FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018

Absolut gesehen haben sich unsere SRI-In- vestments verdoppelt. Dieses Segment wächst also deutlich schneller als die Gruppe insge- samt. Hinzu kommt, dass wir seit Kurzem bei allen Fonds Titel aus drei Sektoren ausschlie- ßen: erstens Unternehmen, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit Kohle erwirt- schaften, zweitens Hersteller kontroverser Waffen und drittens den Tabaksektor, der immerhin für zwei Prozent des Weltaktien- index MSCI World steht. Abgesehen von diesen Ausschlusskrite- rien spielt Nachhaltigkeit beimManage- ment der normalen Fonds keine Rolle? Doch. Die Portfoliomanager berücksichtigen ESG-Kriterien bei der Bewertung ihrer Invest- ments. Wir sind überzeugt davon, dass ein ESG-Filter hilft, die finanzielle Performance zu verbessern. Warum das? Weil es hilft, Chancen und Risiken zu erken- nen, die mit der reinen Finanzanalyse nicht sichtbar sind. Candriam hat untersucht, wel- cher Anteil der Marktkapitalisierung der S&P- 500-Unternehmen auf immaterielle Vermö- genswerte zurückgeht. Vor 20 Jahren waren das nur 30 Prozent, inzwischen sind es 85 Prozent. Dort lauern Risiken, die mit den her- kömmlichen Kennzahlen nicht zu greifen sind. Nehmen Sie den Datenschutz: Beispiels- weise Facebook sollte dieses Thema ernster nehmen, um den Firmenwert zu schützen. Der ESG-Filter ist also ein Teil des Risi- komanagements? In diesem Fall ja. Ein gutes Beispiel ist der Kohlendioxidausstoß. Noch wird kaum be- achtet, wie hoch die Kohlendioxidemissionen eines Unternehmens sind. Doch eines Tages dürfte es eine Steuer auf diese Emissionen ge- ben. Nur wer dieses Risiko frühzeitig berück- sichtigt, erspart sich später eine böse Überra- schung. Das ist ein weiterer Aspekt des nach- haltigen Investierens, der neben unsere eigent- liche Philosophie tritt, als Asset Manager Ver- antwortung dafür zu übernehmen, dass Dinge finanziert werden, die einen positiven Ein- fluss auf unsere Gesellschaft haben. Sind bei Candriam ESG-Kriterien über- all in den Investmentprozess integriert? Bei unseren Absolute-Return-Fonds noch nicht, doch auch dort werden wir die Prozesse innerhalb der nächsten beiden Jahre ändern. Was meinen Sie: Wird eines Tages fast jeder Fonds einen ESG-Stempel tragen? Ja, in zehn Jahren wird das so sein. Dann wer- den ESG-Aspekte ein ganz normaler Teil der Unternehmensbewertung sein. Doch es wird weiterhin große Unterschiede geben, was die Qualität der Nachhaltigkeitsanalyse anbelangt. Es gibt ja bereits heute unzählige Indizes und Rankings, die dieses Modewort im Namen tragen. Unser Vorteil ist, dass wir schon seit 20 Jahren ESG-Daten zu 3.500 Unternehmen sammeln. Wir haben die UN-PRI, die Prin- zipien der Vereinten Nationen für verantwort- liches Investieren, bereits 2006 unterzeichnet. Plötzlich ist Nachhaltigkeit für jeden ein The- ma. Ich bin froh darüber. Denn je mehr Asset Manager sich entsprechend engagieren, desto größer sind die Auswirkun- gen auf die Realwirtschaft. Ist Nachhaltigkeit eher ein Lippen- bekenntnis? Oder steigt die Nachfra- ge seitens der Anle- ger tatsächlich? Die Nachfrage steigt rasant. Der Markt für ESG-Investments hat in den vergangenen vier Jahren um 25 Prozent per annum zugelegt. Noch ist der Markt von in- stitutionellen Investoren geprägt, sie machen rund 70 Prozent des Vo- lumens aus. Aber die Privatanleger holen auf. Insbesondere die Generation der Millennials hat gemerkt, dass es nicht weitergehen kann wie bisher. Der „Earth Overshoot Day“ findet jedes Jahr früher statt, zuletzt am 1. August. Seit diesem Tag verbraucht die Menschheit innerhalb eines Jahres mehr Ressourcen, als es die Erde auf lange Sicht verkraftet. Die Jugend möchte das ändern und reagiert auch bei der Geldanlage darauf. Wie groß ist Ihrer Meinung nach der Schub, den die Europäische Union mit ihrem Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen geben kann? Wir finden es gut, dass die EU-Kommission vorangeht. Schade ist allerdings, dass es bei wichtigen Themen innerhalb der Europäi- schen Union immer noch kein koordiniertes Vorgehen gibt, sondern die einzelnen Länder nach wie vor ihr eigenes Süppchen kochen. Es tut sich was, aber womöglich nicht schnell genug. Dabei dürfen wir keine Zeit verlieren: Wir sind die erste Generation, die vom Klimawandel betroffen ist, und vielleicht die letzte, die etwas dagegen unterneh- men kann. HerrAbou-Jaoudé, vie- len Dank für das Ge- spräch. BERND MIKOSCH | FP 221 www.fondsprofessionell.at | 4/2018

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