FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2019

Heuser: Was schließen Sie daraus? Walewski: Wenn wir uns die Entwicklung seit der Finanzkrise anschauen, stellt man fest, dass wir eine inzwischen extrem lange Erho- lung der Wirtschaft erlebt haben, und zwar trotz weiterhin ausufernder Verschuldung. Die Ertragssituation der Unternehmen ist zwar ins- gesamt positiv gewesen, aber im Grunde eher gedämpft. Es gab zudem keine großen Über- treibungen in dieser Phase, und zwar so gut wie an keiner Stelle. Wir haben keine Exzesse im Bereich von Fusionen und Übernahmen gesehen, die Investitionstätigkeit von Unter- nehmen ist nach wie vor extrem niedrig, und auch bei der Kreditvergabe kann man sicher noch lange nicht von einer Übertreibung spre- chen. Allenfalls die Beschäftigungszahlen haben in einigen OECD-Ländern einen Peak erreicht. Das ist aber auch das einzige Anzei- chen, das darauf hindeuten würde, dass wir uns eventuell in einem Spätzyklus befinden. Heuser: Und welche Konsequenzen sollten Investoren daraus ziehen? Walewski: Vor diesem Hintergrund könnte die anhaltend hohe Verschuldung selbst in den USA noch einmal zu negativen Zinsen führen, wie wir sie faktisch nach wie vor in Japan und Europa haben. Solange der einfache Sparer oder der Anleger in Staatsanleihen sozusagen in Form von negativen Zinsen für die hohe Verschuldung zahlt, kann eine Situation, wie wir sie aktuell erleben, durchaus noch für sehr lange Zeit weiter anhalten. Daher sollten Anleger lieber in Aktien und Produktivkapital investieren statt zuzusehen, wie ihr Geld in Staatsanleihen oder auf dem Sparbuch immer stärker an Wert verliert. Heuser: Eine ganze Reihe von Marktbeob- achtern teilt Ihre Ansicht allerdings nicht, viele gehen eher von einem stärkeren Rückgang der Konjunktur, für die USA sogar von einer Rezession aus? Walewski: Was ja auch durchaus verständlich ist. Die Märkte und mit ihnen die Anleger haben im vierten Quartal 2018 erheblich ge- litten. Mit einem sich zu dieser Zeit verschär- fenden Handelskonflikt und Notenbanken auf dem Weg zu einer Straffung der Geldpolitik hatten sie ja auch durchaus Grund, argwöh- nisch zu werden. Auch die Entwicklung beim Ölpreis und der Wassermangel in deutschen Flüssen haben für zusätzliche Verunsicherung gesorgt. Aber all das hat sich inzwischen wie- der weitgehend normalisiert. Seit Jahresanfang haben wir bei manchen Themen sogar eine Art U-Turn gesehen. Die Notenbanken haben einen wieder sehr viel moderateren Kurs ein- geschlagen, und auch der Handelskonflikt zwischen den USA und China scheint sich zu entschärfen, wobei man das sicher weiter beobachten muss. Heuser: Aber was ist es konkret, was Sie so positiv nach vorne blicken lässt? Walewski: Nach unseren Beobachtungen un- terschätzen viele Marktteilnehmer das Aus- maß und die Dauer einer weiter anhaltenden Erholung in Europa. Was uns positiv stimmt, das ist die Entwicklung in China. Man sollte nicht verkennen, dass China inzwischen die maßgebende oder be- stimmende Volkswirtschaft in der Welt ist. Und die dortigen Konjunkturindi- katoren entwickeln sich schon seit einiger Zeit wieder durchaus positiv. Chinesische Aktien sind bereits im Oktober in eine Erholungsphase eingetreten, die nach wie vor Bestand hat. Und solange sich China positiv entwickelt, bleibe ich auch zuversicht- lich für eine anhaltend positive Konjunktur- entwicklung in Europa. Ich habe das Gefühl, dass wir uns derzeit in einer Phase wie in der zweiten Jahreshälfte 2016 und dem ersten Halbjahr 2017 befinden. Damals hatte die Ankündigung des Brexit für große Verunsi- cherung gesorgt. Und es kam zu einer Art extremen Positionierung oder Zurückhaltung bei den Investoren, wie wir sie auch im vier- ten Quartal 2018 erlebt haben. Aber auch diesmal wird sich diese übertriebene Vorsicht wieder auflösen. Heuser: Wenn man die Performancehisto- rie Ihrer Fonds genau betrachtet, hat man den Eindruck, dass die Fonds in einem Börsenabschwung mehr verlieren und in einer Erholungsphase den Markt outper- formen. Ist das so eine Art Muster? Walewski: Auch wir machen Fehler, das ge- hört zu unserem Geschäft. In den Jahren 2015 und 2016 haben wir durch zwei oder drei ab- trägliche Positionen in unseren größten Hol- dings sicher gelitten. Aber daraus gleich ein Muster abzuleiten, wäre falsch. 2017 war das beste Jahr unserer Unternehmensgeschichte. Und auch wenn wir 2018 am Ende etwas an Performance verloren haben, so haben wir das in den ersten Monaten des neuen Jahres zügig wieder aufgeholt. Am Ende hängt die Perfor- mance unserer Fonds allein von der Qualität unserer Stockpicks ab. Daher lesen manche Beobachter gern etwas in unsere Performance hinein, was so jedoch gar nicht existiert. Nicolas Walewski: „Wirecard schließt weiterhin neue langfristige Verträge mit großen, renommierten Firmen ab. Das Unternehmen wird zudem von Mitbewerbern wie auch Geschäftspartnern, die mit ihm zusammenarbeiten, geschätzt.“ 64 www.fondsprofessionell.at | 1/2019 markt & strategie I fondsmanager im kreuzverhör » Anleger sollten lieber in Aktien und Produktivkapital investieren statt zuzusehen, wie ihr Geld in Staatsanleihen oder auf dem Sparbuch immer stärker an Wert verliert. « Nicolas Walewski, Alken Asset Management KREUZ VERHÖR Alle Fotos: © Sarah Weal

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