FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2017

tiges und strukturelles Wachstum insgesamt besser als der breite Markt entwickeln sollten. Dazu gehören aus unserer Sicht Firmen aus der Informationstechnologie, der Konsum- und Gebrauchsgüterbranche sowie aus dem Gesundheitsbereich und dem Chemiesektor. Heuser: ImAutomobilsektor differenzieren Sie aber offenbar deutlich zwischen Her- stellern und Zulieferern. Warum? Gebhardt: Wir sehen die Automobilhersteller einfach vor großen Herausforderungen. Hier spielt nicht nur das nach wie vor diskutierte Thema „Dieselgate“ und alles, was damit zu- sammenhängt, eine Rolle. Auch bei Themen wie E-Mobilität und dem autonomen Fahren haben die entsprechenden Unternehmen eine längere Phase sehr hoher Investitionen vor sich. Daher wird man sicher abwarten müs- sen, wie sich das am Ende in deren Bewer- tung niederschlagen wird. Aktuell sehen wir einfach sehr viel Gegenwind für die Auto- mobilhersteller. Heuser: Warum sind Sie für die Zulieferer optimistischer? Gebhardt: Einige Zulieferer weisen deutlich höhere Margen auf als die Autowerte selbst. Das liegt daran, dass sich die entsprechenden Unternehmen teilweise eine Marktposition er- arbeitet haben, die insofern einzigartig ist, als das Unternehmen über ein Alleinstellungs- merkmal verfügt, weil es niemanden gibt, der ein vergleichbares Produkt herstellt. Damit haben solche Unternehmen natürlich einen gewissen Schutz gegen den Druck der Auto- hersteller, die auf sie angewiesen sind. Neben größeren Zulieferern wie Continental oder Infineon halten wir zum Beispiel mit Stabilus ein Unternehmen im Fonds, das als Spezialist für Gasfedern und Dämpfer unter anderem Kofferraumheber herstellt. Auf den ersten Blick ist das ein eher unspektakuläres Bauteil, das zunächst nur in hochwertigen Fahrzeugen zum Einsatz kam, inzwischen aber auch in Mittelklassewagen und sogar in Agrarfahrzeu- gen eingesetzt wird. Das meine ich mit einem strukturellen Trend bei einem Produkt, das sich weiter verbreiten und mehr neue Anwen- dungen finden wird. So etwas ist natürlich interessant für uns. Glow: Wie sieht Ihr Analyseprozess aus, konkret gefragt: Wie findet eine Aktie den Weg ins Portfolio? Gebhardt: Neben der Analyse der wesentli- chen Finanzdaten im historischen Verlauf spielt natürlich zunächst die herkömmliche Wettbewerbsanalyse in Bezug auf Kunden- potenzial und Konkurrenzsituation, aber auch auf potenzielle Preissetzungsspielräume und eventuelle Eintrittsbarrieren, über die ein Un- ternehmen verfügt, eine wesentliche Rolle. Im Grunde also Standardthemen, um festzustellen, wie stark das Geschäftsmodell eines Unter- nehmens grundsätzlich ist. Was für uns dann aber als ganz wichtiger Faktor hinzukommt, ist der persönliche Kontakt zum Unternehmen und vor allem dessen Führungspersonen, um uns in Form von Conference Calls oder besser noch Einzelgesprächen intensiv auch direkt mit dem Unternehmen und seinem Manage- ment auseinanderzusetzen. Das hilft in jedem Fall, um in bestimmten, eventu- ell auch heiklen Situationen besser be- urteilen und einordnen zu können, war- um eine bestimmte Entscheidung so oder so getroffen wurde. Heuser: Aber wie gehen Sie damit um, dass Sie bei Ihrem neuen Arbeitgeber kaum über die gleichen Researchmöglichkeiten verfügen dürften wie bei einer Deutschen Asset Management? Gebhardt: Das würde ich so gar nicht gelten lassen. Unser Team ist mit inzwischen zwölf Mitgliedern, die sich mit europäischen Aktien inklusive Nebenwerten auseinandersetzen, keineswegs klein. Damit sind wir nicht viel weniger stark aufgestellt als die Großen der Branche. Und mit den jüngsten Neuzugängen Matthias Born und Peter Kraus sowie An- dreas Strobl und unseren Nebenwerteexperten verfügen wir inzwischen über eine schlagkräf- tige Mannschaft mit einem insgesamt sehr langjährigen Erfahrungsschatz, den man der- zeit aus meiner Sicht nur als einzigartig in der Branche bezeichnen kann. Glow: Der neue Aktien Strategie Deutsch- land soll aber offenbar nicht in die Vermö- gensverwaltungslösungen von Berenberg integriert werden. Warum? Gebhardt: Wir haben uns bewusst gegen eine fixe Integration des neuen Fonds entschieden, weil wir der Ansicht sind, dass ein speziell auf den deutschen Aktienmarkt ausgerichteter Fonds nicht unbedingt zu einer europäisch orientierten Vermögensverwaltungsstrategie passt. Zumal deutsche Aktien über Bausteine wie europäische Small Caps oder europäische Micro Caps zum Teil ohnehin vertreten sind. Wer gezielt eine auf deutsche Aktien ausge- richtete Spezialität als zusätzlichen Rendite- treiber in seiner Vermögensverwaltung einset- zen möchte, kann das selbstverständlich gerne tun. 54 www.fondsprofessionell.at | 4/2017 Henning Gebhardt: „Wir werden auch mit dem neuen Portfolio etwas sportlicher unterwegs sein als der Markt. Anleger müssen sich dessen bewusst sein, dass wir Nebenwerte in einer relativ hohen Quote im Fonds haben.“ » Grundsätzlich werden wir auch beim Thema Risikomanagement neue Wege gehen. « Henning Gebhardt, Berenberg AM KREUZ VERHÖR Alle Fotos: © Christoph Hemmerich markt & strategie I fondsmanager im kreuzverhör

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=