FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017
224 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 steuer & recht I mifid II Das bringt Mifid II für Banken, Wertpapierfirmen, WPDLU und Berater Produktüberwachung Institute unterliegen, je nachdem, ob sie Finanzinstrumente konzipieren oder nur vertreiben, mehr oder minder umfassen- den Produktüberwachungspflichten. Diese Pflichten zielen im Wesentlichen darauf ab, dass bereits frühzeitig – nämlich in der Konzeptionsphase beziehungsweise bei Begründung der Vertriebsstrategie – sichergestellt ist, dass Produkte nicht für den „falschen Markt“ konzipiert beziehungsweise an die fal- sche Kundengruppe vertrieben werden. Dabei legt der Gesetz- geber besonderes Augenmerk auf die Prävention von Interes- senkonflikten und eine faire Gebührengestaltung sowie auf die Übereinstimmung des Produkts und dessen Risiken mit den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des Kunden. • Implementierung eines Produktgenehmigungsverfahrens (Konzepteur) und eines Produktüberwachungsprozesses • Erstellung von Zielmarktdefinitionen für Endkunden • Bewertung der Risiken für den Zielmarkt und Sicherstellung der Vereinbarkeit von Vertriebsstrategie und Zielmarkt • Ordnungsgemäßer Umgang mit Interessenkonflikten • Wahrung der Marktintegrität (Konzepteur) • Prüfung der Produktgebührenstruktur (Konzepteur) • Regelmäßige Überwachung der Produkte • Kontrolle des Produktüberwachungsprozesses durch die Geschäftsleitung • Einbindung von Mitarbeitern mit gebotener Sachkenntnis • Erstellung von Szenarioanalysen auf Produktebene (Konzepteur) • Informationsaustausch zwischen Konzepteur und Vertreiber • Die diesbezüglichen Verpflichtungen richten sich an die Institute und sind daher primär von diesen umzusetzen. • Jedenfalls abklären sollten Berater aber mit ihrem Haftungs- dach, ob die dokumentierten Zielmarktdefinitionen in der Kundenkommunikation beziehungsweise im Rahmen von Beratungsgesprächen eingesetzt werden sollen beziehungs- weise müssen (die Zielmarktdefinitionen sind gesetzlich grundsätzlich nicht als außen- beziehungsweise kunden- wirksames Dokument gedacht). • Darüber hinaus hat auch der Berater sicherzustellen, dass jedes dem Kunden angebotene oder empfohlene Finanz- instrument eine Zielmarktdefinition aufweist, die den Merk- malen und Bedürfnissen des Kunden entspricht. Eignungstest/Erklärung zur Geeignetheit Der Eignungstest selbst bleibt durch Mifid II im Wesentlichen unberührt. Neu ist allerdings, dass dem Privatkunden bei Anlageberatung vor Durchführung des Geschäfts eine soge- nannte „Erklärung zur Geeignetheit“ zu übermitteln ist. Bei Portfolioverwaltung oder bei entsprechender Mitteilung an den Kunden sind darüber hinaus auch regelmäßige, aktualisierte Erklärungen zu übermitteln. Diese Regelung soll der bisheri- gen Praxis entgegenwirken: Der Kunde soll eine zusammen- fassende Dokumentation über die Beratung und insbesondere über den Eignungstest und dessen Ergebnis erhalten. • Die Unternehmen haben einen Prozess zu implementieren, der sicherstellt, dass derartige Erklärungen inhaltlich korrekt und stets zeitgerecht an den Kunden übermittelt werden. • Empfehlenswert sind zu diesem Zweck konkrete Über- legungen zur diesbezüglichen Aufgabenverteilung zwischen Berater und Unternehmen (Erstellung, Dokumentation, Versand etc.). • Empfehlenswert ist auch die Erarbeitung von Mustern bezie- hungsweise Formblättern für Eignungserklärungen (Anm.: Unverbindliche Beispiele solcher Muster wurden kürzlich vom Fachverband Finanzdienstleister der WKO erarbeitet). • Da es in aller Regel gerade die Berater sind, die im Vorfeld der Dienstleistungserbringung die Eignung von Produkten für den Kunden prüfen und dokumentieren, nehmen sie not- gedrungen eine maßgebliche Rolle bei Erstellung und/oder Inhaltsprüfung dieser Eignungserklärungen ein. • Berater sollten sich daher bereits jetzt mit ihrem Haftungs- dach darüber abstimmen, welche Aufgaben es dem Berater im Zuge des Prozesses der Erstellung und Versendung der Eignungserklärungen zuordnet. Unabhängige vs. nichtunabhängige Beratung Mifid II schafft die Unterscheidung zwischen unabhängiger und nichtunabhängiger Beratung, begleitet von einer dies- bezüglichen Deklarationspflicht gegenüber dem Kunden. Möchte sich ein Dienstleistungsanbieter als unabhängiger Berater titulieren, so unterliegt er diesbezüglich strengen Auflagen und Einschränkungen (siehe rechte Spalte). Der Gesetzgeber will damit vor allem Transparenz für den Kunden dahingehend schaffen, ob und inwiefern der Dienst- leistungsanbieter in seiner Unabhängigkeit eingeschränkt ist, etwa durch Eigenemissionen oder durch enge Beziehungen zu Emittenten. • Abklärung, ob das Unternehmen (auch) unabhängige Bera- tung anbieten möchte (Anm.: Die Erbringung von unabhän- giger und nichtunabhängiger Beratung durch ein und das- selbe Unternehmen ist grundsätzlich möglich) Bei unabhängiger Beratung ist insbesondere zu beachten: • Ausreichende Palette an Finanzinstrumenten, hinreichende Streuung hinsichtlich Art und Emittent/Produktanbieter • Keine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit (z.B. Beschrän- kung auf Eigenemissionen, enge Verbindungen zu Emit- tent/Produktanbieter) • Vorteile müssen an Kunden weitergegeben werden; Kunde ist hierüber zu unterrichten (regelmäßige Berichte); Fest- legung von Grundsätzen für Weiterleitung von Vorteilen. • Diese Trennung hat wohl deutliche Auswirkungen auf die zukünftige Praxis der Berater. Es sollte daher zeitnah mit dem jeweiligen Haftungsdach geklärt werden, welche grundsätzliche Herangehensweise (z.B. gänzliches Aus- klammern der unabhängigen Beratung) das Unternehmen wählt. • Nach derzeitigem Wissensstand ist es Beratern erlaubt, sowohl unabhängige als auch nichtunabhängige Beratung zu erbringen, solange die beiden Dienstleistungssphären klar getrennt bleiben und der Kunde keine Irreführung erfährt. Wesentliche Neuerungen nach Mifid II 1 Aspekte und Aufgaben aus Sicht der Institute 2 Aspekte und Aufgaben aus Sicht der Berater Geschäftsleitung und Aufsichtsrat 4 Die Geschäftsleitung ist für die Umsetzung der sogenannten „Unternehmensführungsregelungen“ verantwortlich. Der Aufsichtsrat hat die Angemessenheit und Wirksamkeit dieser Regelungen regelmäßig zu überwachen und zu überprüfen, ebenso die Eignung und Umsetzung der strate- gischen Ziele des Unternehmens. • Implementierung von Unternehmensführungsregelungen, die u.a. die Themengebiete Firmenorganisation, Personal- ressourcen, Firmenpolitik und Vergütungspolitik umfassen. • Schaffung eines angemessenen Zugangs zu Informationen und Dokumenten für Mitglieder des Aufsichtsrats (AR) • Regelmäßige Überwachung und Überprüfung der Eignung, Umsetzung und Angemessenheit der strategischen Ziele des Unternehmens sowie dessen Unternehmensführungs- regelungen durch den AR • Grundsätzlich besteht hier für Berater kein Handlungs- bedarf. • Allerdings könnte die konkrete Ausgestaltung der Unterneh- mensführungsregelungen, etwa in den Bereichen „Firmen- politik“ oder „Vergütungspolitik“, Auswirkungen auf Berater haben, weshalb sich auch hier klärende Rücksprache mit dem Haftungsdach empfiehlt. Seit einigen Jahren scheint kein aufsichtsrechtliches Thema die Finanzbranche mehr zu beschäftigen als Mifid II. Spä- testens mit Erlass der Mifid-Richtlinie im Jahr 2014 be- gannen Denk-, Verhandlungs- und Annäherungsprozesse, in deren Zuge sich verschiedenste Schreckgespenster auf- taten (Beispiel Provisionsverbot). Nach Verschiebung der Umsetzung um ein Jahr stehen wir nun kurz vor der Im- plementierung: Die wesentlichen EU-Rechtsakte (Mifid II, Mifir del. VO 2017/565 etc.) liegen vor, und auch unser nationales Umsetzungsgesetz, das Wertpapieraufsichtsge- setz 2018, ist parlamentarisch abgesegnet. Der 3. Jänner 2018 markiert den Tag der Umsetzung. Die großen The- menblöcke des neuen Regimes sind seit geraumer Zeit bekannt (Stichworte Product Governance, Telefonaufzeich- nungen, Inducements etc.). Aber was bringen diese Neue- rungen konkret mit sich, und welche Auswirkungen haben sie auf die betroffenen Unternehmen und Berater? Was bleibt beim Alten? Und schließlich: Welche praxisrelevan- ten Fragen stellen sich auf Basis der nun vorliegenden Gesetzestexte? Die wichtigsten Antworten finden Sie in der Tabelle unten.
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