FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018
mehr mit anderen Familien, sondern mit Investoren. Im Immobilienmarkt steigen die Preise schneller als die Einkommen. Das kann langfristig nicht gut gehen, daher wollen wir an das Thema ran. Finanzmarktthemen sind oft komplex, daher schrecken viele Menschen davor zurück. Sie wollen schwierige Fragen trotzdem zusammen mit den Bürgern beackern? Wir dürfen uns von der Komplexität nicht ab- schrecken lassen. Im Gegenteil, all diejenigen, die merken, dass der Finanzmarkt so komplex geworden ist, dass die Trickser zu gute Chan- cen haben, uns über den Tisch zu ziehen, müssten dagegen doch etwas tun. Aufklä- rungsarbeit wird daher eine ganz zentrale Herausforderung für uns sein, damit Bürger sich nicht mehr abschrecken lassen, sondern mit uns die Komplexität bekämpfen, die Be- trügern das Leben leicht macht. Man muss auch nicht jedes Thema bis ins Detail verste- hen. Nehmen wir zum Beispiel die Cum-Ex- Geschäfte: Bürger müssen nicht genau wis- sen, wie die einzelnen Trades funktionieren, um zu verstehen, dass hier bis heute Deals ablaufen, die zulasten der Steuerzahler gehen. Und dass der Staat sich die entsprechenden Gesetze sogar noch diktieren ließ, statt etwas dagegen zu unternehmen. Ich denke, wenn genügend Leute zusammenkommen, die dagegen demonstrieren, wird das Bundes- finanzministerium schon wach werden. Und das ist genau unser Ziel. Die Cum-Ex-Geschäfte sind ein gutes Stichwort. Mit dem Untersuchungsaus- schuss dazu haben Sie echte Erfolge erzielt. Halten Sie es denn nicht mehr für möglich, Ihre Ziele und Vorhaben auf politischer Ebene anzugehen? Ich glaube, ich habe erfolgreich gearbeitet, und das auch sehr gern. Über die Jahre hin- weg hat sich für mich klar gezeigt, dass wir viel Wissen herausgearbeitet haben und des- halb viel kritisieren mussten. Aber letztendlich fehlte uns in den entscheidenden Fragen das politische Gewicht, um uns durchzusetzen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: 24 Stunden vor der Abstimmung im Finanzausschuss über ein Finanzmarktgesetz kam ein Änderungsantrag von der CDU-/CSU-Fraktion. Dieser ermög- lichte es dem damaligen Commerzbank-Chef Martin Blessing, wieder über 500.000 Euro Jahresgehalt zu verdienen, obwohl seine Bank immer noch Staatsgeld bekam. Ich habe es zwar noch geschafft, einen Zeitungsartikel zu veröffentlichen. Viele Leser waren empört und fanden es gut, dass ich den Antrag kriti- siert habe – aber ich konnte nicht verhindern, dass er durchging. Wenn wir als Bürgerbewe- gung aber einen Verteiler mit 400.000 Leuten haben, es schaffen, viele von ihnen kurzfristig zu mobilisieren, und sie dann ihren Protest äußern, dann können wir einen solchen An- trag verhindern. Deshalb will ich stärker mit Bürgerinnen und Bürgern zusammenarbeiten. Mir reicht es nicht mehr aus, Dinge aus der Opposition heraus zu kritisieren, ich will sie viel öfter wirklich ändern. Als Lobbyist haben Sie aber nicht mehr die Möglichkeit, direkt auf die Gesetz- gebung einzuwirken. Lässt sich mit einer Bürgerbewegung IhrerAnsicht nach tat- sächlich mehr erreichen? Ich denke schon. Im Parlament habe ich mich bei Fachthemen manchmal als Einzelkämpfer gefühlt. Wenn Sie sich anschauen, wer in der NGO jetzt alles mitmacht, dann sehen Sie, dass es da eine echte Bündelung von Exper- tise und politischer Arbeit gibt. Und ich glau- be, dass wir zusammen mehr bewirken kön- nen als ein, zwei Abgeordnete. Natürlich wer- den wir aber mit politischen Akteuren der verschiedenen Parteien aus Bund und Ländern zusammenarbeiten. Das Parlament ist wichtig, doch es ist nicht der einzige Raum, in dem man politisch arbeiten kann. Wir werden ver- suchen, das zu kombinieren. Die Interessenvertreter der Wirtschaft kennen Sie als Politiker, der sie kräftig in die Zange nahm. Fürchten sie sich nun vor dem Lobbyisten Gerhard Schick? Das müssen Sie die Interessenvertreter fragen. Ich möchte, dass wir in der Bürgerbewegung Finanzwende genauso faktenorientiert arbei- ten, wie ich das im Bundestag bisher gemacht habe. Manchmal wird so eine billige Empö- rung geäußert nach dem Motto: „Alle sind Ganoven!“ So ist es nicht. Es gibt schwarze Schafe, und die müssen wir bekämpfen. Es gibt aber natürlich auch diejenigen, die an- ständige Geschäfte machen. Zudem gibt es viele Verschwörungstheorien. Ich meine: Die Fakten sind krass genug. Ich glaube, man kann eine sehr seriöse zivilgesellschaftliche Arbeit machen, und das haben wir vor. Und gerade weil wir mit Fakten arbeiten und nicht nur Empörung schüren wollen, glaube ich, dass die Bürgerbewegung Finanzwende er- folgreich sein wird. Vielen Dank für das Gespräch. ANDREA MARTENS | FP » Weil man nicht die politische Kraft hatte, die Provisionsberatung zu verbieten, stützt man sich jetzt auf lauter Krückstöcke. « Gerhard Schick, Bürgerbewegung Finanzwende Foto: © Martin Peterdamm Photography Gerhard Schick: „Es war klar: Ich muss mich entscheiden. Und weil diese NGO extrem wichtig ist und ohne mich wahrscheinlich so nicht entstanden wäre, habe ich mich für die zivilgesellschaftliche Arbeit entschieden.“ steuer & recht I gerhard schick | bürgerbewegung finanzwende 356 www.fondsprofessionell.de | 4/2018
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