FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2019

den Instituten, die in Deutschland großes Po- tenzial sehen. Ihre Strategie unterscheidet sich fundamental von jener der österreichischen Mitbewerber. Sie will hauptsächlich durch Zukäufe rasch Fuß fassen. Die genannte Süd- westbank war der erste Streich. Es folgten 2018 die Deutscher Ring Bausparkasse, der Finanzdienstleister Deutsche Health AG und die IT-Leasingfirma BFL. Weitere werden dazukommen: Der Nachschub bei den Akqui- sitionsmöglichkeiten sei „robust“, sagt ein Sprecher. Dem hohen Tempo wird allerdings einiges untergeordnet. Zum Beispiel nehmen es die (nicht in Europa verankerten) Bawag-Haupteigner als Kollateralschaden in Kauf, dass durch die Übernahmewelle historisch gewachsene Kun- denbindungen auf der Strecke bleiben. Die Bawag gehört mehrheitlich den US-Finanzin- vestoren Cerberus und Golden Tree. Für sie zählt vor allem die Profitabilität. Die Kosten- Ertrags-Relation der Bawag liegt bei rekord- verdächtig tiefen 44 Prozent. Natürlich haben dermaßen gute Effizienzwerte aber ihren Preis: Mit demAustro-Sympathie-Bonus kann die Bawag in Deutschland wohl (vorerst) nicht punkten. Allein heuer mussten in der Südwest-Vermögensverwaltung zwölf Leute gehen. Während dieses einstige Kerngeschäft zurückgestutzt wird, vergibt die Ex-Privatbank nun Konsumkredite. Und zwar mit Nach- druck, denn das Segment boomt gerade, und man will diese Welle nicht versäumen: Bereits auf mittlere Frist will die Bawag laut Ge- schäftsbericht bei deutschen Ratenkrediten einen Marktanteil von zwei Prozent erreichen. Hauptkanal dafür ist die 2018 freigeschaltene Onlinekreditplattform „Qlick“. Diese setzt auf Synergien mit der österreichischen Bawag- Direkttochter Easybank. Was aus Sicht der effizienzbewussten Ba- wag Sinn macht, schätzen die vermögenden Südwest-Kunden weniger: Verstört durch Fo- kusverschiebung und Beraterabbau, sind von den 100.000 Kunden 6.000 bis 7.000 abge- sprungen, vermelden die „Stuttgarter Nach- richten“. Auch viele Mitarbeiter – die sich nun an die Konzernsprache Englisch gewöhnen müssen – erkennen ihre Regionalbank, die künftig landesweit operiert, nicht wieder. Konzept übertragbar? Den Unmut will die Bank nicht direkt kom- mentieren. „Es kommt gut an, dass die Bawag Group ein Unternehmen mit einer langen Geschichte und großer Tradition ist“, heißt es vielmehr. Allem Anschein nach vertrauen Cerberus und Golden Tree darauf, dass die Österreich-Erfolgsstory auch auf Deutschland übertragen werden kann. Die Finanzinvesto- ren formten aus der im Jahr 2006 mehrheitlich übernommenen maroden Bawag ein hoch- profitables Unternehmen. Damit gelten sie hierzulande als qualifizierte Sanierer. In Deutschland, wo den Übernahmen keine Notlage vorausging, muss man sich die Akzeptanz natürlich härter erarbeiten. Gemessen am Kreditportfolio der Bawag- Gruppe lag der Anteil Deutschlands im dritten Quartal 2018 bei 18 Prozent. Um den Ge- schäftsumfang auszubauen, müsse man sowohl produktmäßig als auch geografisch breiter werden, sagt der Bawag-Sprecher. BTV setzt sichtbare Zeichen Von derart rasanten Ausbauplänen hört man aus der Bank für Tirol und Vorarlberg (BTV) nichts. Sie gilt als konservativ in dem Sinn, dass sie sich nie groß vom althergebrachten Bankgeschäft (Einlagen sammeln und als Kredit weitergeben) wegbewegt hat. Dennoch ist die BTV eine Bank, die immer wieder auf- sehenerregende Zeichen gegen Filialschlie- ßungen setzt – im wahrsten Wortsinn: Ihre Gebäude sind mitunter architektonische Hin- gucker und damit ein optisches Gegenstück zum Schrumpfungstrend. „Qualität und Stil sollen nicht nur in der Kundenbetreuung erkennbar sein“, argumentiert Vorstandsvor- sitzender Gerhard Burtscher. Sein Unterneh- men mit Hauptsitz in Innsbruck profitiert von einer 115-jährigen Verankerung in einem attraktiven Einzugsgebiet. Obwohl mit einer Bilanzsumme von zehn Milliarden Euro deut- lich kleiner als viele Kollegen, ist die BTV mit ihrer konservativen Strategie auch in Deutschland wohlbekannt: Im Jahr 2006 wur- de die erste deutsche Niederlassung gegrün- det, 2017 folgte in Mannheim die siebente Zweigstelle. Das Haus betreut anspruchsvolle Privatkunden und mittelständische, export- orientierte Firmen. Zukäufe spielen für Burt- scher keine Rolle, er will „rein organisch wachsen“. Auch neue deutsche Filialen sind momentan nicht geplant. Klingt unaufregend – und ist es wohl im positiven Sinn auch: Die Wirren der Finanzkrise quittierte das Institut genau wie die Oberbank mit viel Stabilität und sehr guten Geschäftszahlen. Nicht alle Geldhäuser, die in Deutschland aktiv sind, wollen darüber auch sprechen – etwa die Walser Privatbank mit drei deutschen Standorten. Sie hat vor einiger Zeit das Liech- tenstein-Geschäft verkauft und will mit den Mitteln in Deutschland ausbauen. Details bleiben aber im Verborgenen – genau so wie die Frage, ob sie wie andere mit Austro-Sym- pathie punkten kann: Mit österreichischen Medien spricht die Bank nicht über die Deutschlandstrategie, da das marketingtech- nisch „nicht zielführend“ sei. Brexit: Vorerst keine Sorgen Spannend ist schlussendlich angesichts die- ses großen Deutschland-Engagements noch die Brexit-Frage: Am schwersten wird unter einem Austritt Großbritanniens aus der EU bekanntlich die Exportnation Deutschland leiden. Sollte es zu deutlichen Auftragsrück- gängen kommen, muss wohl manch ein Kre- ditinstitut um das verliehene Geld bangen. Die Banken selbst sagen nichts über etwaig Risi- kovorsorgen. Die FMA beruhigt immerhin. Das Deutschlandgeschäft werde derzeit nicht gesondert beäugt. „Mit aktivseitig rund 36,6 Milliarden Euro macht es etwas mehr als zehn Prozent der Auslandsforderungen österrei- chischer Banken aus. Das ist deutlich weniger als etwa die CESEE-Forderungen“, sagt ein Sprecher. EDITH HUMENBERGER-LACKNER | FP Foto: © BTV » Qualität und Stil sollen nicht nur in der Kundenbetreuung erkennbar sein. « Gerhard Burtscher, BTV Gerhard Burtscher, Chef der Bank für Tirol und Vorarlberg, punktet mit beratungsintensivem Geschäft. 250 www.fondsprofessionell.at | 1/2019 bank & fonds I expansionsstrategie

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