FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2017
227 www.fondsprofessionell.at | 4/2017 2. Zum Markt: Neben den Produkt- eigenschaften wird künftig ein grundlegen- des Verständnis der Finanzmärkte verlangt. Berater sollen verstehen, wie die Finanz- märkte funktionieren und wie sich deren Entwicklungen auf den Wert der angebote- nenAnlageprodukte des Kunden auswirken können. Dies umfasst ein Verständnis vom Einfluss verschiedener wirtschaftlicher Kennzahlen sowie globaler, nationaler beziehungsweise regionaler Ereignisse auf die Märkte und auf den Wert der Anlage- produkte. Der Berater muss außerdem den Unter- schied zwischen vergangenen und zukünf- tigen Wertentwicklungsszenarien sowie die Grenzen der vorausschauenden Prognosen kennen. Die für das Anlageprodukt relevan- ten Daten, etwa Anlegerinformationen, Pro- spekte und Finanzdaten, sind zu bewerten. Hierbei wird das Verständnis der spezifi- schen Marktstrukturen und Kenntnisse der Handelsplätze sowie allfälliger Sekundär- märkte verlangt. Auch die Bewertungs- grundsätze, die dem Produkt zugrunde liegen, müssen den Beratern ein Begriff sein. Nicht zu vergessen sind die Aspekte des Marktmissbrauchs und die Bekämp- fung der Geldwäsche. Noch höhere Anforderungen An das Niveau und Ausmaß der Kenntnisse und Kompetenzen von Kundenbetreuern, die anlageberatend tätig sind, sollen laut ESMA und FMA noch höhere Anforderungen gestellt werden als an jene, die lediglich Informatio- nen über Anlageprodukte und Wertpapier- dienstleistungen erteilen. Daher sollen Anla- geberater neben den oben genannten Kennt- nissen und Kompetenzen über das Produkt und den Markt zukünftig auch über folgendes Wissen verfügen: 1. Zur Geeignetheit des Anlagepro- dukts: EinAnlageberater muss die Eignung beziehungsweise Geeignetheit des empfoh- lenen Finanzinstruments unter Berücksich- tigung der einschlägigen ESMA-Leitlinien beurteilen können. Er muss einschätzen können, ob das vom Rechtsträger angebo- tene Produkt für den Kunden möglicher- weise nicht geeignet ist. 2. Zur Portfolioverwaltung: Sofern es vom Rechtsträger, für den der Anlageberater tätig ist, angeboten wird, muss er über grundlegende Kenntnisse der Portfolio- verwaltung verfügen. Dazu zählt auch die Fähigkeit, die Auswirkungen der Diver- sifikation, bezogen auf individuelle Anlage- alternativen, verstehen zu können. 3. Zu den Kosten: Neben der Kenntnis der Kosten und Gebühren, die für den Kun- den im Zusammenhang mit der Art des empfohlenen Anlageprodukts insgesamt anfallen, wird auch ein Wissen über jene Kosten, die durch die Beratung und andere damit zusammenhängende Dienstleistun- gen entstehen, verlangt. Aus den geforderten Qualifikationen geht hervor, dass Berater, die dem Kunden ledig- lich Informationen über Produkte oder Wertpapierdienstleistungen anbieten, über eine grundlegende Kenntnis des Produkts und des Marktes verfügen müssen. Die Kompetenzen eines Anlageberaters müssen hingegen noch umfassender sein. Dieser muss zusätzlich zu den Produkt- und Marktkenntnissen in der Lage sein, das Pro- dukt individuell auf die Geeignetheit für den Kunden zu prüfen. Außerdem benötigt er noch genauere Kenntnisse der Kosten und muss – sofern angeboten – zur Port- folioverwaltung befähigt sein. Nur bei Bedarf Was bedeutet das nun für die Praxis? Auch darauf hat die FMA in ihrem Rund- schreiben eine Antwort: Die Kundenbe- treuer haben die für ihre Funktion verlangten Kenntnisse und Kompetenzen durch das Absolvieren von Ausbildungen zu erwerben. Durch das positive Ablegen von Prüfungen zu den einzelnen Lerninhal- ten müssen die Lernziele nachgewiesen werden. Dazu stellt sich die Frage, wie die Rechtsträger mit ihrer Ansicht nach bereits qualifizierten Mitarbeitern umzugehen haben. Müssen sie trotzdem dafür sorgen, dass diese eine Ausbildung zu den Lernin- halten absolvieren? Die Antwort der FMA ist: grundsätzlich nein. Der Rechtsträger hat zu evaluieren und zu dokumentieren, inwieweit die Mitarbeiter und Vertriebspart- ner zum Stichtag 3. 1. 2018 über die erfor- derlichen Kenntnisse verfügen. Nur bei Bedarf hat er zu veranlassen, dass fehlende Kenntnisse nachgeholt werden. Vorausset- zung dafür ist, dass ein betroffener Berater durch seine vorherige Tätigkeit erfolgreich nachgewiesen hat, in der Lage zu sein, die einschlägigen Dienstleistungen zu erbrin- gen. Dabei stellt die FMA auf eine „ange- messene Erfahrung“ über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten auf Vollzeit- basis ab. Verfügen die betroffenen Mitarbeiter nicht über die Kenntnisse und Kompeten- zen für das Erbringen der Dienstleistungen, so hat dies zur Folge, dass sie die Dienst- leistungen nur unter Aufsicht erbringen dürfen. Dabei soll das Ausmaß der Aufsicht an die Qualifikation und Erfahrung des zu beaufsichtigenden Mitarbeiters ausgerichtet werden. Beaufsichtigt werden können sie etwa während eines Kundentreffens oder auch bei anderen Formen der Kommunika- tion wie Telefongesprächen und E-Mails. Wichtig ist, dass die Aufsicht habende Person über die erforderlichen Kenntnisse und Kompetenzen verfügt und die Ressour- cen hat, um als kompetente Aufsichtsperson fungieren zu können. Ein Mitarbeiter, der nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Kompetenzen verfügt, darf längstens zwei Jahre Dienstleistungen unter Aufsicht erbringen. 15 Stunden pro Jahr Nach den Vorgaben der ESMA und FMA haben die Rechtsträger zukünftig mindes- tens einmal jährlich den Weiterbildungs- und Erfahrungsbedarf ihrer betroffenen Mitarbeiter zu prüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um die Qualifi- kationsanforderungen zu erfüllen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Mitar- beiter angemessen qualifiziert sind, die Kenntnisse und Kompetenzen gewahrt blei- ben und sie auf dem neuesten Stand agieren können. Die dafür erforderlichen Schulun- gen haben im Ausmaß von mindestens 15 Stunden zu je 60 Minuten pro Jahr stattzu- finden. Sofern die Rechtsträger eine externe Stelle damit beauftragen, die angemessene Qualifikation der relevanten Mitarbeiter zu überprüfen, so bleibt dennoch die Letztver- antwortung beim Rechtsträger. Den Rechtsträgern ist damit zu raten, ab spätestens 3. Jänner 2018 in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter und Ver- triebspartner zu investieren. Andernfalls setzen sie sich dem Risiko aus, eine Verwal- tungsübertretung zu begehen, die von der FMAmit Geldstrafen bis zu fünf Millionen Euro bestraft werden kann. Die Autoren Mag. Christian Lenz, Rechtsanwalt, und Mag. Christina Hauser, Rechtsanwaltsanwärterin, arbeiten bei der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanz- lei Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH. Die Kanzlei bietet auch rechtliche Schulun- gen für Anlageberater an. FP
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