FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018

4 www.fondsprofessionell.at | 4/2018 brief der herausgeber E s gibt sehr viele gute Gründe, die Dienste von Finanzberatern in Anspruch zu nehmen. Neben sachlichen Motiven wie der ohne Zweifel höheren Sachkenntnis von Finanzprofis gibt es auch Argumente, die auf eigentlich irrationalen Phänomenen basieren. Letztere könnten sogar eine wichtigere Rolle spielen. In der ersten Ausgabe dieses Jahres haben wir an dieser Stelle auf die beträcht- lichen Ertragsverluste privater Anleger hingewiesen, die dadurch ent- stehen, dass auch langfristig erfolgreiche Produkte zwar gekauft, danach aber zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt vorzeitig abgesto- ßen werden. Im langjährigen Schnitt, so zeigen Analysen, lassen die Fondssparer auf diese Weise jährlich fast zwei Prozentpunkte an Ertrag liegen. Dieses Fehlverhalten kann kein „Robo-Advisor“ der Welt verhindern, nur ein Mensch, dem man vertraut, kann das. Fast jeder kennt das beruhigende Gefühl, wenn der Arzt nach der Untersu- chung, die man machen ließ, weil man eine Hautverfärbung bemerkt oder einen unbekannten Schmerz verspürt hat, erklärt, dass es kei- nerlei Anlass zur Sorge gibt. Eine sehr ähnliche Rolle übernehmen Berater in Börsengewittern, aber auch in länger anhaltenden Ab- schwüngen. Wenn das Portfolio am Start richtig konfektioniert war, kann man solche Phasen ruhig aussitzen, mitunter benötigt man allerdings die Versicherung eines Spezialisten, dass alles okay ist. Eine Voraussetzung dafür, dass man dies man guten Gewissens zu- sichern kann, ist das richtige Ertrags-Risiko-Profil des Kundenport- folios. Das liegt dann vor, wenn das Kapital der Risikobereitschaft des Kunden entsprechend richtig auf Aktien, Anleihen und Cash auf- geteilt ist. Im Lauf der Zeit verändert sich diese Aufteilung aufgrund unterschiedlicher Wertentwicklungen allerdings, mithilfe von Reba- lancing kann und soll die ursprüngliche Verteilung wiederhergestellt werden. Das kalifornische Investmenthaus Research Affiliates ver- waltet aktuell fast 200 Milliarden US-Dollar mithilfe quantitativer Investmentansätze und verwendet sehr viel Energie auf die Klärung grundsätzlicher Investmentfragen. Ende Oktober publizierten drei Mitarbeiter einen Artikel, in dem sie sich mit systematischem Reba- lancing beschäftigten. Ein bemerkenswertes Detail findet man in der Einleitung zu ihrem Text. Demnach gab ein Drittel der Teilnehmer einer von Wells Fargo und Gallup durchgeführten Umfrage an, lieber eine Stunde mit demAuto im Stau zu stehen, als diese Zeit mit dem Rebalancing des eigenen Portfolios zu verbringen. Was verrückt klingt, wird bei näherer Betrachtung plausibel. Wenn der Aktienteil des Portfolios gerade Verluste erlitten hat und die Anleihen parallel dazu gestiegen sind, bedeutet Rebalancing, dass man die „guten“ An- leihen verkaufen und die „schlechten“ Aktien kaufen muss. In dem Augenblick, in dem man das tun soll, hilft die intellektuelle Erkennt- nis, dass das eine langfristig erfolgversprechende Strategie ist, wenig. Ein Berater oder eine Beraterin, die dann zeigen beziehungsweise daran erinnern kann, was man sich von der Umschichtung erwarten darf, sollte den benötigten Anstoß geben können. Die Research- Affiliates-Experten rechnen vor, dass sich die erwartete Volatilität eines Portfolios, das sich ursprünglich aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen zusammensetzte, nach einem Anstieg der Aktien, die deren Anteil auf 80 Prozent erhöhen, von 8,6 auf 11,4 Prozent erhöht – das ist eine Steigerung um 30 Prozent. Mit Rebalancing lasse sich aber nicht nur das Risiko konstant halten, sondern auch der lang- fristige risikoadjustierte Ertrag steigern. Verglichen wurden dazu die Sharpe Ratios von 60:40-Portfolios mit und ohne Rebalancing für vier Märkte zum 30. Juni 2018: USA (ab 1. 1. 1976), Deutschland (ab 1. 1. 1982), Großbritannien (ab 1. 2. 1987) und Japan (ab 1. 3. 1987). In allen vier Fällen schnitten die Depots, deren ursprüng- liche Aufteilung regelmäßig wiederhergestellt wurde, deutlich besser ab. Da sich auch manche Profis gegen ein allzu striktes Rebalancing aussprechen, wurde den genannten Vergleichen auch eine Variante mit „gelegentlichem Rebalancing“ gegenüberstellt – und auch hier schnitt das jährliche Anpassen der Gewichtungen besser ab. Die voll- ständige Analyse findet man übrigens kostenlos zugänglich auf der Homepage der Gesellschaft (www.researchaffiliates.com ). Wer nach einem guten Grund gesucht hat, den einen oder anderen Kunden vor Jahresende noch einmal zu kontaktieren, hat hiermit vielleicht einen Denkanstoß erhalten. Unabhängig davon wünschen wir Ihnen ein erfolgreiches Jahresendgeschäft, einen erholsamen Jahreswechsel und hoffen, möglichst viele unserer Leser am FONDS professionell KONGRESS (6. und 7. 3. 2019) persönlich treffen zu können. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Die regelmäßige Wiederherstellung der passenden Aktien-Anleihen-Mischung verbessert das Chance-Risiko-Profil von Depots und ist zudem ein gutes Kundenbindungsinstrument. Stau oder Rebalancing ? Foto: © Marlene Fröhlich Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi

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