FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018
Die Zeiten, in denen die Gewinne pro Aktie in den USA im zweistelligen Prozentbereich wachsen, sind unserer Meinung nach vorbei. Den Spitzenwert der Zuwachsrate haben wir also gesehen. Das gilt aber nicht für die Ge- winne selbst. Diese dürften weiter zulegen, wenn auch langsamer. Langfristig folgen die Aktienkurse den Gewinnen der Unternehmen, darum glaube ich nicht, dass wir einen mas- siven Absturz sehen werden – es sei denn, wir haben ein großes Risiko übersehen. Der Markt diskutiert gerade eher über eine andere Gefahr: Eine Steuerreform, die auf eine boo- mende Konjunktur trifft, kann die Inflation ordentlich anheizen. Bislang ist Inflation in den Vereinigten Staaten kein großes Thema, sie liegt bei gut zwei Prozent. Interessant ist, dass die niedrige und weiterhin sinkende Arbeitslosigkeit bislang nicht auf das Lohn- wachstum durchschlägt. Lange herrschte der Konsens, dass das ab einer Arbeitslosenrate von leicht unter fünf Prozent der Fall sein wird. Inzwischen sind wir bei unter vier Pro- zent angekommen, doch bei der Inflation tut sich noch immer nichts. Mittlerweile preisen die Märkte ein, dass die Verbraucherpreise nicht langsam steigen werden, sondern plötz- lich steil nach oben gehen, wie bei einem liegenden Hockeyschläger. Das spiegelt sich unter anderem in der sehr flachen Zinsstruk- turkurve in den USA wider: Die Zinsen von Staatsanleihen langer Laufzeit sind recht stabil geblieben, am kurzen Ende sind sie aber deut- lich nach oben gekommen. Die Zinsstrukturkurve droht sogar invers zu werden. Das war in der Ver- gangenheit immer ein Signal dafür, dass eine Rezession bevorsteht. Warum sind Sie dennoch optimistisch? Zum einen dauert es nach der Inversion der Zinsstrukturkurve meist ein Jahr, bis es tat- sächlich zur Rezession kommt. Außerdem gibt es weitere gute Indikatoren, die gegen einen Konjunkturabschwung sprechen. Bei- spielsweise liegt die Kapazitätsauslastung in den USA noch lange nicht im kritischen Bereich. Auch die realen Leitzinsen sind so niedrig, dass von dieser Seite keine Gefahr droht, wie das bei früheren Abschwüngen der Fall war. Verstehen Sie mich nicht falsch: Die nächste Rezession kommt bestimmt – aber noch nicht so bald. Viele Asset Manager raten dennoch eher zu Aktien aus der Eurozone oder den Schwellenländern, weil diese deutlich niedriger bewertet sind als die Wall Street. Sie bleiben den USA aber treu? Ja. Die Wette, europäische Aktien gegenüber amerikanischen zu bevorzugen, ging in der Vergangenheit selten auf. Unserer Meinung nach lohnt sich ein Übergewicht an US- Aktien nach wie vor. Ein wichtiger Grund dafür ist der Megatrend Digitalisierung. In diesem Segment hat Europa leider nicht viel zu bieten. Wenn Sie von diesem Trend profi- tieren möchten, kommen Sie um die USA nicht herum. Sie hatten die Turbulenzen rund um Italien schon erwähnt. Wie gehen Sie in Ihren Portfolios mit diesem Risiko um? Italien hatte die Märkte zunächst im Glauben gelassen, mit einem moderaten Haushalts- defizit zurechtzukommen. Diese Erwartung ist enttäuscht worden, mit entsprechenden Folgen für die Kursentwicklung italienischer Staatsanleihen. Wir hatten die Duration dieser Papiere in unseren Portfolios bereits über die vergangenen Jahre hinweg reduziert. Daher sind wir in der Lage, diese volatile Phase durchzuhalten. In unseren Fonds werden regelmäßig italienische Anleihen fällig, so reduziert sich das Engagement schrittweise. Ein wichtiger Faktor ist, dass die großen Ratingagenturen Italien nach wie vor als „Investment Grade“ einstufen. Hätten sie das Rating auf Ramschniveau gesenkt, wären nicht nur wir, sondern zahlreiche andere Investoren verpflichtet gewesen, uns in vielen Fonds von diesen Papieren zu trennen. Das ist uns zum Glück erspart geblieben. Etwas weiter in die Zukunft geblickt: Wegen Italien kocht die gesamte Schul- denkrise wieder hoch – und damit die Diskussion, ob der Euro überlebensfähig ist. Was meinen Sie? Diese Frage stand ja 2012 schon im Raum. Einige Staaten, die damals im Mittelpunkt standen, haben ihre Hausaufgaben gemacht. Italien hat das noch vor sich. Wahrscheinlich wird die EU ein Defizitverfahren gegen Rom einleiten. Schon deshalb werden die Risiko- aufschläge und die Volatilität in den kommen- den Monaten hoch bleiben. Auf der anderen Seite ist seit 2012 einiges passiert. Die Euro- zone hat Mechanismen etabliert, wie mit solchen Situationen umzugehen ist. Der Euro bereitet mir deshalb keinen großen Kummer. Mehr Sorgen bereitet mir eine andere Ent- wicklung: der Trend hin zu populistischen Regierungen – nicht nur in Italien, sondern in vielen Ländern der Welt. Vielen Dank für das Gespräch. BERND MIKOSCH | FP » Die nächste Rezession kommt bestimmt – aber noch nicht so bald. « Stefan Kreuzkamp, DWS Foto: © Christoph Hemmerich Stefan Kreuzkamp: „Der Euro bereitet mir keinen großen Kummer. Mehr Sorgen bereitet mir eine andere Entwicklung: der Trend hin zu populistischen Regierungen – nicht nur in Italien, sondern in vielen Ländern der Welt.“ markt & strategie I stefan kreuzkamp | dws 88 www.fondsprofessionell.at | 4/2018
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