FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018

Marsawah: Ich glaube zudem, dass es auf die Art des jeweiligen Index ankommt. Wenn ich als deutscher Anleger in den Dax investiere, dann muss ich mir dessen bewusst sein, dass ich mit 30 Titeln sicher keine ausreichende Diver- sifikation in meinem Portfolio haben werde. Wenn ich mir über einen Index ein Welt- portfolio aufbauen möchte oder auch be- wusst in ganz bestimmte Sektoren wie etwa Pharma über einen SMI-Index investieren möchte, dann ist ein Index durchaus dafür geeignet. Was in den vergangenen Jahren zu beobachten war, das ist die funktionale Ver- änderung bei Indizes. Wurden sie früher le- diglich als Messlatte für einen bestimmten bestehenden Markt herangezogen, sind mit der zunehmenden Vielfalt bei ETFs mehr und mehr neue Indizes entstanden, die lediglich als Underlying für bestimmte ETFs dienen. Damit lassen sich zum Teil durchaus interessante Risi- ko- oder Illiquiditätsprämien abgreifen. Auch auf der Bondseite gibt es inzwischen einige durch- aus interessante Produkte. Haas: Wobei in Bezug auf Bond-Indizes die Tat- sache, dass ein Staat eine umso höhere Gewich- tung erhält, je höher seine Verschuldung ist, mei- ner Ansicht nach schon per se beängstigend ist. Marsawah: Viele Bond-Indizes sind natür- lich nicht für Durchschnittsanleger geeignet, denn man muss sich schon sehr bewusst sein, was man tut. Aber eines steht für mich durchaus auch fest: Viele Rentenfonds- manager haben ein echtes Behavioral-Pro- blem gehabt. Sie haben sich häufig gewei- gert, die Konsequenz von Mario Draghis „Whatever it takes“ wirklich zur Kenntnis zu nehmen. Man hat es als Argument ver- wendet, um darüber zu schimpfen, dass es keine Zinsen mehr gibt. Aber man hat nicht gesehen, dass da ein Elefant im Raum ist, der dafür sorgen würde, dass die Renditen immer weiter gedrückt werden und damit die Kurse weiter steigen würden. Das haben viele Rentenfondsmanager verpasst. Mit einem Bond-Index ist man da teilweise sehr viel besser gefahren. Haas: Das ist schon richtig, aber es erinnert halt auch ein wenig an die Geschichte des Mannes, der aus dem 30. Stock fällt und an jedem Stockwerk, an dem er vorbeirauscht, beteuert, bis hierhin sei es noch gut gegan- gen. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass man als Anleger, nach vorn betrachtet, nicht mehr den Puffer aus einer gewissen Grund- rendite hat. Das ist etwas, was Bond-Anle- ger in Italien gerade auf die harte Tour erfahren. Oder anders gesagt: Wenn ich heute 30-jährige japanische Staatsanleihen kaufe, dann weiß ich zwar, was meine maximale Rendite in lokaler Währung sein wird, ich weiß aber nicht, wel- chen Pfad diese Entwicklung nehmen wird und wie hoch meine minimale Rendite in zehn Jah- ren ausfallen könnte. Deswegen finde ich es schwierig, reine Bond-Indizes einfach so zu ak- zeptieren, ohne mir Gedanken darüber zu ma- chen, ob ich wirklich Verschuldung als Quali- tätskriterium oder als positives Gewichtungskri- terium haben möchte. Külps: Insgesamt kann man schon sagen, dass es natürlich zunächst einmal darauf ankommt, dass ein Anleger sich sehr genau überlegt, wie sein Portfolio anhand seiner eigenen Rendite- Risiko-Bereitschaft tatsächlich aussehen sollte. Er sollte wissen, wann und wie viel Geld er vor- aussichtlich zu welchem Zeitpunkt benötigen wird, um einzuschätzen, wie die richtige Balance zwischen Aktien, Renten und anderen Assetklas- sen sein sollte. Wenn er das weiß, dann sind breit diversifizierte Indizes durchaus ein tolles Invest- ment, um eine entsprechende Strategie abzubil- den. Haas: Da muss ich kurz Einspruch erheben und die Frage stellen, wie hoch der Technologieanteil in typischen nach Marktkapitalisierung gewich- teten US-Aktien-Indizes heute ist und wie hoch dieser Anteil zur Jahrtausendwende war? Külps: Der war natürlich sehr viel höher … Haas: … weshalb aus meiner Sicht vieles im Zusammenhang mit Indexinvestments eine Fra- ge des Glaubens ist. Wenn ich daran glaube, dass der Markt dominiert wird von Anlegern, die ihre Informationen sozusagen fast kostenfrei für mich in die Kurse einbringen – anders gesagt, es herrscht eine von Eugene Fama beschriebene Welt der Informationseffizienz –, dann kaufe ich natürlich den Index. Wenn ich aber davon über- zeugt bin, dass der Markt dominiert wird von Verrückten, die für irrationale Übertreibungen sorgen, dann befinden wir uns in einer Situation, in der jede Blase, jede Übergewichtung von be- stimmten Produkten oder Dienstleistungen, die viel zu teuer sind, sich automatisch im Index niederschlägt. Bei Letzterem gruselt es mich als Anleger, einen Index zu kaufen. Das ist das Problem an Kapitalmärkten, sie funktionieren in Wirklichkeit in evolutionä- ren Zyklen, in denen bestimmte Ideen Mo- mentum gewinnen und andere Ideen durch die Performance dann ausradiert werden. Marsawah: Das Problem ist leider, dass die Fondsmanager genauso dieser Prozyklik un- terliegen. Was man wunderbar daran erkennt, dass, wenn ein Marktsegment nicht mehr läuft, die Produkte, die diesen Markt abdecken, oft ra- dikal vom Markt verschwinden. Wir haben uns zum Beispiel die Frage gestellt, warum japa- nische Large-Cap-Fonds in der jüngeren Zeit eigentlich so erfolglos waren. Ein Grund war natürlich zum einen die relativ schlechte Perfor- mance in diesem Marktsegment. Sie waren aber auch deshalb so erfolglos, weil in den vergange- nen 15 Jahren um die 70 Prozent der aktiven Aktienfonds, die den japanischen Markt abge- Christian Machts (Blackrock): „Ich glaube schon, dass wir nach wie vor eine Preissetzungsmacht am Markt haben.“ 104 www.fondsprofessionell.at | 4/2018 roundtable I aktiv/passiv Fotos: © Christoph Hemmerich » In dem Moment, da man eine angemessene Performance abliefert, ist der Kunde sogar unsensibel gegenüber dem dahinter stehenden Preis. « Christian Machts, Blackrock

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