FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2017

Menschen, die davon gesteuert werden, tun vieles in ihrem Leben, um anderen Menschen zu helfen oder sie zu unterstützen. Diese Men- schen können nicht weghören. Sie nehmen wahr. Da ihr zentrales Motiv also ist, anderen Menschen in Problemsituationen zu helfen, ist es für diese Menschen ein Stück Selbstver- wirklichung, wenn sie einem Freund eine Empfehlung für einen neuen Vermögensver- walter geben, wenn sie beispielsweise davon hören, dass der Freund mit seinem alten Berater unzufrieden ist oder aber seine Bank sich aus der Fläche zurückzieht. Wann ist der beste Zeitpunkt, um Kun- den nach Empfehlungen zu fragen? Es gibt keinen richtigen oder falschen Zeit- punkt. Es gibt nur den Zeitpunkt, zu dem sich der Berater zutraut, das Thema anzusprechen. Das kann sich mitten aus einer Beratungs- situation heraus ergeben oder schon beim Smalltalk zu Beginn des Gesprächs, es kann das Aufgreifen eines Signals sein oder voll- kommen aus dem Kontext des Beratungspro- zesses gerissen. Es gilt wie erwähnt, dass je- der Berater seinen eigenen Stil finden sollte. In Ihrem Buch gibt es einen Abschnitt, indem Sie beschreiben, dass auch ein Kollege dabei helfen kann, die Arbeit des Beraters zu erleichtern. Was meinen Sie damit konkret? Vielen Beratern fällt es schwer, für sich selbst um etwas zu bitten. Weshalb soll man sich nicht gegenseitig unterstützen? Den Hörer in die Hand nehmen und den Kunden des Kol- legen anrufen nach dem Motto: „Guten Tag, Herr Urian! Sie waren heute Vormittag bei meinem Kollegen. Er ist heute für den Rest des Tages bei Terminen und hat mich gebeten, Sie noch um einen Gefallen zu bitten …“ Den gleichen Ansatz können auch Vertriebs- assistenten verfolgen. Weshalb sollen nicht auch diese Kollegen und Kolleginnen ihrem Berater, dem sie zugeordnet sind, in dieser Form assistieren? Was halten Sie davon, ausgewählten Kunden einige Visitenkarten in die Hand zu drücken und um Weitergabe an Freunde oder Bekannte zu bitten? Nichts. Warum? Niemand kontrol- liert oder verfolgt, was mit dieser Visitenkarte passiert. Niemand spricht den Kunden beim nächsten Termin darauf an, was er mit der Visitenkarte gemacht hat. Es ist also eher ein Alibiverhalten: „Ich habe ja was gemacht.“ Und siehe da: Nichts ist passiert. Was halten Sie davon, wenn der Chef Textbausteine vorformu- liert, die Berater in der Akquise einsetzen sollen? Weniger als nichts. Es ist die per- fekt umgesetzte Entmündigung des Mitarbeiters und falsch interpretier- te Mitarbeiterorientierung. Wobei ich betonen möchte, dass nicht nur die Führungskräfte schuld sind. Die machen in aller Regel einen guten Job. Es fehlt Ihnen vielfach nur das Wissen, worauf es ankommt. Können Sie uns ein Beispiel für eine kreative Umsetzung des Empfeh- lungsmarketings in der Praxis nennen? Gerne gebe ich Ihnen ein Beispiel aus der täg- lichen Praxis. Viele Berater sind häufig auf Fortbildungen zu unterschiedlichen Themen und sprechen im Rahmen des Smalltalks mit Kunden darüber. Das ist gut und richtig. Wa- rum nicht auch das Seminar zum Thema Empfehlung als Gesprächsgegenstand wäh- len? Oder das letzte Team- oder Vertriebsmee- ting, auf dem über das Thema Expansion oder Wachstum gesprochen wurde? Man kann über die kontroversen Diskussionen im Kol- legenkreis berichten und die Vermutung, dass Kunden gar nicht auf das Thema angespro- chen werden wollen. Dass man selbst ja auch der Meinung ist, dass Kunden eigentlich keine Empfehlungen aussprechen wollen, es im letzten Meeting aber keine einheitliche Mei- nung dazu gab. „Deshalb würde mich einmal Ihre Meinung interessieren, Herr oder Frau Kunde. Wie sehen Sie das Thema?“ Hier gibt es dann nur zwei Antworten. Wenn der Kunde sagt, für ihn sei das eigentlich kein Problem, kann ich loslegen. Sagt der Kunde etwas an- deres, kann ich antworten, dass ich froh bin, dieses Thema mit ihm besprochen zu haben. Alle haben ihr Gesicht gewahrt – und das Thema ist erfolgreich in der Praxis umgesetzt. Vielen Dank für das Gespräch. MARCUS HIPPLER | FP » Die meisten erfolgreichen Kunden haben ihre eigene Leistung ebenfalls über Mund-zu-Mund-Propaganda oder Empfehlung verkauft. « Gisbert Straden, Vertriebstrainer bank & fonds I gisber t straden | ver triebstrainer 220 www.fondsprofessionell.at | 4/2017 Foto: © Photoatelier Pfeil Gisbert Straden, Vertriebstrainer: „Vom Chef vorformulierte Textbausteine für die Akquise? Das ist die perfekt umgesetzte Entmündigung des Mitarbeiters und falsch interpretierte Mitarbeiterorientierung.“

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