FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017

227 www.fondsprofessionell.at | 2/2017 jedoch zu beachten, dass durch solche Nach- beratungen ein weiteres Haftungsrisiko für den Anlageberater entstehen kann, etwa wenn nicht rechtzeitig auf relevante Entwicklungen reagiert wird. 3.) Verfügbarkeit „vor Ort“ Der österreichische Gesetzgeber hat mit Blick auf Deutschland ein weiteres Beispiel eingeführt, das nicht von der ESMA konzi- piert wurde. Demnach soll die Verfügbarkeit von qualifizierter Anlageberatung „vor Ort“ die Qualität der Dienstleistung für den Kun- den verbessern. Es soll eine flächendeckende finanzielle Nahversorgung technologieferne- rer Bevölkerungsschichten durch persönliche Anlageberatung vor Ort sichergestellt werden. Offen bleibt, was genau der Gesetzgeber unter „vor Ort“ versteht. Besteht eine Qualitätsver- besserung nur dann, wenn die Beratung am Wohnsitz des Kunden angeboten wird, oder genügt eine Niederlassung in der Nähe seines Wohnsitzes? Entwicklungen in Deutschland sprechen für Letzteres. Der deutsche Gesetz- geber geht nämlich von einem „weitverzweig- ten Filialberaternetzwerk, das für den Kunden die Vor-Ort-Verfügbarkeit [...] sicherstellt“ aus. Ebenfalls unklar bleibt der Begriff „flächen- deckend“. Ob hier ein bundesweiter Maßstab angelegt wird oder der jeweilige Aktionsra- dius des Anlageberaters ausschlaggebend ist, lässt sich (noch) nicht sagen. Hier besteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Daneben gibt es kritische Stimmen, die meinen, dass dieses Beispiel nicht im Einklang mit der EU-Richt- linie stehe. Es wird eingewandt, dass eine Vor- Ort-Verfügbarkeit die Qualität zwar verbes- sert, es mangle jedoch an der unmittelbaren Qualitätsverbesserung gegenüber dem indi- viduellen Kunden. Ein Kunde aus Wien zieht keinen Vorteil daraus, dass auch in Graz oder Linz eine Beratungsleistung verfügbar ist. Es bleibt daher spannend zu beobachten, wie die ESMA dieses Beispiel aufnehmen wird. Bei allen qualitätsverbessernden Maßnah- men ist zu beachten, dass sie in einem ange- messenen Verhältnis zum empfangenen Vor- teil stehen müssen. Die im Gesetz aufgezähl- ten Qualitätsverbesserungen werden wohl im- mer als angemessen zu betrachten sein, zumal etwa beim Durchführen einer jährlichen Eig- nungsprüfung praktisch kein Spielraum gege- ben ist. BeimAbweichen von den genannten Beispielen wird im Einzelfall zu beurteilen sein, ob die Maßnahme proportional zum empfangenen Vorteil ist. Bestandsprovisionen Laufende Zuwendungen wie etwa Be- standsprovisionen sind in Zukunft generell nur für eine laufend erbrachte Dienstleistung zulässig. Der Bestandsprovision muss daher in Zukunft eine qualitätsverbessernde Dienst- leistung auch nach dem Erwerb des Finanz- instruments gegenüber stehen. Die verbesserte Qualität ist für die Dauer der Dienstleistung aufrechtzuerhalten. Ein Anlageberater, der Be- standsprovisionen annimmt, muss während dieser Zeit dem Kunden einen Mehrwert im Sinne eines verbesserten Qualitätsniveaus bie- ten. Er ist jedoch nicht verpflichtet, die Qua- lität der Dienstleistung im Zeitverlauf unauf- hörlich zu steigern. Dennoch besteht bei die- sem neuen Erfordernis das Risiko, dass die Bestandsprovision – anders als nach der bis- herigen Auffassung – umsatzsteuerpflichtig wird, weil ihr eine kontinuierliche Gegenleis- tung, etwa eine regelmäßige Betreuung nach dem Vertragsabschluss, gegenübersteht. Es wäre nicht mehr von einer ratierlich ausbe- zahlten Vermittlungsprovision auszugehen, die umsatzsteuerfrei ist. Anlageberater müssen jeden Vorteil auf einer internen Liste konkret einer Qualitäts- verbesserung für den jeweiligen Kunden zu- ordnen. Dem nicht genug, müssen sie in Zu- kunft auch dokumentieren, wie die erhaltenen Vorteile die Qualität der Dienstleistungen für die betreffenden Kunden verbessern. Diese Aufzeichnung muss – anders als der jährliche Bericht über die erhaltenen Provisionen – dem Kunden nicht zur Verfügung gestellt werden. Sie ist jedoch als Nachweis für die FMA bereitzuhalten. Fazit: Mit der im WAG 2018 geforderten Qualitätsverbesserung bei Annahme von Provisionen kommt ein erheblicher Aufwand auf die Finanzdienstleister zu. Hinzu kommt – zumindest zu Beginn – eine Rechtsunsicher- heit, weil die kommende Regelung Gestal- tungsspielraum offenlässt und bisher noch kei- ne Verwaltungspraxis vorliegt. Das wird in Zukunft die Honoraranlageberatung attraktiver machen, weil für ein direktes Honorar vom Kunden keine Qualitätsverbesserung erfor- derlich ist. Die Autoren Mag. Christian Lenz, Rechts- anwalt, und Mag. Maximilian Müller, Rechtsanwaltsanwärter, arbeiten bei der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH. FP

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