das Thema Wohnen zur Miete auch im beschaulichen Wien ist. Nach Angaben des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer bewohnen in Wien nur 20 Prozent der Bevölkerung eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus. Von den rund 708.000 Mietwohnungen stehen laut Buwog/EHL zirka 405.000 im Eigentum der Gemeinde Wien oder von gemeinnützigen Bauvereinigungen. Durch den enormen Einwohnerzuwachs benötigt die Stadt Tausende neue Wohnungen. Aktuell wird laut Wirtschaftskammer am meisten in den Bezirken Donaustadt, Leo- poldstadt, Landstraße, Floridsdorf, Liesing und Favoriten gebaut. Das sind die Stadtge- biete mit den größten Flächenreserven. Nach- dem in den vergangenen Jahren zum überwie- genden Teil Eigentumswohnungen errichtet wurden, kommen heuer und in den nächsten beiden Jahren in der Überzahl Mietwohnun- gen auf den Markt, so die Statistik der Wiener Immobilienresearcher von Exploreal. Die rege Bautätigkeit führt mittlerweile auch zu einer gewissen Entspannung. Seit 2018 werden mehr Wohnungen fertiggestellt, als neue Haushalte gegründet werden. Des- halb sprechen manche Experten da- von, dass der Nachholbedarf gedeckt ist und Angebot und Nachfrage wieder ins Lot geraten. Michael Pisecky, Obmann der Wiener Immobilientreu- händer, sieht das jedoch nicht so: „Offiziell ist der Nachholbedarf ge- deckt, aber es gibt immer noch zu we- nige Wohnungen – vor allem in den Bereichen, wo die Nachfrage in Wien am größten ist. Denn während im hö- her- und hochpreisigen Segment genü- gend Wohnraum vorhanden ist, fehlen Wohnungen im günstigeren Bereich bis zirka 700 Euro Monatsmiete.“ Im frei finanzierten Markt wird die- se Grenze bei einer durchschnittlichen Wohnung mit 65,6 Wohnnutzfläche Die Kaufpreise auf dem Wiener Wohnungsmarkt steigen weiter moderat an. Trotzdem bleibt die Investorennachfrage hoch. Steuervorteile spielen keine Rolle mehr. Nachschub stabilisiert Preise Seit 2018 werden in Wien mehr neue Wohnungen fertiggestellt, als neue Haushalte gegründet werden. Die Kapazitäten werden vom Markt laut Experten problemlos aufgenommen. Es verringert sich lediglich der Nachfrageüberhang. Hohe Investorennachfrage Das Gesamtvolumen an verkauften Vorsorgewohnungen 2018 wurden „nur“ 677 Vorsorgewohnungen und damit um fast 30 Prozent weniger als im Jahr davor verkauft. Der Durchschnittspreis stieg jedoch um 6,4 Prozent auf rund 221.800 Euro. *Prognose | Quelle: EHL 0 50 100 150 200 2019* 2018 2017 2016 2015 Gesamtvolumen verkaufter Vorsorge- wohnungen Mio. Euro 106,5 Mio. Euro 127,2 Mio. Euro +19,3 % 198,1 Mio. Euro +55,8 % 150,2 Mio. Euro –24,2 % 174,2 Mio. Euro +16 % 160 www.fondsprofessionell.at | 4/2019 sachwerte I vorsorgewohnungen
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