FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2019

Werner Kogler | Die Grünen Werner Kogler, Bun- dessprecher, Sprecher für Budget und Finan- zen, Die Grünen Sepp Schellhorn | Neos Sepp Schellhorn, Ab- geordneter zum Natio- nalrat, Stellvertretender Vorsitzender, Neos Dr. Bernd Nussbaumer | Jetzt Dr. Bernd Nussbaumer, Abgeordneter zum Nationalrat, Budget- und Steuerexperte Jetzt / Liste Pilz 4: Wie stehen Sie zu einer möglichen Senkung der Kapitalertragsteuer? 8: Sollen Finanz- und Wirtschaftsbildung verpflichtend in die Lehrpläne der Schulen gehören? Sepp Schellhorn, Neos: Finanzbildung ist der beste Anlegerschutz. Daher muss Wirtschafts- und Finanz- bildung zum verpflichtenden Bestandteil der Lehrpläne gemacht werden. Dr. Bernd Nussbaumer, Jetzt: Ja, wirtschaftliche Zusammenhänge, Wirtschaftspolitik, Preis-, Geld- und Fiskalpolitik sind komplex und sollten als eigenständi- ges Fach unterrichtet werden. Werner Kogler, Die Grünen: Wir halten es für eine gute Idee, Informationen über die Probleme, die Gesellschaften von unkontrolliert und grenzüberschreitend agierenden Finanzmärkten drohen, in die Lehrpläne aufzunehmen. 1: Viele Experten sorgen sich bezüglich einer drohenden Altersarmut in den kommenden Jahrzehnten. Wie stehen Sie grundsätzlich zur privaten Altersvorsorge? Sepp Schellhorn, Neos: Das ist eine berechtigte Sorge, denn die gesetzlichen Pensionen werden längerfristig um 20 % fallen. Kompensierbar ist das durch längeres Arbei- ten. Daneben bietet die 2. und 3. Säule sichere Anspar- möglichkeiten, um die gesetzliche Pension zu ergänzen. Diese Säulen werden aber derzeit zu wenig unterstützt. Dr. Bernd Nussbaumer, Jetzt: Unabhängig vom Veranla- gungserfolg ist die kapitalgedeckte private Altersvorsorge nicht geeignet, das Vermögen der künftigen und derzeiti- gen Pensionisten zu verwalten. Durch eine Mindester- tragsgarantie und Zuschusspflicht der Eigentümer über das Grundkapital könnte dieser Mangel behoben werden. Werner Kogler, Die Grünen: Private Pensionsvorsorge ist willkürlichen Gefahren ausgesetzt und schafft nicht jene Sicherheit, die für eine Planung des Lebens im Alter unab- dingbar ist. Sie mag ein attraktives Angebot für Menschen mit höherem Einkommen sein, ist aber mit Sicherheit kein geeignetes Mittel, um Altersarmut zu verhindern. 2: Sollen staatliche Anreize in den Bereichen der privaten und betrieblichen Altersvorsorge in Österreich ausgeweitet werden? Sepp Schellhorn, Neos: Ja, definitiv. Hier ist vor allem die Prämienförderung zu forcieren, die leider 2012 stark reduziert wurde – 4,25 Prozent der Anspar-Zahlungen. Diese Prämie war aber die Garantie, dass auch Klein- sparer, die kaum Steuern zahlen und daher kaum von einer Steuerbegünstigung profitieren, ebenfalls einen Anreiz zur zusätzlichen Pensionsvorsorge haben. Dr. Bernd Nussbaumer, Jetzt: Solange das Risiko, so wie dies derzeit beim überwiegenden Teil der Fall ist, bei den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten liegt, soll- te in erster Linie der Mangel behoben werden, dass sich der Veranlagungserfolg nicht auf den Betriebserfolg der überbetrieblichen Pensionskassen niederschlägt. Solange dieser Mangel besteht, ist sicherlich der Staat besser dazu geeignet, das Pensionssystem zu verwalten. Werner Kogler, Die Grünen: Nein. Es ist nicht erkenn- bar, warum Steuermittel zur Förderung privater Ver- sicherungskonzerne aufgewandt werden sollen, wenn sie für die öffentliche Altersvorsorge wesentlich effek- tiver und wirkungsvoller eingesetzt werden können. Sepp Schellhorn, Neos: Ja, wir haben sogar einige Gesetzesinitiativen im Nationalrat gestartet, sind aber an sämtlichen anderen Parteien gescheitert. Neben einer deutlichen Erhöhung der Prämien und Steuervergünsti- gungen ist eine Verbreiterung der Anlagevielfalt zu prüfen. Bei der Anlagevielfalt sind weltweite Anlagemöglichkeiten in breit gestreute und damit außergewöhnlich sichere Produkte sinnvoll. Gerade in einer Niedrigzinsphase, in der Anleihen kaum Renditen abwerfen. Dr. Bernd Nussbaumer, Jetzt: Eine Mindestertragsgaran- tie in Höhe der Inflationsrate und eine Zuschusspflicht für die Eigentümer über das Grundkapital der Pensionskas- sen AGs sollten gesetzlich verankert werden. Ersteres war bis 2003 bereits der Fall. Damit würde eine Marktsituation entstehen, in der die Unternehmen, also die überbetriebli- chen Pensionskassen, insofern am Erfolg des eigenen Produkts beteiligt sind, dass – ganz im Sinne Schumpe- ters – persönliche Verantwortung für den Erfolg besteht. Werner Kogler, Die Grünen: Die Zukunftsvorsorge ist kein Erfolgsmodell. Die dafür eingesetzten Mittel können volkswirtschaftlich wesentlich besser eingesetzt wer- den. Klar ist aber, dass derzeit bestehende staatliche Förderzusagen jedenfalls erfüllt werden müssen. 3: Sind Sie für eine Reform der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge? Wenn ja, wie sollte diese Ihrer Meinung nach aussehen? Sepp Schellhorn, Neos: Die Kapitalertragsteuer auf Di- videnden soll wieder von 27,5 Prozent auf mindestens 25 Prozent gesenkt werden. Eine für Privatanleger enorm wichtige Maßnahme, die von Experten mit 100 Millionen Euro jährlich bepreist wird. Dr. Bernd Nussbaumer, Jetzt: Arbeit unterliegt einer Besteuerung, und nachdem es hier darum geht, dass das „Geld arbeitet“, soll auch dieses versteuert werden. Es gibt keinen Grund, warum Erträge aus Veranlagungen keiner oder einer geringeren Versteuerung unterliegen sollen als Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Werner Kogler, Die Grünen: Es gibt keinen Grund, die Kapitalertragsteuer zu senken. Eine KESt-Senkung für nachhaltige Geldanlagen, die nachweislich eine Sen- kung des Treibhausausstoßes zur Folge haben und somit zur Erreichung der Klimaziele beitragen, halten wir jedoch für denkbar. Sepp Schellhorn, Neos: Die Wiedereinführung der Behal- tefrist. Hier gilt es die vorsorgefeindliche Regelungen der Regierung Faymann wieder zu entschärfen. Eine Wieder- einführung der Behaltefrist von 1 Jahr wäre wesentlich. Dr. Bernd Nussbaumer, Jetzt: Sieht man sich die Geschäftsberichte für 2018 an, dann wurden Gewinne von mehreren Milliarden Euro erzielt. Um den Finanz- und Kapitalmarkt machen wir uns also keine Sorgen. Werner Kogler, Die Grünen: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch Sicherstellung einer funktionierenden Gesell- schaft gestärkt. Wenn Finanz- und Kapitalmärkte sich die- sem Ziel verschreiben, werden sie wettbewerbsfähig sein. 5: Wie wollen Sie die Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Finanz- und Kapitalmarktes im internationalen Vergleich in Zukunft gewährleisten? Sepp Schellhorn, Neos: Die Forderungen sind eine sehr gute Grundlage für die Weiterentwicklung der privaten Altersvorsorge. Dass die Pensions- und Pflegevorsorge in einem Produkt integriert sein sollen, fordern wir auch. Dr. Bernd Nussbaumer, Jetzt: Wenn jemand privat ansparen will, kann er dies jederzeit machen. Dies unter dem Titel einer „3. Säule“ zu verkaufen, ist lediglich eine Marketingmaßnahme. Werner Kogler, Die Grünen: Wenig. Wesentlich für die Grünen ist ein deutlicher Ausbau der Informations- und Transparenzpflichten gegenüber den Versicherten und der Haftung der Versicherungen für gemachte Zusagen. 6: Die Fondsverbände VÖIG und VAIÖ fordern ein gesperrtes Vorsorgedepot für die Pensions- und Pflegevorsorge. Was halten Sie von dieser Idee? Sepp Schellhorn, Neos: Bei Pepp handelt es sich um kein Rentenprodukt, sondern um ein Ansparprodukt. Sinnvoller wäre es, bestehende Vorsorgeprodukte in den EU-Ländern gegenseitig anzuerkennen, sodass ein EU- Bürger, der nach Österreich übersiedelt, für ein Pensions- vorsorgeprodukt prämienbegünstigt ansparen kann. Dr. Bernd Nussbaumer, Jetzt: Für den österreichischen Markt ist dies aller Voraussicht nach nicht geeignet. Es gibt andere EU-Länder, in denen das staatliche Pensions- system so schwach ist, dass eine Form der „3. Säule“ einen Sinn machen kann. In Österreich mit einem tradi- tionell starken Sozialstaat ist Pepp nicht notwendig. Werner Kogler, Die Grünen: Pepp ist der Versuch, unsichere Bedingungen für VersicherungsnehmerInnen ein wenig erträglicher zu machen, verbessert aber nicht die Situation älterer Menschen in Österreich. 7: Sollte die Ausgestaltung der europäischen Einheitsrente (Pepp) nochmals nachgebessert werden, um sie auch für den Vertrieb interessanter zu gestalten? 249 www.fondsprofessionell.at | 3/2019

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