FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017

85 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 ziehen dürfte, allein schon aufgrund von Ersatz- beschaffungen, aber auch wegen höherer Preise im Öl- und Chemiesektor. Für die Finanzmärkte wird es allerdings nicht einfach sein, wenn es beim Übergang ins kommende Jahr zu einer Kontraktion der am Markt vorhandenen Liqui- dität kommen wird. Heuser: Da sprechen Sie einen wichtigen Aspekt an. Denn wenn man betrachtet, dass auch das Meeting der Zentralbanker in Jack- son Hole, das ja noch nicht allzu lang zurück- liegt, keine wesentlichen Entscheidungen her- vorgebracht hat, dann muss man sich doch fragen, ob die Rhetorik von Janet Yellen und Mario Draghi nicht eine Art Test ist, was passieren würde, wenn man wirklich echte Entscheidungen treffen würde. Einfach weil niemand, auch nicht die Notenbanker, tat- sächlich vorhersagen kann, welche Konse- quenzen ein Abrücken von einer lockeren Geldpolitik haben wird. Bezalel: Wir sollten uns keinen Illusionen hin- geben, denn das, was wir derzeit erleben, ist das größte monetäre Experiment, das es je gegeben hat. Niemand ist in der Lage vorherzusagen, welche Effekte es haben wird, wenn man den Märkten die Liquidität wegnimmt. Mich macht das nervös, und wir haben begonnen, Risiken aus unseren Portfolios herauszunehmen. Denn wenn die Liquidität erst einmal weg ist, dann wird das für eine Reihe von Verwerfungen bei risikobehafteten Assets sorgen. Andererseits kann man natürlich argumentieren, dass es in Bezug auf die Bilanzen der Federal Reserve noch eine Menge Platz gibt. Denn in Japan zum Beispiel beträgt die Bilanz der Notenbank rund 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; in den USA stehen wir erst bei 25 Prozent. Es ist ein Balanceakt, den wir erleben. Natürlich versucht die Zentralbank den Märkten zu signalisieren, man werde die aufgeblähte Geldbilanz wieder abbauen. Ob es aber tatsächlich so kommen beziehungsweise gelingen wird, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Moore: Wahrscheinlich ist es wirklich eine Art Test, den die Zentralbanken derzeit fahren. Aber es soll diesmal ein Test werden, der gelingt. Denn der erste Test, damals noch durch Ben Bernanke, ist im Desaster des sogenannten Taper Tantrums geendet. Und das ist etwas, was Janet Yellen aus meiner Sicht heute noch bereut. Denn damals hat der Effekt des Taper Tantrums dazu geführt, dass es nicht zu einem gewollten In- gangsetzen einer Art Zentrifugalkraft gekommen ist, bei der die Wirtschaft gewissermaßen Feuer fängt und die berühmten Animal Spi- rits in Gang kommen, wodurch eine Unter- stützung der Wirtschaft durch die Noten- bank nicht mehr länger benötigt wird, weil sich die wirtschaftliche Aktivität sozusagen von selbst weiter entfalten kann. Dieses Bild oder diese Vorstellung von einer Zen- trifugalkraft wurde zu Beginn der 2000er- Jahre durchaus noch diskutiert, hat aber in der jüngeren Vergangenheit immer mehr an Anhängern verloren. Und ich glaube, das liegt einfach daran, dass es unmöglich ist, dass es zu so einer Zentrifugalkraft kommt. Und wenn man dann den Japanisierungs- effekt hinzunimmt, der eben angesprochen wurde, dann kann man nur feststellen, dass es in Japan zumindest noch nie zu einer Entfaltung einer solchen Zentrifugalkraft gekommen ist. Daher wird es wohl noch eine Weile der Unterstützung der Wirtschaft durch die Notenbank bedürfen, weil diese ohne eine solche Unterstützung einfach nicht mehr funktioniert. Michael Boyd (Guard Cap Asset Manage- ment): Vielleicht in dem Zusammenhang eine interessante Ergänzung in Bezug auf die Tatsache, dass die Weltwirtschaft nicht wirklich wächst – trotz all der Liquidität, die in den Märkten unterwegs ist. Wir haben vor Kur- zem den Chef eines der größten Hersteller von Swimmingpools und entsprechenden Ausrüstun- gen in den USA getroffen. In diesem Zusam- menhang erzählte er, dass vor der Finanzkrise die Zahl der neu gebauten Swimmingpools in den USA rund 200.000 Stück pro Jahr betrug. Die Verkäufe sind dann während der Finanzkrise auf eine Zahl von 40.000 zusammengebrochen, um sich danach wieder etwas zu erholen. Aber auch heute noch kommt die Branche auf nicht mehr als 70.000 Pools. Das zeigt aus meiner Sicht, dass es in der realen Wirtschaft keine Inflation gibt, dass keine wirklich nennenswerte Aktivität existiert, die die Inflation tatsächlich nach oben treiben könnte. Eckhard Sauren (Sauren Fonds-Research): Worin sehen Sie die Gründe dafür? Boyd: Ich glaube, dass einer der Gründe dafür in der demografischen Verschiebung liegt. Die sogenannten Millennials kommen heutzutage aus der universitären Ausbildung mit einem Haufen von Schulden im Schlepptau heraus. Dann verschieben sie die Entscheidung, zu hei- raten und eine Familie zu gründen – genauso wie die Entscheidung, ein Haus zu bauen, ver- schoben wird. Und dann stellt sich zusätzlich die Frage, ob diese jungen Menschen einer neuen Generation jemals einen Swimmingpool in ihrem Garten bauen werden, der 60.000 oder 70.000 US-Dollar kostet. Meine Antwort ist: Nein. Sie werden das Geld für andere Dinge ausgeben wie Erfahrungen auf Reisen oder irgendwann für ihre Kinder. Mir sagt das, dass es eine ganze Menge an deflationären Tendenzen gibt, die ver- hindern werden, dass es überhaupt zu einer Ent- faltung dieser Zentrifugalkraft kommt. Henning Gebhardt (Berenberg Asset Manage- ment): Das bestätigt meiner Ansicht nach nur Eckhard Sauren: „Wie beurteilen Sie alle die derzeitige Bewertung an den Märkten, und wo finden Sie interessante Anlagemöglichkeiten?“ » Wahrscheinlich ist es wirklich eine Art Test, den die Zentralbanken derzeit fahren. Aber es soll diesmal ein Test werden, der gelingt. « Stephen Moore, Artemis IM

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