FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018
sie im Umfeld der durch PSD II erzwungenen Kontenöffnung nur bestehen können, wenn sie selbst mit einer Open-Banking-Strategie in den Ring treten: Anstatt den Drittanbietern das Feld zu überlassen, arbeiten viele selbst an Portalen, die eher an einen App-Store erinnern als an eine Bank: Der Kunde soll aus einem Serviceuniversum wählen, das bank- eigene Produkte beinhaltet, aber auch solche von Kooperationspartnern. Vorteil für die Kunden: Sie erhalten eine – hoffentlich hoch- wertige – Auswahl aus dem Dschungel an Diensten. Vorteil für die Bank und ihre Kooperationspartner: Sie können gemeinsam Geschäftsziele optimieren. Ein Vorreiter in Europa ist der spanische Riese BBVA. Die Bank hat 2017 als eines der ersten großes Institute weltweit ein eigenes „API-Portal“ eröffnet. APIs (Application Pro- gramming Interfaces) sind programmierte Schnittstellen, über die Fremdanbieter zugrei- fen können. Die PSD-II-Richtlinie verlangt, dass die Banken Drittanbietern über offene APIs Zutritt gewähren. Die BBVA reagiert darauf mit einer Art Premiumangebot: Sie vermarktet derzeit elf eigens konzipierte Schnittstellen an Drittanbieter, die Themen von Zahlungsverkehr bis Kreditwürdigkeit ab- decken. Ein Bezahl-Fintech könnte etwa be- quem die zugeschnittene „Payments-API“ in seine App integrieren und damit Services schaffen, die wiederum BBVA-Kunden zugu- tekommen (vorausgesetzt, diese stimmen zu). Österreich tüftelt noch Von derart konkreten Geschäftsmodellen sind die österreichischen Banken noch ent- fernt. Aber die Rückmeldungen zeigen, dass in den nächsten Monaten mit – mehr oder we- niger tief gehenden – Open Banking Services zu rechnen ist. Ein Verantwortlicher der Hypo NÖ kündigte gegenüber FONDS professio- nell „in Kürze“ ein Multibanking-Service an, bei dem man im vertrauten hauseigenen Onlinebanking die Kontosalden bei anderen Banken auf einen Blick sieht. Diese Konten- aggregation gehört zu den ersten Diensten, die im Umfeld der PSD II aufpoppen werden. Der Kunde erspart sich das Mehrfachein- loggen, und die Banken sehen in der Gesamt- sicht von Vermögen und Zahlungsströmen Chancen für die Vermögens- oder Kreditbe- ratung: Ein IT-Programm könnte daraus etwa einen Haushaltsplan erstellen, der Grundlage für weitere Beratungen ist. Volksbank-Wien-CEO Gerald Fleischmann hat die Kontenbündelung ebenfalls ins Auge gefasst: „Mittelfristig ist eine gemeinsame Sicht von Volksbank-Berater und -Kunde auf dessen Daten das Ziel – sofern der Kontoinha- ber seine Zustimmung dazu erteilt, auch auf aggregierte Daten.“ Gerade für die Volksban- ken, die nach einer beachtlichen Fusions- und Sanierungswelle wieder auf der Erfolgsspur sind, dürften solche mit Open Banking ver- bundenen Effizienzpotenziale eine große Rol- le spielen. „Es wird vermehrt zu einem Mix aus Online-Datenanalyse vorab und persönli- chem Gespräch mit dem Volksbank-Berater kommen“, bestätigt Fleischmann. Parallel zu den erforderlichen PSD-II-Schnittstellen wer- de außerdem eine API-Plattform aufgebaut. Während die PSD-II-Richtlinie im Jänner 2018 bereits gesetzlich umzusetzen war, haben die Banken noch bis 14. März 2019 Zeit, ihre technischen Schnittstellen zur Ver- fügung zu stellen. Zuerst als Testumgebung, in der Drittanbieter ihre Anwendungen prüfen können, ab 14. September 2019 muss der Echtbetrieb aber endgültig funktionieren. „Bessere Beratungsmöglichkeit“ Die Bawag PSK arbeitet ebenfalls an einem API-Markt. Vorrangig werde momen- tan jedoch die Regulatorik bewältigt. Insge- samt aber kommen auch auf die Berater in der Bawag neue Bedingungen zu: Die Bank will Open Banking so einsetzen, dass „bessere Beratungsmöglichkeiten bei Veranlagungs- und Finanzierungswünschen“ entstehen, heißt es. Gerade im Wertpapierbereich sei der Gesamtblick auf Kundendaten „sehr wert- voll“, so eine Sprecherin. Die Unicredit – und mit ihr die Tochter Bank Austria – sagt, sie suche unter anderem bei IT-Profi-Wettbewerben wie „Appathons“ oder „Hackathons“ nach den richtigen Rezep- ten für Open Banking und PSD II. Wie vie- lerorts wird also noch getüftelt. Relativ weit fortgeschritten ist die Raiff- eisen-Bankengruppe. Sie ist in Osteuropa stark und musste hier aufgrund anderer Zeit- vorgaben auf die Tube drücken. „Unsere Netzwerkbank in Tschechien ist beispielswei- se bereits jetzt mit dem API sowie einem Developer-Portal live“, sagt Christian Wolf, Leiter der Abteilung Corporate Transforma- tion. Es wurde eine API-Ebene gebaut, über die gruppenweit fristgerecht einerseits die ge- forderten PSD-II-Schnittstellen angeboten werden sollen. Andererseits soll sie Grundlage sein für Premium-APIs, „die über das regu- latorische Minimum hinausgehen“, so Wolf. „iTunes Store des Finanzmarktes“ Gelassen gibt man sich bei der Erste Group. Der Konzern hat in Österreich als einer der Ersten die Chancen der PSD II erkannt. Es ist ja so: Eine Open-Banking-App muss nicht unbedingt von einem Fintech kommen. PSD II ermöglicht es theoretisch auch, dass die Erste einem Raika-Kunden eine Multi-Ban- king-App anbietet, ohne dass dieser dafür sein Konto wechseln muss. Erste-Group-Retail- Vorstand Peter Bosek hat schon vor einiger Zeit gemeint, man wolle „der iTunes Store des europäischen Finanzmarktes werden“. Das eigene Onlinebanking „George“ sei be- reits API-fit, heißt es nun. Auch bei der Erste Group können Dritte schon auf APIs der tschechischen Tochter zuzugreifen. Und auf einem Developer-Portal können Entwickler ihre Lösungen schon jetzt testen. EDITH HUMENBERGER LACKNER | FP Die PSD-II-Richtlinie – Übererfüllung verboten Die Zahlungsdiensterichtlinie PSD II ((EU) 2015/2366) ist seit 13. Januar 2018 gültig. Sie löst die alten Regeln der PSD aus dem Jahr 2007 ab. Europäisches Parlament und Kommission verfolgen damit das Ziel, den Zahlungs- verkehr zu modernisieren. Es soll ein echter Binnenmarkt entstehen, in dem alle Zahlungsdienstleister gleichen Zugang zu den rund 500 Millionen EU-Bürgern haben. Dementsprechend ist es auch nicht erlaubt, dass die Staaten die PSD II durch strengere Gesetze „übererfüllen“ (Gold Plating). Ab 14. März 2019 müssen die Banken dem Markt offene programmierte Schnittstellen zur Ver- fügung stellen, an die Drittanbieter andocken können, sogenannte APIs (Application Programming Interfaces). Ein halbes Jahr lang sollen diese Schnittstellen als Test- umgebung bereitstehen, in der Fintechs ihre Services erproben können. Der Echtbetrieb beginnt am 14. Sep- tember 2019. Der Zugriff ist nur erlaubt, wenn der Kunde das wünscht. Zahlungsauslösedienstleister bedürfen einer Konzession, für Kontoinformationsdienstleister ist eine Registrierung ausreichend. Die PSD-II-Richtlinie wird in Österreich durch das Zahlungsdienstegesetz 2018 umgesetzt. » Es wird vermehrt zu einem Mix aus Online-Datenanalyse vorab und persönlichem Gespräch mit dem Volksbank- Berater kommen. « Gerald Fleischmann, Volksbank Wien 229 www.fondsprofessionell.at | 4/2018
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