FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2019

der anderen Seite ist ein zu breiter Vertrieb nicht in ihrem Interesse: Bei Turbulenzen stünde die Politik erst wieder unter Druck, eine Bank zu retten, wenn zu viele (Klein-) Anleger von der Abwicklung betroffen sind. Darüber hinaus hat die Behörde den Anleger- schutz im Auge. Banken müssen Interessen- konflikte offenlegen, und es muss „unmiss- verständlich“ klargemacht werden, dass keine Einlagensicherung besteht, so die FMA. Ins- besondere sind nicht nur Neueinsteiger, son- dern auch bestehende Anleger darüber zu benachrichtigen, dass ihre Anleihen nun „voll verlusttragfähig“ sind. Nach einem Prüf- schwerpunkt 2017 und 2018 mussten einige Institute bereits bei Kundeninformationen, Mitarbeiterschulungen oder beim Umgang mit Interessenkonflikten nachbessern. Banken betonen Awareness Dass das Thema heikel ist, zeigt eine Rundfrage unter Banken, auf die viele nicht antworten wollten. Etliche Institute betonten aber eine rigide Handhabung. Die Unicredit Gruppe gibt etwa an, dass zwischen 2017 und 2019 die an Privatanleger ausgegebenen MREL-Verbindlichkeiten reduziert wurden. „Bei neuen Emissionen sind kapitalgeschützte Zertifikate für ausgewählte und qualifizierte Privatanleger vorgesehen“, so ein Sprecher. Die Bawag PSK wiederum hat den aktiven Vertrieb eigener Anleihen an Privatanleger 2013 überhaupt eingestellt. Aus der RLB-NÖ heißt es, dass die zusätzlichen MREL-Erfor- dernisse nicht über klassische Bankanleihen aufgestockt werden. In der RLB OÖ wieder- um sagte ein Sprecher, dass sich die Vertriebs- strategie seit dem BaSAG nicht geändert hat und es auch 2019 keine Änderungen durch die MREL-Quoten gebe. Man setze in der Kundenberatung auf Streuung: Im Retail seien bei der RLB OÖ 100 Prozent der Bail- in-fähigen Wertpapiere klassische Bankan- leihen – „unbesichert beziehungsweise zu einem kleinen Teil auch nachrangig“. Zertifikate im Blick Ein Blick fällt aber nicht nur auf diese klas- sischen Bankanleihen. So haben sich etwa die Zertifikateschienen der Banken zuletzt sehr kräftig entwickelt. Der österreichische Markt mit Produkten wie strukturierten Anleihen, Express-, Index- und Outperformancezerti- fikaten, Aktienanleihen und Hebelprodukten hat im Jahr 2018 um 5,6 Prozent auf 13,5 Milliarden Euro zugelegt. Die Anbieter dürf- ten im Vorjahr 1,5 bis zwei Milliarden Euro neu emittiert haben. Und diese Zertifikate sind weitgehend Bail-in-fähig – wenngleich „in unterschiedlichem Rang“, wie Frank Wein- garts, Vorstandsvorsitzender des Zertifikate ForumAustria (ZFA), betont. Laut Weingarts spielt auch bei diesen Produkten das Retail-Beratungsgeschäft am Bankschalter die größte Rolle. Im Abwick- lungsfall stünde also erneut der private Anle- ger mit hohen Volumina im Fokus. Weingarts verweist indes auf strenge regulatorische Vor- gaben und betont Mehrwerte, die Zertifikate in zinsschwachen Zeiten bieten können. Bei Retailkunden kommen demnach Kapital- schutzzertifikate als Sparbuchalternative gut an. Die im Ernstfall deutlich verlusttragfähi- geren Private-Banking-Kunden sind bei Zerti- fikaten hingegen unterrepräsentiert. Allerdings holen die Privatbank-Kunden auf: Sie würden insbesondere auf Produkte setzen, die bei Seit- wärtsmärkten bedingten Kapitalschutz bieten. „Im Vergleich mit der Schweiz könnte aber der Anteil von Zertifikaten in der professio- nellen Vermögensverwaltung deutlich höher sein“, sagt Weingarts. In dem Land sei die Vermögensverwaltung ein wichtiger Abneh- mer von strukturierten Produkten und zwar dort, wo österreichische Vermögensverwalter vornehmlich Fonds einsetzen. Allerdings wür- den Investmentfonds selbst zusehends Zerti- fikate einsetzen, wenn auch von niedrigem Niveau aus, wie Weingarts ohne Zahlenanga- be meint. EDITH HUMENBERGER-LACKNER | FP Foto: © Unicredit Bank Austria Laut Frank Weingarts steigt das Zertifikate-Volumen in Investmentfonds. Aber von geringem Niveau aus. Was sind Bail-in-fähige Wertpapiere? Wer immer einen Rettungsring bei sich hat, lernt nicht selbst schwimmen. So war es auch nach der Finanzkrise. Viele Bankverantwortliche sind weiter hohe Risiken ein- gegangen, weil klar war, dass der Staat als Retter ein- springen würde (Bail-out). Die 2014 verabschiedete EU- Abwicklungsrichtlinie ( BRRD ) korrigiert diesen Fehlanreiz: Banken müssen nun unabhängig von ihrer Größe oder Komplexität abgewickelt werden können, ohne dass ein Finanzmarkt oder eine Volkswirtschaft ins Wanken gerät. Kommt eine Bank in Schwierigkeiten, soll nicht der Staat einspringen, sondern es sollen vorrangig Eigentümer und Gläubiger für die Verluste aufkommen. Zentrale Instru- mente dabei sind die Herabschreibung von Verbindlich- keiten (Schuldenschnitt) sowie eine Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital, der sogenannte Bail-in . Dabei werden Finanzinstrumente und Forderungen von Gläubigern in Klassen eingeteilt und in einer vorgegebenen Haftungskaskade herangezogen. Reicht eine Verbindlich- keitenklasse nicht aus, um Verluste zu kompensieren, wird die folgende abgeschrieben oder umgewandelt. Als Erstes wird das harte Kernkapital herangezogen (also Anteilsinhaber der Bank). Danach folgen Ergänzungs- kapital , dann Gläubiger nachrangiger Verbindlichkeiten (z. B. Nachrangdarlehen), später unbesicherte nach- rangige Finanzinstrumente/Forderungen, die nicht die Anforderungen an das zusätzliche Kernkapital oder das Ergänzungskapital (Tier 2) erfüllen, gefolgt von unbesi- cherten nicht nachrangigen Finanzinstrumenten und For- derungen (etwa Senior-Anleihen). Zuletzt werden Bank- einlagen herangezogen, die über die 100.000-Euro- Schwelle der garantierten Einlagensicherung hinausgehen. Wertpapiere, die in dieser Haftungskaskade erfasst sind, werden als „Bail-in“-fähige Wertpapiere qualifiziert. Jede Bank muss für den Ernstfall einen Mindestbetrag an Bail- in-fähigen Positionen vorhalten, die sogenannte MREL (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Lia- bilities). Wie viel MREL eine Bank über das Eigenkapital hinaus halten muss, legt in Österreich die FMA nach Ana- lyse der Bank und ihres Geschäftsmodells fest. Die FMA ist die nationale Abwicklungsbehörde. Der neue rechtliche Rahmen, der auf die EU-Abwicklungsrichtlinie BRRD zu- rückgeht, ist in Österreich im Bundesgesetz zur Sanierung und Abwicklung von Banken ( BaSAG ) umgesetzt. Quelle: Vorwiegend FMA: Fakten, Trends & Strategien 2019 » Im Vergleich mit der Schweiz könnte der Anteil von Zertifikaten in der professionellen Vermögens- verwaltung deutlich höher sein. « Frank Weingarts, Vorstandsvorsitzender des Zertifikate Forum Austria 238 www.fondsprofessionell.at | 3/2019 bank & fonds I bail-in-fähige wer tpapiere

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