FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2019
Foto: © Jasper Juinen | 2019 Bloomberg Finance LP R ebellionen brachen bisher allenfalls vor den Toren der Hauptversammlungen großer Konzerne aus – nicht in den Hallen selbst. Umweltschützer, Friedensakti- visten oder enttäuschte Anleger nutzen die all- jährlichen Aktionärstreffen als Plattform, um öffentlich für ihr Anliegen zu trommeln. In den Sälen selbst kam es bislang höchstens zu hitzigen Wortgefechten. Die Mehrheit der Anteilseigner aber winkte die Anträge der Führungsetagen meist durch. Das ändert sich zusehends. So ver- weigerten die Aktionäre des Chemie- riesen Bayer der Konzernspitze nach der umstrittenen Monsanto-Übernahme die Entlastung. Zudem entlud sich der Unbill der Anteilseigner über die Füh- rungsriege der Schweizer Großbank UBS. Auch beim gebeutelten Fonds- haus GAM sperrten sich die Aktionäre gegen die Entlastung, die sonst eine reine Formsache ist. Der Widerspruch erzürnter Kleinanleger verhallte oft. Doch nun stemmen sich auch große In- vestoren wie Fondsgesellschaften offen gegen manchen Unternehmenskurs. Diese Entwicklung verschärft sich, seit das Thema der verantwortungsvollen Geldanlage an Bedeutung gewinnt. Asset Manager erwei- tern ihr Verständnis als Treuhänder des Kun- dengeldes entsprechend. Bei angelsächsischen Fondsanbietern ist der Trend fortgeschritten, aber auch Häuser aus dem deutschsprachigen Raum nehmen die soziale und ethische Wir- kung ihrer Investmententscheidungen immer ernster – und sie stocken ihre Kapazitäten in diesem Feld auf. So warb jüngst die Deka, der zentrale Wertpapierdienstleister der Sparkas- sen, Ingo Speich von Union Investment ab. Speich hat sich über Jahre als prominenter Sprecher auf Hauptversammlungen und Kri- tiker von Managementfehlern einen Namen gemacht. Die Deka will das Engagement beim Thema Corporate Governance, also der guten Unternehmensführung, deutlich aus- bauen. Speich soll dabei helfen. Wertekanon entworfen Als ersten Schritt entwickeln die Asset Ma- nager eine Art Wertekanon mit Kriterien, wel- che Verhaltensweisen und Praktiken sie bei Unternehmen gutheißen – und welche nicht. „Wir haben Richtlinien, wie wir auf Haupt- versammlungen abstimmen“, sagt Vanda Heinen, ESG-Analystin bei Union Invest- ment, dem Fondsanbieter der deutschen Ge- nossenschaftsbanken. Dieser gibt allen Seiten Gewissheit, wird aber auch stets weiterent- wickelt. „Wir zeigen klar auf, wofür wir ste- hen, wogegen wir sind und was wir erwarten. Die Unternehmen wissen so, woran sie mit uns sind“, ergänzt Nicolas Huber, Leiter Cor- porate Governance bei der Fondstochter der Deutschen Bank, DWS. Heraus kommt ein Regelkatalog, der bei den Fondsgesellschaften recht ähnlich aus- sieht. Ein zentrales Element dabei ist die Prüfung, ob der Aufsichtsrat als Vertreter der Eigentümer adäquat aufgestellt ist, um seine Kontrollaufgabe erfüllen zu können. „Wir legen unser Augenmerk auf die Zusammensetzung des Auf- sichtsrats, die Qualifikation der Mit- glieder und die Zeit, die diese für die Ausübung ihres Amtes aufwenden können“, erläutert Antje Stobbe, die seit April als Corporate-Governance- Expertin das ESG-Researchteam von Allianz Global Investors verstärkt. Der letzte Punkt birgt durchaus Zündstoff. „Es sollte nicht zu einer Ämterhäufung kommen. Gerade die Vorsitzenden müssen genug Zeit für ihre Aufgabe mitbringen“, sagt DWS- Mann Huber. „Wir plädieren zudem Eigentlich stimmen Großaktionäre auf Hauptversammlungen nur selten gegen die Firmenspitze. Doch das ändert sich. Auch Asset Manager erheben ihre Stimme. Aufmüpfige Eigner Proteste vor der Hauptversammlung des Chemiekonzerns Bayer: Nicht nur Demonstranten, auch die Aktionäre rebel- lierten gegen die Übernahme des Saatgutriesen Monsanto und verpassten der Bayer-Führung einen Denkzettel. Größeres Engagement Hauptversammlungsabstimmungen durch Union Investment Über die vergangenen Jahre erweiterte Union Investment die Präsenz auf Hauptversammlungen, wie viele andere Asset Manager. Quelle: Union Investment 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 2011 Abstimmungen 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % 35 % G 242 2.228 Hauptversammlungsabstimmungen durch Union Investment 106 www.fondsprofessionell.at | 2/2019 markt & strategie I corporate governance
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