FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017
231 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 Werner Kogler | Die Grünen Werner Kogler, stellver- tretender Klubobmann, stellvertretender Bun- dessprecher, Sprecher für Budget und Finan- zen, Die Grünen Sepp Schellhorn | Neos Sepp Schellhorn, Ab- geordneter zum Natio- nalrat, Sprecher für Kultur, Energie, Touris- mus, Wirtschaft und Industrie, NEOS Bruno Rossmann | Liste Pilz Bruno Rossmann, Abgeordneter zum Nationalrat, Budget- und Steuerexperte der Liste Pilz 1: Wie stehen Sie grundsätzlich zur privaten Altersvorsorge? Kogler, Die Grünen: Wir stehen einer privaten Pen- sions- und Pflegevorsorge grundsätzlich offen gegen- über. Wesentlich jedoch ist: Jeder soll in Würde altern können. Das darf keine Frage des Einkommens sein und muss daher entsprechend von staatlicher Seite sichergestellt werden. Schellhorn, Neos: Wir sehen die Konzentration auf die staatliche Pensionsversicherung kritisch, der Fokus soll- te stärker auf der privaten bzw. betrieblichen Altersvor- sorge liegen. Nur mit einer besseren Durchmischung der Systeme ist eine umfangreiche Absicherung und eine entsprechende Risikostreuung sichergestellt. Rossmann, Liste Pilz: Pensionsarmut zu verhindern ist öffentliche Aufgabe. Die private Altersvorsorge kann für Besserverdienende eine sinnvolle Ergänzung sein. Aber auch sie müssen sich des Risikos dieser Anlageform bewusst sein. Für niedrige Einkommen ist eine private Vorsorge selbst mit steuerlicher Förderung nicht leistbar. 2: Sollten die staatlichen Anreize in den Bereichen der privaten und betrieblichen Altersvorsorge Ihrer Meinung nach ausgeweitet werden? Kogler, Die Grünen: Mit steuerlichen Vergünstigungen sollte man jedenfalls verantwortungsvoll und sorgsam umgehen, der Staat sollte sich daher auf die Sicher- stellung der Funktionsfähigkeit des Umlageverfahrens konzentrieren. Schellhorn, Neos: Wir plädieren dafür, dass jeder Er- werbstätige die Möglichkeit haben soll, 1/11 seines Ein- kommens steuerfrei in eine kapitalgedeckte Altersvor- sorge zu investieren – so wie das bei Politikern bereits erlaubt ist. Zusätzlich müssen steuerliche Schlechter- stellungen von bestehenden Altersvorsorgeprodukten umgehend beseitigt werden. Schließlich hat der Staat eine entsprechende Steuerfreiheit sicherzustellen. Rossmann, Liste Pilz: Das öffentliche Pensionssystem darf nicht durch die kapitalgedeckten Säulen ausgehöhlt werden. Staatliche Förderungen für die private und be- triebliche Altersvorsorge sollten keinesfalls ausgeweitet werden. Kapitalgedeckte Systeme sind mit Risiko behaftet und haben in der Vergangenheit immer wieder zu Verlus- ten geführt. Bisher sind alle kapitalgedeckten Pensions- kassenmodelle durch Börseneinbrüche massiv in Mit- leidenschaft gezogen worden. 3: Wie stehen Sie zu einer möglichen Abschaffung dieser Steuer für Privatanleger, wie es die Wiener Börse fordert? Kogler, Die Grünen: Ich glaube nicht, dass die Einführung der Wertpapier-KESt langfristiges Ansparen und Investie- ren in Wertpapiere unattraktiver macht. ATX-Investoren konnten in den letzten 25 Jahren durchschnittlich sechs Prozent jährlich verdienen. Vergleicht man das mit den Zinsen am Sparbuch, ist die Börse auch nach Steuern deutlich attraktiver. Mit einer Abschaffung der Steuer wird man Privatanleger nicht verstärkt für die Börse interes- sieren können. Mit Financial Education eher. Schellhorn, Neos: Wir stehen grundsätzlich für eine umfassende Steuerentlastung, von der alle profitieren. 25 % KESt auf Zinsen und Dividenden wären akzepta- bel. Generell treten wir dafür ein, Kursgewinne ab fünf Jahren Laufzeit nicht zu versteuern, um das längerfristi- ge Halten zu fördern. Nachdem unrealisierte Gewinne nicht versteuert werden sollen und Verluste gegenzu- rechnen sind, muss hier ein passendes Klima für die Wertpapiervorsorge gegeben sein. Rossmann, Liste Pilz: Ich sehe keinen Grund, Erträge aus Wertpapieren zur Gänze steuerfrei zu stellen. Gegenüber Erwerbseinkommen sind sie ohnehin schon steuerlich privilegiert. Diese Privilegierung ist vertei- lungspolitisch nicht vertretbar. 4: Die Fondsverbände VÖIG und VAIÖ fordern ein gesperrtes Vorsorgedepot für die Pensions- und Pflegevorsorge vor. Was halten Sie von dieser Idee? Kogler, Die Grünen: Warum nicht hier die neoliberale Sichtweise anwenden? Zusätzliche private Ansparfor- men sind okay, jedem ist freigestellt, in Zukunft mehr zu konsumieren als in der Gegenwart. Es lässt sich jedoch nicht erschließen, warum der Steuerzahler hier aufkom- men soll. Gegen eine Zwangseinweisung in den Kapital- markt spreche ich mich jedenfalls sehr deutlich aus. Schellhorn, Neos: Dass Kunden individuelle Anlagevehi- kel in das Vorsorgedepot packen können, ist international durchaus üblich. Der Vorteil an dieser Variante ist die grö- ßere Flexibilität im Vergleich zur bestehenden Zukunftsvor- sorge. Grundsätzlich könnten wir diesem Vorschlag also einiges abgewinnen. Die positiven Aspekte der Marktkräfte wirken zu lassen, kann für die dritte Säule hilfreich sein. Rossmann, Liste Pilz: Ich stehe diesem Produkt skeptisch gegenüber. 5: Obwohl Mifid II und IDD Honorar- und Provisionsberatung nebeneinander bestehen lassen, fordern Verbraucherschützer ein Provisionsverbot. Wie stehen Sie dazu? Kogler, Die Grünen: Wir sind auf der Seite der Verbrau- cher. Ganz klar. Bei der Provisionsberatung gibt es Inter- essenkonflikte, die falsche Anreizwirkung ist evident. Die Forderung ist daher durchaus nachvollziehbar. Schellhorn, Neos: Wir glauben an den mündigen Bürger, ein übertriebener Verbraucherschutz führt manchmal zum Gegenteil. Wir sehen Mifid II als angemessen; noch weiter zu gehen wäre nicht unbedingt der richtige Weg. Rossmann, Liste Pilz: Ich schließe mich den Forderun- gen der Konsumentenschützer an und befürworte ein Provisionsverbot. 6: Die FMA kann in Zukunft einzelne Finanzprodukte verbieten, das könnte einen erheblichen Eingriff in den Markt bedeuten. Ist dieses Recht aus Ihrer Sicht vernünftig? Kogler, Die Grünen: Manchmal kann ein Verbot von bestimmten Produkten in Ausnahmefällen durchaus Sinn machen: etwa dann, wenn es zu einer großen Anzahl von Geschädigten kommen kann. Schellhorn, Neos: Natürlich ist es richtig, bei fundier- tem Verdacht einzuschreiten, jedoch darf das Instru- ment nicht willkürlich verwendet werden. Rossmann, Liste Pilz: Es treten am Markt immer wieder Produkte mit abenteuerlichen Renditeverspre- chungen auf, die Eingriffe durch die FMA durchaus rechtfertigen. 7: Der Finanzsektor ist stark reguliert worden, mittlerweile spricht man bereits von einer Überregulierung. Sind Sie für eine Überprüfung der einzelnen Vorschriften? Kogler, Die Grünen: Eine kritische Evaluierung von Vorschriften ist tatsächlich auch schon wieder notwen- dig. Wobei klar ist, was das Ziel ist: mehr Stabilität im Finanzsystem, Schutz von Steuerzahlern und Transpa- renz für Kunden. Schellhorn, Neos: Durch eine Überregulierung werden Großbanken, die zu groß sind, um zu scheitern, produ- ziert, und kleine Regionalbanken sind chancenlos. Grundsätzlich sollte Österreich aber aktiv an einer Bankenregulierung mitwirken, um einfache Regeln anstatt komplizierter Modelle zu fördern. Rossmann, Liste Pilz: Von einer Überregulierung wür- de ich nicht sprechen, da die Richtlinienvorschläge der Europäischen Kommission vielfach durch mächtige Finanzlobbyisten verwässert wurden. Eine Überprüfung lehne ich nicht grundsätzlich ab, sie darf aber nicht vom Finanzsektor selbst durchgeführt werden. WAHL 2017
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