FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2019
Mifid II und Solvency II will die EU dafür sorgen, dass ESG-Aspekte durchgängig und sektorübergreifend Eingang in den Anlage- und Risikomanagementprozess finden. Mithilfe der sogenannten Offenlegungsverordnung soll au- ßerdem sichergestellt werden, dass Finanzmarkt- teilnehmer – sowohl Fondsgesellschaften, aber auch Kreditinstitute, Versicherer sowie Einrich- tungen der betrieblichen Altersvorsorge – über die Berücksichtigung der ESG-Aspekte gegen- über ihren Kunden berichten. Für die Fonds- branche bedeutet das unter anderem, dass even- tuelle Nachhaltigkeitsrisiken in allen Fonds zu identifizieren und angemessen zu managen sind. Das betrifft sowohl die Auswahl von Assets für einen Fonds als auch das Risikomanagement im Lauf der Anlage. Heuser: Nicht zu vergessen die für nächstes Jahr anstehenden Änderungen mit Blick auf die Anlageberatung. Richter: Das ist richtig, Finanzberater müssen ab Ende des kommenden Jahres gemäß den dann geänderten Verhaltens- und Organisations- pflichten unter Mifid II auch ESG-Kriterien in die Zielmarktbestimmung und die Geeignetheits- prüfung integrieren. Axel Hesse (SD-M): Wobei vor allem die Inte- gration in die Geeignetheitsprüfung nach Mifid II unter Umständen einen weiteren deutlichen Schub auf der Privatkundenseite bringen könnte, je nachdem, wie die Frage zur Nachhaltigkeitspräferenz gestellt wird. Wenn man bisherigen empirischen Untersu- chungen glauben darf, dann würde ein ein- faches Ja oder Nein wahrscheinlich dazu führen, dass nahezu 80 Prozent der Privat- anleger sich für eine Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei ihrer Geldanlage ent- scheiden, was dazu führen würde, dass die Fondsanbieter im Grunde all ihre Produkte mit einem mehr oder weniger starken Schuss Nachhaltigkeit versehen müssten. Richter: Zum Glück soll genau das nach den Plänen der EU-Kommission und der ESMA verhindert werden. Die Frage nach der Nachhaltigkeitspräferenz soll nach heu- tigem Stand nachgelagert sein, Anlageziele und Risikopräferenzen der Anleger haben Vorrang. Die Aufseher möchten wohl keine Übergewichtung der ESG-Präferenzen im Beratungsprozess haben, vielmehr sollen zunächst die Kernpunkte in der Vermögens- anlage abgefragt werden. Hesse: Das wollte ich auch so gar nicht ver- standen wissen, ich wollte nur darauf hinwei- sen, dass allein der Art der Fragestellung eine wesentliche Bedeutung zukommt in Bezug auf die Aufmerksamkeit, die dem Thema entge- gengebracht wird. Aber noch zu dem zweiten Aspekt, der ESG-Integration in den Investment- prozess, dem meiner Ansicht nach eine noch viel größere Hebelwirkung zukommt. ESG-In- tegration bedeutet nämlich, dass materiell bedeutsame Nachhaltigkeitskriterien innerhalb des Investmentprozesses implementiert werden müssen mit dem Ziel – und das ist wichtig –, durch diese Integration eine höhere Performance zu generieren. Das ist dann ESG-Integration im eigentlichen Sinne und eben nicht mehr die klassische Separierung, wie wir sie bisher hatten, in der dann vielleicht 97 Prozent der Fonds konventionell und nur drei Prozent nach- haltig gemanagt werden. Das ist keine triviale Aufgabe. Richter: Damit wir uns nicht missverstehen: ESG-Integration ist im Markt inzwischen gut etabliert. Aber die neuen Vorstellungen des EU- Gesetzgebers sind mit Sicherheit nicht trivial. Dafür braucht es vor allem verlässliche und ver- gleichbare Informationen. Bisher stellen die meisten Unternehmen aber nicht genügend Daten zur Verfügung. Wenn der EU-Gesetzge- ber also fordert, dass Asset Manager in Zukunft nicht nur Nachhaltigkeitsrisiken, sondern auch die Auswirkungen auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange und auf die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung in ihre Anlage- entscheidungen einbeziehen, so ist dies aus heutiger Sicht nicht möglich. Solange diese gro- ße Datenlücke nicht geschlossen wird, bleiben die Vorstellungen des EU-Gesetzgebers ledig- lich ein hehres Ziel. Heuser: Frau Kienel, wie gehen Sie bei Ökoworld mit dem Thema um? Sie haben immerhin eine eigene ganze Gruppe von Wissenschaftlern, die bei einem Fonds da- rüber entscheiden, was investierbar ist und was nicht. Kienel: Wobei auch wir uns schwertun, be- stimmte Risiken anhand von harten Kennzahlen zu quantifizieren. Wir arbeiten eher mit einem Impact-Ansatz und schauen uns anhand einer aufwendigen Reihe von sehr strengen Kriterien nicht nur die Produkte an, die ein Unternehmen herstellt, sondern auch den Produktionsprozess, die Lieferkette und den Energieverbrauch. Außerdem prüfen wir die Einhaltung von Men- schenrechten und die Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen. Sauren: Im Grunde ist die bisher fehlende Trans- parenz das große Manko innerhalb der gesamten Diskussion darüber, was eigentlich nachhaltig ist und was nicht. Wie komplex das ist, zeigen nicht nur die ersten Ergebnisse des bisher vorgelegten Taxonomiereports, der auf mehr als 400 Seiten bisher lediglich zwei von insgesamt sechs Zielen adressiert, und das nur bezogen auf Umwelt- aspekte, während soziale und Governance- themen ja noch gar nicht berücksichtigt sind. Auch der Weg, über die bisher am Markt ver- Eckhard Sauren (Sauren Fonds-Service): „Wir haben mit unserem ESG-Scoring einen eigenen Ansatz zur Einbezie- hung und Bewertung von ESG-Aspekten entwickelt.“ 196 www.fondsprofessionell.at | 3/2019 roundtable I nachhaltiges investieren I esg Fotos: © Jose Poblete » Der Sustainable Finance Action Plan der Europäischen Kommission war wirklich ein extrem starker Auslöser für eine Entwicklung, wie wir sie derzeit beobachten, und den damit entstandenen enorm starken Anstieg der Nachfrage nach ESG-Investments. « Dan Sauer, Nordea Investment Management
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