FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2019

Patientenverfügung zu erstellen. Allerdings warnt Margula: „Wie BGH-Urteile zeigen, wird der Patientenwille nicht zwingend um- gesetzt, nur weil jemand einmal eine verbind- liche Patientenverfügung erstellt hat.“ Eine Patientenverfügung sollte daher nicht als star- res Dokument, sondern als ein dynamischer Entwicklungsprozess gesehen werden. Dabei verweist der Experte auf folgendes BGH-Ur- teil: „Betrachtet man den Fall BGH XII ZB 107/18, in dem eine Patientin mehr als zehn Jahre lang, trotz eines bindenden Dokuments, gegen ihren Willen künstlich ernährt wurde, versteht man, warum es bei einer Patienten- verfügung meines Erachtens weniger darum geht, ob sie rechtlich korrekt ist, sondern viel- mehr darum, ob sie zum gegebenen Zeitpunkt befolgt werden wird.“ Das österreichische Gesetz sieht nämlich keine Sanktion vor, wenn jemand sogar den in einer verbindlichen Patientenverfügung verbrieften Willen miss- achtet. Daran ändert auch der Einwand nichts, dass sich ein Arzt nach § 110 StGB strafbar macht, wenn er ohne die Zustimmung des Patienten behandelt. Denn sobald es um eine Patientenverfügung geht, schützen ihn schon Abs. 2 und Abs. 3 desselben § 110 StGB vor Bestrafung. Margula rät daher zu einer regel- mäßigen Erneuerung der Patientenverfügung, bis der Entwicklungsprozess beendet ist und das Dokument in seiner Letztfassung als Pa- tientenverfügung zum Einsatz kommt, weil der Verfügende – jetzt als Patient – seinen Willen nicht mehr äußern kann. „Pflegefalltool“ Beim Thema Patientenverfügung können Berater für den Kunden daher mehr tun, als nur zu raten, einen Arzt oder einen Juristen zu konsultieren. Besonders Berater, die sehr wohlhabende Klienten haben, sollten sich laut Margula mit dem Thema auseinander- setzen. „Es gibt viele Gründe, weshalb Menschen künstlich am Leben erhal- ten werden. Fast immer sind es aber monetäre Gründe, wenn Personen heute nicht mehr einfach in Ruhe sterben dürfen. Deshalb sind Vermö- gende und Zusatzversicherte beson- ders gefährdet, gegen ihren Willen monate- und jahrelang ertragen zu müssen, wozu Medizintechnik imstan- de ist.“ Das Erinnern an die jährliche Erneuerung der Patientenverfügung kann somit für regelmäßigen Kontakt zum Kunden und zur Nachfolgegene- ration genutzt werden. Interessant ist in diesem Zusammengang das von Margula selbst entwickelte „Pflegefalltool“. Diese On- line-Lösung wurde entwickelt, um die Patien- tenverfügungstexte alljährlich zu erneuern und sich zugleich mit dem Thema Selbstbestim- mungsrecht bei jeder medizinischen Behand- lung auseinanderzusetzen. Die Anwendung besteht aus einem Katalog von Fragen und Antworten sowie aus einem speziellen Algo- rithmus, der für jede Maßnahme einen ein- deutigen persönlichen Ergebnisvorschlag be- rechnen kann: „zulassen“ oder „ablehnen“. Der Anwender kann für jede medizinische Maßnahme eine Berechnung durchführen: für eine bevorstehende Untersuchung, eine ge- plante Operation, ein bestimmtes Medika- ment, aber auch sonstige ärztlich verordnete Maßnahmen. Die Anwendung ist nicht auf die am häufigsten abgelehnten Maßnahmen wie etwa künstliche Beatmung und künstliche Ernährung beschränkt. Die Beantwortung der Fragen liefert einerseits die Grundlage für die Berechnung und lässt den Anwender anderer- seits erkennen, was für ihn wichtig ist. Das Tool soll eine Entscheidungshilfe für Men- schen sein, die eine medizinische Maßnahme ablehnen wollen. Die Nutzer können so ihr bloßes Gefühl mit dem individuell berechne- ten Ergebnis vergleichen. Sie brauchen dafür keine medizinischen Vorkenntnisse. Stimmt das automatisiert berechnete Ergebnis mit ihrem Willen überein, können sie den Aus- druck mit ihrer Unterschrift zu einer aktuellen rechtsgültigen Patientenverfügung machen. „Jede Patientenverfügung, die ursprünglich nur ein Text war und erst durch die parallel mit der Biografie des Verfügenden verlaufen- de Entwicklung zum Dokument wurde, kann so auch ihre wichtigsten Aufgaben erfüllen: nämlich den Patientenwillen stärken und festigen, diesen unzweifelhaft wiedergeben und Angehörigen wie Ärzten die Rechtssi- cherheit geben, damit sie vor strafrechtlicher Verfolgung wegen unterlassener Hilfeleistung geschützt sind, wenn sie den verbrieften Wunsch des Patienten erfüllen“, erklärt Mar- gula. Das Pflegefalltool kostet pro Jahr 40 Euro und ermöglicht es, eine bereits beste- hende Patientenverfügung zu überprüfen, zu aktualisieren und zu erneuern. Das Tool kann entweder von einer Person für zwölf Berech- nungen eingesetzt werden oder von zwei Per- sonen für je sechs Berechnungen. Coaching für Berater Für Berater gibt es zudem spezielles Soft- ware-Coachings, wonach auch die Möglich- keit besteht, Affiliate-Partner mit 50 Prozent Affiliate-Provision zu werden. Mit dem Coaching zur Patientenverfügung bietet der Mediziner ganzheitliche und umfassende Be- ratung, die auch die Bedeutung und Tragweite von Pflegebedürftigkeit im Alter ein- schließt. Trainees lernen, die Patien- tenverfügung vom statischen Doku- ment zu einem dynamischen Instru- ment zu machen, und können so künf- tig bei der Aktualisierung helfen. Im Coaching wird aber auch geklärt, wa- rum eine Patientenverfügung erstellt wird und was man damit bezweckt. Auch die Erstellung einer maßge- schneiderten Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht sowie die richtige Gesprächsführung mit Angehörigen, Ärzten und Pflegepersonen über Inhal- te der Patientenverfügung ist Teil des Programms. GEORG PANKL | FP Dr. Wilhelm Margula: „Der Patientenwille wird trotz Patientenverfügung nicht zwingend umgesetzt.“ Buchtipp „Pflegefall? Nein, danke!“ von Dr. Wilhelm Margula Einfach verständlich bereitet Dr. Wilhelm Margula in seinem Buch die Themen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht auf und beleuchtet dabei nicht nur recht- liche Aspekte. Das Buch bietet viele hilfreiche Tipps, wie man in der Praxis mit dem Thema umgehen sollte. Es ist unter www.facultas.at als Taschenbuch (19,90 Euro) und als E-Book (17,99 Euro) erhältlich. 193 www.fondsprofessionell.at | 3/2019

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