FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2019

größten Themen. Was, wenn sich ein Kunde mit demArgument der unzureichenden ESG- Aufklärung schadlos halten will? Wertpapier- oder Versicherungsvermittler und -berater müssen nämlich künftig verpflichtend die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden ab- fragen. Das sehen die Abänderungen von Mi- fid II und IDD vor, die bereits als finale Vor- schläge formuliert sind. Moth pocht unter an- derem darauf, dass diverse Umweltgütesiegel genauso wie die Dokumente der Produkter- steller für den Vertrieb eine geeignete Refe- renz sein müssen. „Es kann nicht vom Berater verlangt werden, dass er täglich schaut, ob ein Unternehmen gegen die Umweltauflagen ver- stoßen hat“, so Moth. „Pferd von hinten aufgezäumt“ Genauso bereitet dem studierten Juristen die oben erwähnte Taxonomieverordnung Kopfzerbrechen: Sie liegt, weil sich die Staa- ten darüber streiten, was überhaupt nachhaltig ist, bisher nur als Kommissionvorschlag vor. Indes könnten die ersten Pflichten aber schon kommendes Jahr gelten: Denn die Offenle- gungs- und die Referenzwerteverordnung (sie- he Kasten vorhergehende Seite), die zum Bei- spiel neue Bewertungsstandards setzen oder Nachhaltigkeitsinfos auf Websites oder Produktblättern fordern, sind bereits im EU- Trilog aus Kommission, Rat und Parlament fertig abgestimmt. Beide Verordnungen sollen bald vom EU-Parlament formal angenommen werden, was gemäß den darin festgehaltenen Fristen bedeuten würde, dass sie Ende 2020 / Anfang 2021 verpflichtend gelten. „Da wird das Pferd von hinten aufgezäumt“, so Moth, der fordert, dass zuerst die Definitionen stehen müssen. Einseitige Auswahl Abseits davon spricht Moth einen Punkt an, der viele Beobachter am Aktionsplan stört: Die EU fokussiert in ihren Zielen vorerst nur auf die Umwelt. Für Soziales oder Unterneh- mensführung gibt es noch keinen Rahmen. Auch diese Faktoren „gehören klar definiert, bevor man Pflichten aufstellt“, so Moth. Manch ein Problem, das von Beobachtern geortet wird, hält er hingegen für bewältigbar. Häufig genannt werden etwa ein erneuter Ver- waltungsaufwand, mehr Papier oder auch, dass sich Kunden moralisch unter Druck ge- setzt fühlen könnten, wenn der Berater sich ständig vergewissert, ob ein Produkt wirklich den ESG-Vorstellungen entspricht. Natürlich gebe es Mehrbelastungen, diese blieben aber im Rahmen. „Wenn ein Berater erkannt hat, dass die Umwelt seinem Kunden sehr wichtig ist, dann musste er das ja auch jetzt schon als Anlageziel berücksichtigen“, gibt Moth zu be- denken. Er zeigt sich dennoch durchaus kri- tisch in der Gesamtschau. „Es ist okay, dass wir als Finanzindustrie Teil der Lösung sind. Aber allein werden wir den Planeten nicht ret- ten. Da könnte man fragen: Warum gibt es kein größeres Maßnahmenpaket?“ Ein berechtigter Einwand. Die Staaten selbst gehen nämlich nicht gerade vorbildhaft voran: Man denke nur an den UN Green Climate Fund, in den jährlich 100 Milliarden US-Dollar fließen sollten, der aber bisher nur fünf Milliarden US-Dollar schwer ist. Chance für neue Anlegergruppen Ungeachtet der offenen Fragen könnte der Nachhaltigkeitstrend für die Finanzvermittler jedoch eine Chance sein, sagt Moth: „Mag sein, dass sich Kunden, die das nicht wollen, vor den Kopf gestoßen fühlen. Andererseits sind nachhaltige Strategien vielleicht für Leute interessant, die bis jetzt mit ,Investieren‘ nichts zu tun haben wollten.“ Das im interna- tionalen Vergleich hohen Spendenaufkommen zeige ja, dass die Österreicher bewusst und aktiv ihr Geld einsetzen, wenn es einem greif- baren Zweck dient. „Es kommt darauf an, die- se Dinge professionell zu vermitteln, sie glaubwürdig und transparent zu gestalten“, so Moth. EDITH HUMENBERGER-LACKNER | FP Foto: © Anna Rauchenberger; VÖIG Armin Kammel, VÖIG, hat Bedenken, dass die hohen österreichischen Standards aufgeweicht werden. Thomas Moth, WKO, sieht viele ungeklärte Punkte, stellt aber auch die Chancen für Berater heraus. » Es kann nicht vom Berater verlangt werden, dass er täglich schaut, ob ein Unternehmen gegen die Umweltauflagen verstoßen hat. « Thomas Moth, WKO Vom Risikokapitalfonds bis zum Berater – alle müssen mitmachen • In der vorgeschlagenen Taxono- mieverordnung lässt die EU keine Zweifel offen, dass sie jeden Fi- nanzmarktteilnehmer verpflichten will, einen Beitrag zu einer nach- haltigeren Wirtschaft zu leisten. Ausdrücklich genannt werden: OGAW-Verwaltungsgesellschaften, Verwalter alternativer Investment- fonds, Versicherungsunternehmen, Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge, Verwalter europäi- scher Risikokapitalfonds und Fonds für soziales Unternehmertum, Ver- sicherungsvertreiber und Anlage- berater. • Als Begründung für die Einbezie- hung aller Finanzmarktteilnehmer heißt es: „So wird geschätzt, dass allein im Bereich Klima und Ener- gie zusätzliche Investitionen in Höhe von 180 Mrd. Euro pro Jahr notwendig sind, um die Klima- und Energieziele bis 2030 zu erreichen. Ein wesentlicher Teil dieser Finanz- ströme wird vom privaten Sektor kommen müssen. Um diese Inves- titionslücke zu schließen, müssen private Kapitalflüsse in beträcht- lichem Umfang in nachhaltigere Investitionen gelenkt und der euro- päische Finanzrahmen völlig neu durchdacht werden.“ 254 www.fondsprofessionell.at | 3/2019 steuer & recht I eu-aktionsplan

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=