FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018

Eine anhaltende Streitfrage bleibt aber, was „Nachhaltigkeit“ eigentlich bedeutet. „Für manche Investoren mag etwa Atomkraft ak- zeptabel sein, für andere nicht“, erklärt Mirko Hajek von der Kölner Vermögensverwaltung RP Rheinische Portfolio Management das Dilemma. Andere Anleger wiederum wollten Alkohol- oder Tabakhersteller meiden. „Ein- fach nur bestimmte Branchen auszuschließen führt unserer Meinung nach nicht zum Ziel“, meint der Portfoliomanager. Dennoch bediene sich die Fondsindustrie gern dieses Verfah- rens. „Ausschlusskriterien sind einfach zu ver- mitteln – was den Vertrieb erleichtert“, führt Hajek als Erklärung an. Renditebremse „Auch ein Best-in-Class-Ansatz erscheint uns fragwürdig“, sagt der RP-Experte. Dieses Modell filtert für jede Branche die Unternehmen her- aus, die im Hinblick auf nachhaltiges Wirtschaften führend sind. „Nach die- ser Logik könnten Tabakkonzerne oder Streubombenhersteller ‚nachhal- tiger‘ sein als beispielsweise Kran- kenhausbetreiber – sie müssten nur mehr Wert auf ESG-Kriterien legen als ihre Wettbewerber“, erläutert der Manager. „Wir bevorzugen einen ganzheitlichen Blick auf die Unter- nehmen gegenüber einer isolierten Betrachtung einer Branche.“ In der Asset-Management-Industrie greift tatsächlich die Erkenntnis um sich, dass bloße Ausschlüsse und brancheninterne Vergleiche auf dem Weg zu einem „grüneren“ Portfolio zu kurz greifen. „Der Ausschluss ganzer Sektoren mindert die Chance auf eine Outperformance und könnte am Ende Rendite kosten“, stellt zudem Caro- lina Minio-Paluello klar, die bei Lombard Odier den weltweiten Vertrieb verantwortet. Stattdessen nähern sich einige Anbieter zuneh- mend über eine holistische Sicht dem Thema Nachhaltigkeit. Die Analysten solcher Fondsgesellschaften schauen nunmehr darauf, welche positiven ökologischen, ethischen oder sozialen Wir- kungen ein Unternehmen auf sein Umfeld hat – oder welche potenziellen Risiken darin für die Firma lauern. „Der Blick auf ESG-Belan- ge kommt für Fondsmanager einer Risikokon- trolle gleich“, erläutert Sandra Crowl, die im Investmentkomitee von Carmignac für Nach- haltigkeit zuständig ist. „Denn bei der nach- haltigen Sichtweise offenbaren sich mitunter Gefahrenquellen, die eine klassische Heran- gehensweise nicht zutage gefördert hätte.“ Dabei geht es eben nicht zwingend darum, die saubersten Vertreter ihrer Zunft zu finden. „Wir suchen nach Unternehmen, bei denen wir die Fähigkeit erkennen, dass sie sich an- passen und auf nachhaltiges Wirtschaften um- schwenken“, formuliert es Minio-Paluello. „Die werden zu den Unternehmen zählen, die langfristig überleben.“ Ganz auf griffige Ausschlusskriterien ver- zichtet die Branche wiederum nicht. So ver- kündete jüngst der französische Anbieter Car- mignac, in keine Unternehmen mehr zu inve- stieren, die mehr als 25 Prozent ihrer Einnah- men aus dem Kohlebergbau erzielen. „Damit gießen wir unsere bereits gelebte Praxis in fes- te Regeln“, erläutert Crowl. Generell schließe das Haus etwa Hersteller kontroverser Waffen aus. „Der Ausschluss bestimmter Branchen entspringt den Überzeugungen des Vorsitzen- den unseres Unternehmens, geht aber auch auf die Wünsche unserer Kunden zurück“, be- richtet die Carmignac-Expertin. Worst in Class Das Fondshaus Swisscanto wieder- um hat das Best-in-Class-Konzept praktisch in einen Worst-in-Class-An- satz umgewandelt. Dabei schließen die Portfoliomanager die aus Nach- haltigkeitssicht schlechtesten 20 Pro- zent der Unternehmen je Sektor und Region aus. „Mit dieser Maßnahme vereinen die fünf neu strukturierten Mischfonds die zwei wichtigen Fak- toren der Diversifikation sowie des verantwortungsbewussten Investie- rens“, sagt Jan Sobotta, Vertriebsleiter Ausland bei Swisscanto Asset Ma- nagement. Ein halbes Jahr nach der Einführung des nachhaltigen Ansatzes Foto: © RP; Arnaud Février pour Carmignac Mirko Hajek, RP: „Für manche Investoren mag etwa Atomkraft akzeptabel sein, für andere nicht.“ Sandra Crowl, Carmignac: „Der Blick auf ESG-Belange kommt für Fondsmanager einer Risikokontrolle gleich.“ » Nach der Best-in-Class-Logik könnten Streubombenhersteller › nachhaltiger ‹ sein als etwa Kran- kenhausbetreiber – sie müssten nur mehr Wert auf ESG-Kriterien legen als ihre Wettbewerber. « Mirko Hajek, RP Rheinische Portfolio Management Nachhaltiges Interesse Zahl und Gesamtvermögen nachhaltiger Publikumsfonds in Deutschland, Österreich und der Schweiz Verantwortungsvolle Geldanlage wandelt sich vom Nischenprodukt zum Massenphänomen. *per Ende Juni 2018 | Quelle: Sustainable Business Institute (SBI) 0 25 50 75 100 125 150 2018* 2016 2014 2012 2010 2008 Mrd. Euro 0 100 200 300 400 500 Anzahl der Fonds Gesamtvermögen 118 Mrd. 21 Mrd. 501 Fonds 274 Fonds 94 www.fondsprofessionell.de | 4/2018 markt & strategie I vermögensverwaltende fonds

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