FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2017
4 www.fondsprofessionell.at | 4/2017 brief der herausgeber V or wenigen Wochen jährte sich ein Ereignis, an das sich nur die ältesten der heute noch aktiven Marktteilnehmer erinnern können: der Crash vom 19. Oktober 1987. Vor 30 Jahren wur- den US-Aktien am „Schwarzen Montag“ innerhalb eines Handels- tages um mehr als 22 Prozent billiger. Dieser Schock löste auch an anderen Handelsplätzen rund um den Globus massive Kursverluste aus: So verlor etwa der australische Aktienmarkt in der Folge mehr als 40 Prozent an Wert, Neuseeland sogar 60 Prozent. Wie wir heute wissen, endete die Geschichte insofern gut, als der US-Aktienmarkt die Verluste binnen 15 Monaten wieder aufholte. Über die wahren Ursachen dieses Crashs wurde viel spekuliert, restlos aufgeklärt wur- den sie aber nie. Von Anfang an standen aber die damals erstmals im größeren Stil eingesetzten Computerhandelssysteme im Verdacht, we- sentlichen Anteil amAbsturz beziehungsweise dessen Ausmaß gehabt zu haben. Ob die Portfolio-Insurance-Systeme nun tatsächlich der Auslöser oder nur ein Verstärker der Katastrophe waren, ist nur für Historiker interessant. Aktuell lautet die Frage: Bauen sich derzeit infolge der massiven Automatisierungsbemühungen in der Finanz- branche neue Risiken auf, die ähnliche Schocks wie jenen des Jahres 1987 auslösen können? Das Financial Stability Board, ein internationales Gremium, das die Stabilität der Finanzmärkte kontrollieren und fördern soll, publi- zierte Anfang November eine Analyse, die hier durchaus Gefahren beschreibt. Der anhaltende Trend zur Automatisierung im Banken- und Versicherungsgeschäft könne auch für böse Überraschungen sor- gen. Weltweit versuchen Finanzinstitute mithilfe von künstlicher In- telligenz (Artificial Intelligence) und maschinellem Lernen (Machine Learning) unterschiedlichste Aufgaben kostengünstiger zu erledigen. Das reicht von der Bonitätsanalyse von Kreditnehmern über die Be- preisung von Versicherungsverträgen bis zur automatisierten Kom- munikation mit Kunden. Man muss sich nur die große Zahl von Fin- tech-Unternehmen vor Augen führen, um zu erkennen, welche Aus- maße der Trend hat. All diese Technologien weisen auch nach Ansicht des FSB viele Vorzüge und Potenziale auf. Die effizientere Daten- verarbeitung in den Bereichen Kreditprüfung, Versicherung und In- vestments könne zu einer höheren Effizienz des Finanzsystems füh- ren, allerdings bestehe auch die Gefahr unerwünschter Auswirkungen. Im Investmentbereich sind vor allem Back-Testing-Modelle und quantitative Handelsansätze kritisch zu sehen, die von immer mehr Marktteilnehmern genutzt werden. Das FSB schreibt dazu: „In eini- gen Ländern wie etwa den USA erlaubt die Marktaufsicht börseno- tierten Unternehmen die Nutzung von sozialen Medien zur Publika- tion öffentlicher Bekanntmachungen. Neben der Bereitstellung digi- talisierter Finanzdaten für maschinelles Lernen ermöglicht es die Computerisierung, dass auf künstlicher Intelligenz basierende Algo- rithmen direkt an den Märkten agieren. Sie können in Realzeit kom- plexe Kauf- und Verkaufsaufträge erteilen, vielfach ohne dass hier noch Menschen eingreifen.“ Problematisch sei die Limitierung von Algorithmen auf die Auswertung historischer Daten. Weil sie nur nach Mustern suchen können, die in der Vergangenheit Prognosequa- lität hatten, seien sie dafür anfällig, bei Fehlinformationen falsch zu reagieren. Als Beispiel werden Fake News angeführt, die im April 2013 über Twitter verbreitet wurden. Damals kam es bei Aktien, An- leihen und Währungen zu Kursbewegungen, weil fälschlicherweise über Explosionen imWeißen Haus berichtet wurde. Auch die Anzahl der Wertpapierumsätze, hinter denen automatisierte Handelsansätze stehen, steigt: „Quant-Fonds verwalten rund eine von den etwa 40 Billionen US-Dollar, die von Fondsgesellschaften gemanagt werden. Der Marktanteil der Quant-Fonds hat sich in den Jahren seit der Krise nicht drastisch verändert, die Anzahl der von Quant-Fonds durchgeführten Trades hat sich aber zwischen 2013 und 2016 von 13 auf 27 Prozent erhöht.“ Das Forum für Finanzstabilität weist schließlich auch darauf hin, dass viele dieser neuen Systeme in einem Umfeld geringer Volatilität entwickelt wurden, sodass sie unter Um- ständen in einem stärkeren wirtschaftlichen Abschwung oder einer Finanzkrise nicht in der Lage sein werden, die richtigen Handlungen zu setzen. Man muss angesichts der neuen Technologien sicher nicht schwarzsehen, darf aber nicht vergessen, dass ausnahmslos jede Sache Vor- und Nachteile hat. Und worin die Nachteile der neuen Technologien bestehen, wissen wir bisher noch nicht. Wir wünschen Ihnen an dieser Stelle ein erfolgreiches Jahres- endgeschäft, angenehme Feiertage, und wir hoffen, Sie einmal mehr erholt am FONDS professionell KONGRESS begrüßen zu dürfen. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Die aktuelle Euphorie für Künstliche-Intelligenz-Lösungen, Robo-Advisors und Co. in der Investmentbranche sollte nicht über die damit verbundenen Gefahren hinwegtäuschen. Sind Robos gefährlich? Foto: © Marlene Fröhlich Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=