FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017
niveau notieren wie amerikanische Staatsan- leihen. Was würde man als Verantwortlicher einer japanischen Versicherung kaufen? Mit Sicherheit amerikanische Staatsanleihen. Boyd: Ein Aspekt, der meiner Ansicht nach viel zu wenig berücksichtigt wird in der gesamten Diskussion um die Zinsentwicklung, ist die Tatsache, dass wir in einem Umfeld ohne Lohn- inflation in der Welt leben. Und das trotz rekord- niedrigen Niveaus in Bezug auf die Arbeits- losigkeit sowohl in den USA als auch in Groß- britannien. Sauren: Wie beurteilen Sie alle die derzeitige Bewertung an den Märkten, und wo finden Sie interessante Anlagemöglichkeiten? Boyd: Wir konzentrieren uns auf eine sehr geringe Zahl von Aktien, rund 20 bis 25 aus einem investierbaren Universum von 50 Werten und einer Watchlist von 100. Deshalb suchen wir nach sehr spezifischen Aktien von Unter- nehmen, die eine sehr hohe Qualität aufweisen und ihr Wachstum über einen sehr langen Zeitraum aufrechterhalten können. Unter Bewertungsaspekten ist unser Portfolio heute nicht mehr auf dem Niveau, auf dem es vor fünf Jahren stand. Aber um einmal die Unter- schiede zu verdeutlichen: Wenn der S&P 500 bei einem KGV von 18 und einem Ge- winnwachstum von 6,5 Prozent notiert, was über die letzten 50 Jahre so war, dann resul- tiert daraus eine PEG-Ratio von drei. Unser Portfolio steht bei einem KGV von 23 und einem Gewinnwachstum von zwölf Prozent über die kommenden fünf Jahre. Das ent- spricht einer PEG-Ratio von zwei. Und da- mit fühle ich mich immer noch wohler als umgekehrt, auch wenn die Bewertungen in unserem Portfolio sehr viel höher sind als der Gesamtmarkt. Moore: Wachstum ist zu einem gewissen Grad immer von Verschuldung bestimmt oder begrenzt. Ich kann durchaus verstehen, dass viele Marktteilnehmer aufgrund der Tatsache, dass Verbraucher ihre Schulden seit 2007 und 2008 abgebaut haben, durch- aus bullish sind. Aber man sollte das nicht überbewerten, denn über die vergangenen 20 Jahre ist die Verschuldung angestiegen und daher immer noch hoch. Deshalb sollte man nicht allzu viel Unterstützung von die- ser Seite erwarten. Sternbach: Die Bewertung in europäischen Mid Caps dürfte im Vergleich mit den zurück- liegenden Jahren wohl eher am oberen Ende an- gekommen sein. Dennoch wird es aufgrund der Gewinnsituation vieler Unternehmen die erreich- ten Bewertungen weiter rechtfertigen. Deshalb bin ich grundsätzlich optimistisch. Sektoren, die deutlichen Herausforderungen gegenüberstehen, sind aus meiner Sicht Supermärkte und Handels- ketten wie Metro. Auch Autozulieferer wie Schaeffler und Elring Klinger sowie die gesamte Autoindustrie in den USA stehen aufgrund der Entwicklung bei Verbrennungsmotoren unter Druck. Und am Ende wird die Umsetzung der Mifid-II-Richtlinie auch Brokerhäusern zu schaf- fen machen. Gebhardt: Da war vieles dabei, mit dem ich übereinstimme, weniger bei den Autozulieferern: Die Bewertungen sind natürlich hoch, eine höhe- re Bewertung lässt sich nur auf einer individu- ellen Basis rechtfertigen, wenn die strukturellen Voraussetzungen für steigende Gewinne in einem Unternehmen gegeben sind. Den Druck auf die Brokerhäuser erwarten auch wir, außer- dem wird das dazu führen, dass manche Sekto- ren und Einzelwerte von Analysten nicht mehr so gut unter die Lupe genommen werden. Das wiederum dürfte zu Ineffizienzen führen und in manchen Bereichen Chancen eröffnen. Wer sei- ne Hausaufgaben macht, kann davon sicher pro- fitieren. In den Automobilsektor selbst würde ich nicht investieren. Viele Werte sehen zwar preis- wert aus, aber sind sie das auch wirklich? Die Branche ist jedenfalls herausgefordert, insbeson- dere weil alle Dieselhersteller ihr Geschäfts- modell adjustieren müssen. Das wird Geld kos- ten, und man kann außerdem derzeit kaum abschätzen, was den Wert der Restbestände an Fahrzeugen angeht. Außerdem wird die Ent- wicklung neuer Technologien Geld kosten. Böttcher: Ich muss zunächst sagen, ich bin bul- lisher auf meine Frontier Markets als vor diesem Gespräch. Wenn man vergleicht, dann hat unser Portfolio heute ein KGV von 9,8, was erheblich niedriger ist als die großen Märkte. Die Frage, die sich stets stellt, lautet: Werden die Kurse auch steigen? Denn es reicht ja nicht aus, eine preiswerte Aktie zu kaufen, wenn die Aktie am Ende einfach nur preiswert bleibt. Deshalb wird es in meinem Bereich auch künftig auf eine gute Bottom-up-Analyse ankommen. Aber es muss noch so etwas wie ein Katalysator hinzukom- men. Einer der interessantesten Märkte ist der- zeit Vietnam, ein immer noch für ausländische Marktteilnehmer geschlossener Markt ähnlich wie Saudi-Arabien. Aber auch diese Märkte brauchen Geld, sie müssen Investoren anziehen. Das könnte in dem Moment, da sich solche Märkte für ausländische Investoren stärker öff- nen, ein solcher Katalysator sein. Deshalb setze ich verstärkt auf Unternehmen und Märkte, die auf dem Sprung sind, in Indizes wie den NSCI Emerging Markets aufgenommen zu werden und damit mehr Aufmerksamkeit auf sich zu zie- hen. Das sind Märkte wie Vietnam, Argentinien, Saudi-Arabien, Rumänien oder Kuwait. Sauren: Ich weiß, dass Ariel Bezalel sehr skep- tisch ist, was die weitere Entwicklung des Michael Boyd: „Die Welt verändert sich oft schneller als erwartet. Daher sollte man als Fondsmanager sicher eine gesunde Dosis Paranoia in sich tragen.“ 90 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 roundtable I sauren Fotos: © Christoph Hemmerich » Es existiert keine wirklich nennenswerte wirtschaftliche Aktivität, die die Inflation tatsächlich nach oben treiben könnte. « Michael Boyd, Guard Cap Asset Management
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