FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018

für einen Kunden. Wenn Sie heute zu einer Bank gehen oder zu einem Kreditvermittler, weil Sie eine Finanzierung brauchen, dann werden im Beratungsgespräch verschiedene Daten abgefragt und eine Haushaltsrechnung gemacht. Man muss zuerst verstehen: Was hat der Kunde eigentlich schon, was braucht er? In Deutschland gibt es ein Beispiel, da gehen Sie in die Bankfiliale und geben Ihre Konto- nummer und Log-in-Daten ein. Dann werden Ihre zwei, drei Konten, die Sie vielleicht ha- ben, aggregiert. Es kommt zu einer automati- schen Auswertung, eine Haushaltsrechnung wird erstellt, ein Credit Scoring hängt noch dran. Der Berater sieht gleich, wie viel er dem Kunden geben kann, und er kann sich dann darauf konzentrieren, ein echtes Beratungs- gespräch zu führen. Er muss sich nicht mit administrativen Tätigkeiten beschäftigen. PSD II kann durch Möglichkeiten wie die Konten- zusammenführung den Beratungsprozess er- leichtern. Das ist auch eine Chance, Leute mit einem geringeren verfügbaren Betrag besser zu betreuen. Man sieht gleich, der Kunde kann 200 Euro investieren, und man kann die Zeit sinnvoll für die Beratung nutzen. Und im Versicherungsbereich? Kaucic: Im Versicherungsbereich geht es eher um eine Analyse der bestehenden Verträge. Der typische Kunde weiß nicht, ob er genug oder zu wenig Versicherungen hat, er unter- oder überversichert ist. Hier kann man zum Beispiel Versicherungsbenchmarking machen und sagen, jemand, der in IhremAlter ist, und Ihren Lebensstil hat, hat typischerweise diese Versicherung, Ihnen fehlen diese drei Baustei- ne. Man kann in eine Mikrosegmentierung gehen. In Australien gibt es den Dienst „People like me“. Da können Sie nachsehen: Ich bin 31 Jahre alt, Unternehmensberater und reise gern, was geben andere Unternehmens- berater, die gern reisen, aus (lacht)? Das ist jetzt überzeichnet gesprochen, aber da be- kommt man ein Crowd-Feedback. Das als Einzelnes wird natürlich niemanden vom Hocker reißen, aber es gibt einfach diese Möglichkeiten, und es kommt dann darauf an, wie man das aufbereitet. Chikova: Was die Vermögensberatung betrifft, hat unsere Studie einen interessanten Punkt gezeigt: Kunden in höheren Einkommens- gruppen würden Daten an Dritte eher wei- tergeben – unter zwei Voraussetzungen: mit Abstand am ehesten, wenn es der Betrugs- vermeidung dient, wenn es um die Analyse von betrügerischen Aktionen geht. Und der zweite Aspekt waren Kreditentscheidungen: Wenn man den Kunden schneller eine Rück- meldung gibt, ob sie überhaupt und zu wel- chen Konditionen sie einen Kredit bekom- men, dann geben sie Daten weiter. Vermögen- de Kunden nehmen überdurchschnittlich viele Hypothekenkredite auf. Wer eine Erstwoh- nung kauft, eine Vorsorgewohnung und an- dere Immobilien, für den ist diese Kreditprü- fung sehr wichtig. Und manchmal ist wahr- scheinlich Zeit dabei ein wichtiger Faktor. Das sind zwei Punkte, die für die Banken inter- essant wären. Wären auch traditionelle Private-Ban- king-Kunden bereit, solche Services anzunehmen, wo ihnen die Bank auto- matisierte Produktangebote um die Ver- mögensverwaltung herum gruppiert? Kaucic: Vielleicht interessiert es einen Pri- vatbankkunden weniger, dass man seinen Stromvertrag aufgrund des Verbrauchs opti- miert (Manche europäische Banken haben da- mit experimentiert, Anm.), aber wenn er ein tolles Immobilienobjekt vor sich hat und er kann auf eine automatisierte Kreditantrags- strecke zurückgreifen und hat sofort die Finanzierung gesichert, dann interessiert das diesen Kunden. Chikova: Beim Thema Stromvertrag haben wir in unserer Studie keine Unterschiede zwi- schen vermögenden oder durchschnittlichen Kunden festgestellt. Es ist aber aufgrund des Lebensstils bei vermögenderen Kunden sehr nachvollziehbar, dass Sicherheitsanwendun- gen an oberster Stelle stehen. Zum Beispielfür Daniela Chikova sagt, dass Sicherheitsanwendungen für vermögende Kunden am wichtigsten sind. Im Rahmen von PSD II sind Alarmservices denkbar, die alle Zahlungsströme auf den verschiedenen Konten und Karten im Blick haben. » Kunden mit höherem Vermögen würden Daten an Dritte eher weitergeben, wenn damit Betrug vermieden wird und wenn es um schnellere Kreditentscheidungen geht. « Daniela Chikova, A.T. Kearney Foto: © Marlene Fröhlich für LuxundLumen Daniela Chikova Partnerin bei A.T. Kearney in Wien. Chikova verfügt über 20 Jahre Beratungs- und Industrieerfahrung und hat in zahlreichen Ländern gearbeitet. Sie ist Bankexpertin mit Fokus auf Unternehmensstrategie, Design, Multi-Chan- nel-Vertrieb und Steigerung der kommerziellen Produk- tivität. Chikova leitet das European Retail Banking Com- petence Center von A.T. Kearney. Sie erwarb ihren MBA an der Goizueta Business School (Emory University, USA) und ihren BA in Betriebswirtschaft und Journalismus an der Amerikanischen Universität in Bulgarien. bank & fonds I daniela chikova und achim kaucic | kearney 226 www.fondsprofessionell.at | 4/2018

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