FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018
Foto: © Elnur | stock.adobe.com D ie EU will, dass Bezahlen in Europa einheitlicher, sicherer und vor allem digitaler wird. Geregelt wird dieses Vorhaben in der zweiten Zahlungsdienstericht- linie PSD II, die von den Staaten bis 13. Jän- ner 2018 umzusetzen war. Ihr Inhalt ist brisant für die traditionellen Banken: Sie müssen eines ihrer höchsten Güter abgeben, nämlich das Quasi-Monopol über die Zahlungskonto- daten der hauseigenen Kunden. Einige euro- päische Institute haben dem drohenden Ver- lust bereits Geschäftsmodelle entgegengesetzt. In Österreich zerbrechen sich die meisten Banken hingegen noch den Kopf über die regulatorische Umsetzung, zeigt die Bestands- aufnahme von FONDS professionell. Milliardenzugang Die PSD II ordnet das Zusammenspiel zwi- schen Banken, Kunden und Drittanbietern wie Zahlungsdienstleistern, Onlinehändlern und Fintechs komplett neu. Sie legt den aufstre- benden Technologiefirmen eine Rutsche in den Riesenmarkt von gut einer Milliarde Bankkonten EU-weit: Zum einen darf jeder Drittanbieter, der eine Konzession als Zah- lungsauslösedienstleister (Payment Initiation Service Provider, PISP) besitzt, Abbuchungen von einem Konto veranlassen, wenn der Kun- de das erlaubt. Ein Beispiel dafür wäre der Echtzeitüberweisungsdienst „Sofort“, der eine EC- oder Kreditkarte beim digitalen Bezahlen überflüssig macht. Zum anderen erhalten registrierte Kontoinformationsdienstleister (Account Information Service Provider, AISP) Zugang zu den Kontodaten des Kunden. Sol- che „Kontoinformationsveredler“ können mit Kundenerlaubnis die Zahlungsströme auswer- ten und auf dieser Basis maßgeschneiderte Angebote liefern. Künftig entscheidet allein der Konsument, nicht die Bank, wer auf sei- nem Girokonto Einsicht und Zugriff hat. Zwar unterwirft PSD II diese Auslöse- und Info- dienstleister erstmals einer EU-weiten Regulierung und verlangt eine behördliche Erlaubnis, Sicherheitsstandards oder Ver- sicherungsschutz. Dennoch überwiegen für sie die wirtschaftlichen Vorteile des Kon- tozugangs: Daten sind bekanntlich mäch- tige Instrumente. Massive Gewinneinbußen „Nach unseren Prognosen könnte das die etablierten Geldhäuser im Retailge- schäft bis zu 40 Prozent ihres Gewinns kosten“, meint etwa Sebastian Steger, Part- ner von Roland Berger. Die größte Gefahr ist, dass die Bank zum reinen Kontover- walter im Hintergrund abgleitet, der jegli- che Preissetzungsmacht verliert, weil sich die Kunden nicht mehr mit ihm identifi- zieren. Die Treue halten die Konsumenten lieber den App-Anbietern, die an das Kon- to andocken und den tatsächlichen finan- ziellen Alltag gestalten. Ein solcher Dritt- anbieter könnte ein Robo-Advisor sein, der aus den Zahlungsströmen Anlagevorschlä- ge ableitet, oder ein Versicherungsdienst, der Schutz bietet, wenn der Kunde ihn braucht (etwa eine Unfallversicherung nach dem Kauf einer Kletterausrüstung), es könnte auch ein Kreditmakler sein, der Finanzierungsangebote aus globalen Peer-to-Peer-Märkten vermittelt. Lifestyle statt Banking Einzeln genommen mögen diese Dienste wenig disruptiv erscheinen; sie werden es aber durch die Bündelung in „Multi-Banking- Apps“: Über eine solche Einzelanwendung können Konsumenten zentral in all ihre Kon- ten bei verschiedenen Banken einsteigen, sie können darüber aber je nach Ausgestaltung neben Finanz- und Anlagegeschäften auch Freizeit-, Unterhaltungs- und Shoppingbelan- ge abwickeln. Ein bekanntes Beispiel ist die App des chinesischen Bezahlriesen Alipay, bei der die Grenzen zwischen Lifestyle und Finanz nicht mehr auszumachen sind. Nach Unternehmensangaben nutzen fünf Prozent der Weltbevölkerung diese App zum Zahlen, Geldanlegen oder Hotelbuchen und mehr. Bei den meisten europäischen Banken hat sich inzwischen die Ansicht durchgesetzt, dass Die Zahlungsdiensterichtlinie PSD II hat einschneidende Folgen für die Banken. FONDS professionell wollte wissen, wie heimische Institute damit umgehen. Wer Daten hat, hat die Macht Sesam, öffne dich! Die PSD-II-Richtlinie schiebt das Open Banking kräftig an. Dank einheitlicher Vorgaben sollen alle Anbieter die Märkte der EU besser erschließen können. Insbesondere Fintechs erhalten durch die PSD II Auftrieb. » Nach unseren Prognosen könn- te das die etablierten Geldhäuser im Retailgeschäft bis zu 40 Pro- zent ihres Gewinns kosten. « Sebastian Steger, Roland Berger 228 www.fondsprofessionell.at | 4/2018 bank & fonds I psd II
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