FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018
Geschäftsleute, die viel reisen, oder wenn die Familie international lebt, wie es oft der Fall ist. Für sie ist es zum Beispiel wichtig, dass sie über alle Karten den Überblick haben und sehen, dass keine ge- hackt wurde oder dass man alle Zahlungen wirklich selbst getätigt hat. Ich war gerade in den USA, und als ich dort zum ersten Mal die Karte zum Zahlen benutzt habe, habe ich eine E-Mail bekommen: „Diese Transaktion ist zu uns gelangt, wenn das eine betrügerische Aktion war, dann kön- nen Sie sich an diese Telefonnummer wenden. – Ansonsten shoppen Sie weiter.“ Das fand ich sehr gut, das hat mich beru- higt, dass sich jemand kümmert. Kaucic: Man kann künftig noch genauer über alle Anwendungen hinweg servicie- ren: wenn eine Kreditkartentransaktion in den USA stattfindet und eine Minute spä- ter auf der EC-Karte in Brasilien. So etwas wird ja erst möglich, indem man alle Da- ten auf einen Blick einsieht. Am anderen En- de gibt’s in England eine Open-Banking-An- wendung, die sagt: Sperre meine Karte, wenn ich über 100 Euro für Alkohol ausgegeben ha- be. Man kann so etwas aber für viele Lebens- bereiche aufbereiten. Solche Kontrollbedürf- nisse kann man mit Open Banking gut bedie- nen. Das andere ist, dass man Produkte ganz anders verkaufen kann. Zum Beispiel könnte man jemandem eine Versicherung anbieten, weil man sieht, er hat sich ein Ticket für den Skilift gekauft. Die Fondspaletten in den Banken wer- den gerade sehr stark verknappt. Unter PSD II wird es für Robo-Advisors leich- ter, anzudocken und alternative Ange- bote zu liefern. Aber auch konventionelle Dienstleister können einfacher sagen, zeig mir deine gesammelten Konten, und ich biete dir eine Alternative zum einge- schränkten Angebot der Bank. Sind das realistische Szenarien unter PSD II? Kaucic: Das kommt auf das Segment an. Im Retail sind ja oft Fondslisten mit 20 Titeln schon zu viel. Wir haben eine Umfrage ge- macht, da zeigt sich, dass gerade Millennials sagen, sie investieren nicht – erstens weil sie anderes zu tun haben und zweitens weil sie sagen: „Ich versteh’s nicht.“ Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, das Produktangebot zu erweitern, sondern zu schauen, welche Kun- den habe ich und mit welchem Package kann ich ihnen eine sinnvolle Rendite bieten, die ihrem Risikoprofil entspricht. Eine Bawag packt zum Beispiel alles ganz in Boxen, eine „Ertragsbox“ eine „Vorsorgebox“. Das ist leichter zu verstehen, nicht nur für Kunden, auch für Berater. Wir sehen ja oft, dass in den Kundenportfolios mehr das liegt, was der Berater mag, und es weniger vom Kunden abhängt. Das Hauptproblem ist: Wie bündelt man ein Angebot so, dass es einer breiteren Masse zugänglich wird? Wenn Sie fünf Jahre vorausdenken; Was wird PSD II am meisten verändert haben in Österreich? Chikova: Meine Hoffnung wäre, dass man mehr Angebote hat als heute, dass der Um- gang mit der Bank einfacher und bequemer ist, dass man preislich mehr Wettbewerb spürt. Kaucic : Ich stimme vollkommen zu. Als Bank ist das Spannende, wie ich neue Dienst- leistungen entwickeln und auch monetarisie- ren kann. Gerade im Retailsegment gibt es oft recht wenige Unterschiede bei den Produkten. Open Banking ist eine einzigartige Chance für die Banken, sich zu differenzieren und neue Geschäftsmodelle zu bauen, die sich von der klassischen Produktwelt abheben, die mehr in Richtung Dienstleistungen und Lösungen gehen, wo die Kunden tatsächlich einen Mehrwert sehen. Derzeit sehen die Kunden nur das Preisschild. Man muss in einer Indus- trie, wo man keine physischen Assets hat, sondern IT und Menschen, mehr in Dienst- leistungen und Lösungen denken. Chikova: Und langfristig wünschen wir uns eine Alipay-Lösung – eine Lifestyle-Plattform, die alles abdecken kann (Auf der „Super- App“ des chinesischen Zahlungsgiganten fin- det man alles vom Hotel über Essensgutschei- ne bis zur Vermögensverwaltung, Anm.). Vielen Dank für das Gespräch. EDITH HUMENBERGER-LACKNER | FP » Wir sehen oft, dass in den Kundenportfolios mehr das liegt, was der Berater mag (…). Das Hauptproblem ist: Wie bündelt man ein Angebot so, dass es einer breiteren Masse zugänglich wird? « Achim Kaucic, A.T. Kearney Achim Kaucic: „Im Retailsegment gibt es oft recht wenige Unterschiede bei den Produkten. Open Banking ist eine einzigartige Chance für die Banken, sich zu differenzieren und neue Geschäftsmodelle zu bauen.“ Achim Kaucic Achim Kaucic ist Principal bei A.T. Kearney. Er ist Experte für Digitalisierung und Geschäftsmodelltransformation so- wie für „Strategic Operations“ im Banken- und Versiche- rungsbereich (darunter fallen Vereinfachungsstrategien genau so wie Robotics). Darüber hinaus arbeitete Kaucic für mehrere Fintechs und Nichtbanken. Er hilft beim Auf- bau neuer digitaler Geschäftsmodelle. Kaucic studierte Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Unter- nehmenssteuerung und strategisches Management an der WU Wien sowie Jus am Juridicum Wien. 227 www.fondsprofessionell.at | 4/2018
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=