FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017
Heuser: Ich würde noch gern die Ansicht von Bert Flossbach zu dem Notenbank-Thema hören. Flossbach (Flossbach von Storch): Wenn man Mario Draghi bei seinem Vortrag heute Nach- mittag genau zugehört hat, dann hat er dreimal auf die Währungsfluktuationen mit schwachem Dollar und starkem Euro hingewiesen. Und es war auffällig, dass der Euro in diesen Momenten kurzfristig auf Niveaus von 1,20 US-Dollar angestiegen ist. Das sagt mir, dass es eine ganze Reihe von Anlegern gibt, die auf einer Long- Position im US-Dollar sitzen und nach einer Möglichkeit suchen, aus Dollaranlagen auszu- steigen. Ich frage mich, wie speziell amerikani- sche Investoren immer noch davon ausgehen können, dass sich die Zinsen in den USA auf eine Art normales Niveau zurückbewegen wer- den. Manche erwarten, dass US-Treasuries auf ein Niveau von 3,5 oder gar vier Prozent gehen werden. Wo müssten dann Bundesanleihen ste- hen – bei 1,5 bis zwei Prozent etwa? Daher ist diese oft gebrauchte Wendung „Lower for lon- ger“, die auf eine länger anhaltende Phase nied- riger Zinsen hindeutet, aus meiner Sicht sogar durch „Lower forever“ zu ersetzen. Ich würde gern entsprechende Argumente aus dieser Runde hören, aber ich sehe nicht, dass wir einen Weg finden, der aus diesem extrem gedrück- ten Zinsniveau herausführen würde. Wenn wir an einem bestimmten Punkt in der Zu- kunft eventuell doch wieder in einer Rezes- sion landen werden, wenn auch vielleicht nur einer leichten, dann habe ich keine Idee, wie das gehen soll. Und Draghi hat verdeut- licht, dass die Zinsen in Europa für eine län- gere Zeit niedrig bleiben werden –und zwar signifikant länger, als der Weg aus den QE- Maßnahmen dauern wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir noch mehr als zwei Jahre darauf werden warten müssen. Das ist nicht gut für Banken. Heuser: Die Frage ist, ob es nicht sogar schlecht für Banken wäre, wenn die Zin- sen steigen? Denn sie müssten sofort mehr Zinsen auf kurzfristige Anlagen ihrer Kunden zahlen, die Einnahmen aus Kreditzinsen würden aber erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt steigen. Das hätte ja zunächst einen negativen Effekt. Flossbach: Wobei ein Anstieg der kurzfri- stigen Zinsen zunächst einmal sicher gut wäre und eine Art Erleichterung für die Ban- ken darstellen würde, weil sie sich dann wieder Kapital über Festgelder und Tages- gelder ihrer Kunden besorgen könnten, statt 0,3 oder 0,4 Prozent an Minuszinsen am Geldmarkt zu zahlen. Moore: Es mag durchaus sein, dass es eine kurz- fristige Erleichterung für Banken wäre, wenn die Zinsen steigen. Aber das wäre eben nur ein kurz- fristiger Effekt. Deshalb wundert es mich immer wieder, dass viele Analysten davon ausgehen, steigende Zinsen seien das Heilmittel für die Banken. Denn am Ende gibt es doch einen handfesten Grund, warum die Zinsen derzeit nicht steigen. Bei einem nennenswerten Anstieg der Zinsen würden schließlich viele Kunden einer Bank kurz gesagt bankrott gehen. Und wenn so etwas in der Vergangenheit passiert ist, dann war das immer extrem schlecht für Ban- ken. Das ist aus meiner Sicht ein nachvollzieh- bares Argument dafür, dass die Zinsen eben nicht steigen werden. Sauren: Ist hier überhaupt jemand am Tisch, der positiv gestimmt ist für Banken, abgese- hen vielleicht von dem Extrembeispiel, das Stefan Böttcher mit der argentinischen Bank aufgezeigt hat. Bezalel: Wir waren durchaus bullish auf der Bondseite der Banken. Und wir sind nach wie vor in Bankanleihen investiert. Boyd: Ansonsten gibt es aber kaum Gründe auf der Aktienseite, in Banken zu investieren. Sie sind gehebelt und reagieren zyklisch. Was ist daran attraktiv? Weis: Außerdem haben sie keine Preissetzungs- macht. Selbst wenn sie profitabel sind, werden sie sofort vom Wettbewerb erdrückt. Heuser: Müssen wir uns dann doch früher oder später auf japanische Verhältnisse einstellen? Bezalel: In den USA werden jeden Tag 10.000 Menschen 65 Jahre alt. Daher hat man eine zunehmende Alterung der Gesellschaft, die man im Endeffekt auch in Europa beobachten kann. Und das ist natürlich schlecht für den Konsum. 77 Prozent der Wirtschaftsentwicklung in den USA hängen vom Verbraucher ab. In Europa sind es 50 bis 60 Prozent Das bringt negative Implikationen für die wirtschaftliche Aktivität insgesamt mit sich. Darüber hinaus haben wir wenig Bewegung imAbbau von Schulden, was nach wie vor auf der Wirtschaft lastet. Deswegen werden wir sicher alles andere als ein dreipro- zentiges Wachstum in den USA sehen, es dürfte eher bei vielleicht zwei Prozent liegen. So sind es vor allem langfristige strukturelle Entwick- lungen in der einen oder anderen Form, die auf der Wirtschaft lasten und immer wieder zu sin- kenden Zinsen führen werden. Im Grunde ist es wie bei einem Ball, den man die Treppe hinun- terwirft. Er wird immer wieder hochspringen, aber langfristig zeigt der Weg nach unten. Eine Entwicklung übrigens, die wir immer wieder in den vergangenen zehn Jahren erlebt haben, denn es kam immer wieder ein Aufpoppen der Zinsen bei zehnjährigen Papieren, danach sind sie regel- mäßig wieder nach unten gegangen. Sauren: Eröffnet das Ihnen als Bondmanager Stefan Böttcher: „Im Grunde existiert keine Korrelation zwischen den Frontier Markets, in denen wir anlegen, und den großen Kapitalmärkten.“ 88 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 roundtable I sauren Foto: © Christoph Hemmerich » Die Märkte, in die wir investieren, führen eine Art Inseldasein und sind in der Regel weit entfernt von der Besessenheit über die Notenbankpolitik. « Stefan Böttcher, Charlemagne Capital
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=