FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2018
Pragmatisch war das dritte Stichwort, das Sie vorhin genannt haben. Was ist noch damit gemeint? Wir kombinieren die Einzeltitel- mit einer makroökonomischen Analyse. Ich bin fest da- von überzeugt, dass beides sehr wichtig ist. Zum einen halte ich eine Aktie nur dann, wenn ich wirklich von ihr überzeugt bin. Ich würde also nie blind Titel aus einem Sektor kaufen, nur weil ich dort ein besonderes Wachstumspotenzial vermute. Auf der ande- ren Seite wirkt eine gelungene Vorwegnahme makroökonomischer Tendenzen häufig wert- schöpfend. Unsere makroökonomischen Ein- schätzungen können beispielsweise bei der Gewichtung eines Titels im Portfolio eine Rolle spielen. Angenommen, ich habe einen supergünstigen Zykliker gefunden, den ich gern kaufen würde – aber mein Blick auf die Konjunktur sagt mir, dass es für solche Titel in den kommenden Monaten eher schwierig werden dürfte. Dann verschiebe ich den Kauf oder gehe nur eine kleine Position ein. Wich- tig ist die Makroökonomie aber insbesondere in Krisenperioden. Da hat sie uns in den ver- gangenen Jahren schon einige Male geholfen. Können Sie ein Beispiel nennen? In den Jahren 2011 und 2012 sah der Markt alles schwarz. Aber wir wollten nicht daran glauben, dass es den Euro bald nicht mehr ge- ben und Europas Wirtschaft nie wieder wach- sen würde. Wir hatten ausführlich mit Unter- nehmensvertretern, Politikern und auch Zen- tralbankern gesprochen und waren uns sicher, dass die Eurozone nicht untergehen würde. Darum habe ich damals kräftig in Finanzwer- te und Aktien aus der Euro-Peripherie inves- tiert. Kurzfristig hat das wehgetan, weil ich einige Monate zu früh auf diese Titel gesetzt hatte. Aber ich bin lieber etwas zu früh als zu spät. Einige Quartale später konnten wir die Früchte dann ernten. Wann ist der ideale Zeitpunkt, um eine Aktie zu kaufen? Unser Ziel ist es, Bewertungsanomalien zu finden – am besten mit einem Katalysator, der hilft, diese Anomalie aufzulösen. Handelt es sich beispielsweise um ein solides Unterneh- men, das weiter an Stärke gewinnt? Oder um eine schlechte Firma, die sich verbessert? Auch das kann ein gutes Investment sein. Interessant ist auch die Frage, ob sich ein Un- ternehmen bemüht, mit Blick auf Nachhaltig- keitskriterien besser abzuschneiden. Solche Fortschritte werden oft durch die Märkte belohnt. Für den richtigen Zeitpunkt ist wie erwähnt auch die Makroökonomie wichtig. Wir nehmen den Konjunkturzyklus und seine Bedeutung für das Geschäftsmodell eines Unternehmens sehr ernst. Als viertes Stichwort fiel vorhin „lang- fristig“. Wie lang ist langfristig für Sie? Wenn Sie unseren Portfolioumschlag heran- ziehen, dann investieren wir im Schnitt für drei Jahre in eine Firma. Es gibt aber auch Aktien, die ich schon seit zehn Jahren halte. Wie kommen Sie auf Investmentideen? Da gibt es mehrere Quellen. Wichtig ist, dass unsere Fondsmanager schon auf viele Jahr- zehnte Erfahrung zurückblicken. Die Teams sind sehr offen, wir tauschen uns häufig aus. In unserem Großraumbüro in Henley ist quasi die ganze Welt unter einem Dach versammelt. Dort sitzen Asienexperten genauso wie Anlei- henprofis. Wer eine Frage hat, geht einfach 87 www.fondsprofessionell.at | 1/2018 » Mit Blick auf die Bewertung lege ich Wert auf den Unterschied zwischen ›Valuation‹ und ›Value‹ – das mag sich haarspalterisch anhören, ist aber wichtig. « Jeff Taylor, Invesco
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