FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2017

209 www.fondsprofessionell.at | 4/2017 Rentabilität ist aufgrund des ökonomischen Wettbewerbs zwischen vielen Akteuren nach oben beschränkt. Wenn jedoch einzelne Asset Manager immer größere Datenmengen ana- lysieren, kann sich für sie die Performance erhöhen.“ Dies geschieht dann auf Kosten anderer, schlechter informierter Marktteilneh- mer. „Dies ist das alte Phänomen des Infor- mationsvorsprungs, nach dem jeder am Kapi- talmarkt seit Jahrhunderten sucht – und manchmal auch findet“, so Stotz. Aladdin for Wealth Bis vor einigen Jahren war Aladdin institu- tionellen Anlegern vorbehalten, 2016 wurde das Angebot jedoch um eine Wealth-Manage- ment-Komponente ergänzt. Im Mai 2017 ver- kündete der Branchenriese, dass die Wealth- Management-Plattform erstmalig auch Privat- kundenberatern der UBS in den Vereinigten Staaten zur Verfügung gestellt wird. Die Be- rater greifen über eine endkundenfreundliche Angebotsmaske auf Teile des institutionellen Aladdin zu – basierend auf der umfangreichen Datenbasis, der Risikomaschine und den Tools zur Portfoliokonstruktion. „Wir haben Aladdin fit fürs Beratungsge- schäft gemacht“, sagt Christian Machts, Leiter des Blackrock-Retailgeschäfts in Deutschland, Österreich und Osteuropa. „Damit können Vertriebe ihre Endkundendepots analysieren und laufend überwachen sowie das Verhalten von Einzelportfolios in verschiedenen Kapi- talmarktszenarien simulieren.“ Nicht unumstritten Dass Blackrock nicht nur aufgrund der ho- hen Summen, die im Spiel sind, vereinzelt in die öffentliche Kritik gerät, ist kaum verwun- derlich. Der Einfluss des Systems ist nicht zu unterschätzen. So hat Blackrock mithilfe von Aladdin während der Lehman-Krise im Auf- trag der US-Regierung notleidende Wertpa- piere bewertet und war teilweise auch in den Verkaufsprozess eingebunden. Auch die Euro- päische Zentralbank nahm beim letztjährigen Bankenstresstest die Hilfe von Blackrock Solutions in Anspruch – dem Geschäftszweig des Vermögensverwalters, der Aladdin be- treibt. Rund 40 große Banken der Eurozone wurden auf riskante Kredite hin analysiert und einem Krisentest unterzogen. Laut EZB-An- gaben sei dabei die „Vertraulichkeit der Infor- mationen bei der Zusammenarbeit“ gewähr- leistet gewesen. Auch Blackrock versichert, dass das Beratungsgeschäft von anderen Tei- len des Unternehmens getrennt sei. Da Aladdin-Auswertungen als Grundlage für Investitionsentscheidungen zahlreicher Asset Manager dienen, besteht laut Meinung einiger Marktteilnehmer eine mögliche Gefahr für die Stabilität des Finanzsektors, sollte es zu einem Crash kommen. Da viele Verant- wortliche auf Basis der gleichen Daten Ent- scheidungen treffen, könnten sich negative Tendenzen verstärken – und eine Kettenreak- tion herbeiführen. Dieser Logik können sich die Verantwort- lichen von Blackrock nicht anschließen. „Aladdin sagt keinem Fondsmanager, was oder wann er etwas zu kaufen hat. Jede Orga- nisation kann selbst entscheiden, wie sie Alad- din gemäß ihrer eigenen Risikoüberlegungen einsetzt“, so Blackrock-Manager Kochansky. „Jeder Aladdin-Nutzer hat seinen eigenen Risikobereich, der sich das Modell anschaut und seine eigene Meinung als ‚Overlay‘ an- bringen kann.“ Auch von wissenschaftlicher Seite wird die Kritik zumindest relativiert. „Wenn die Plattform die einzige Entschei- dungsgrundlage ist, dann kann eine Gefahr entstehen, da die Gleichgerichtetheit von Anlegern zunehmen dürfte. Dies bedeutet, dass viele Asset Manager dazu tendieren, zu gleichen Zeiten ähnliche Wertpapiere zu kau- fen und zu verkaufen“, so Professor Stotz. „Ob sich das als Gefahr für die Finanzstabi- lität herausstellen wird, ist aber fraglich.“ Viele Branchenpraktiker sehen ebenfalls wenig Grund zur Beunruhigung. „Wir befin- den uns bereits seit Jahren in einem Gleich- lauf der Märkte“, so der Leiter des Fondsre- search einer deutschen Großsparkasse. „Fast alle Fondsmanager ziehen dieselben Daten, Variablen und Kennzahlen zurate. Auch das Auswahlprinzip der Wertpapiere gleicht sich.“ Nur ein paar einzelne kleine Anbieter, die Ni- schen abdecken, würden ausscheren. „Und nicht zuletzt ist das auch ein Kostenthema“, sagt der Experte. „Es kommt immer mehr zu einem Kompromiss zwischen Eigenleistung und Einkauf von Fremdresearch oder fremder Expertise. Ob man die Daten oder Analysen von Deka, Allianz oder Blackrock nimmt, macht da keinen großen Unterschied.“ Dennoch vertrauen nicht alle Investment- häuser auf Blackrocks Wunderkind. Nachdem der Pariser Asset Manager Amundi seinen Mitbewerber Pioneer übernommen hatte, ent- schieden die Franzosen, die Pioneer-Assets von rund 200 Milliarden Euro von Aladdin abzuziehen, um sie auf die hauseigene Platt- form zu übertragen. Amundi-Chef Yves Perrier ist die eigene IT sehr wichtig, er will sich nicht von Dritten abhängig machen. „Investoren geben durch die Weitergabe ihrer Portfolios auch Informationen weiter. Insofern ist es, wie bei jeder Entscheidung, ein Trade- off zwischen Kosten und Nutzen“, so Finanz- wissenschaftler Stotz. „Die Informations- weitergabe steht den mutmaßlichen Erkennt- nissen über die Risikoposition gegenüber.“ Blick in die Zukunft Blackrock bringt Aladdin unterdessen im- mer neue Dinge bei. Das System soll künftig unter anderem Bilder aus Überwachungs- kameras auf Parkplätzen von großen Einzel- händlern oder Social-Media-Aktivitäten aus- werten, um Datenmuster zu erkennen. Auch die Telefonkonferenzen, in denen ein Vorstand Analysten und Investoren die Quartalszahlen erläutert, sollen daraufhin ausgewertet werden, ob die Ergebnisse eher positiv oder womög- lich negativ aufgenommen werden. „Diese ‚neuen‘ Datenquellen hören sich einfach an und können im Einzelfall auch gute Ergebnis- se liefern, genauso können aber auch Fehlein- schätzungen entstehen“, sagt Stotz. Zumindest kurzfristig könne eine Analyse, die nicht nur auf reinen Datenmustern fuße, sondern öko- nomisch basierte Datenzusammenhänge mit neuen Quellen kombiniere, zu einem syste- matischen Informationsvorsprung führen. Die Solutions-Sparte von Blackrock hat jedenfalls große Wachstumspläne. 2016 trug sie rund zehn Prozent zum Konzernumsatz von elf Milliarden US-Dollar bei. Bis 2020 soll sich der Anteil auf 30 Prozent erhöhen – Aladdin sei Dank. MARCUS HIPPLER | FP Jody Kochansky, Blackrock: „Aladdin sagt keinem Fondsmanager, was oder wann er etwas zu kaufen hat.“

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