FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017

Geld etwa die Büroausstattung erneuert oder die Software aufgerüstet wird. In diesem Punkt sind Sie später zurück- gerudert. Bitte lassen Sie es mich noch einmal erklären. In der nicht unabhängigen Anlageberatung dürfen Banken und Finanzdienstleister Provi- sionen einbehalten, wenn sie die Servicequa- lität erhöhen, wenn sie verhältnismäßig sind und exakt dem Kunden zugeordnet werden, der sie bezahlt hat. Wenn man Kunden be- stimmten Gruppen zurechnen kann, ja, dann mag es möglich sein, ihre Provisionen dafür zu verwenden, die Servicequalität innerhalb dieser Gruppe zu erhöhen. Das gilt aber nur, sofern sich immer noch ein direktes Verhältnis zwischen der Qualitätsverbesserung für den einzelnen Kunden und seiner Provisionen herstellen lässt – sonst nicht. Für Serviceangebote, die den Einbehalt von Provisionen künftig rechtfertigen, hat die ESMA drei allgemeine Beispiele angeführt. Haben Sie auch konkrete Ideen, wie solche Angebote in der Praxis aussehen könnten? Die drei Beispiele sollen als Ausgangspunkt dienen. Im Moment befragen wir die natio- nalen Aufsichtsbehörden dazu, ob sie bei der Umsetzung der Vorschriften für den Einbehalt von Provisionen Probleme erkennen. Auf Basis dieser Umfrage entscheiden wir dann, ob wir zu diesem Thema noch Q&As ver- öffentlichen sollten. Natürlich dürfen die EU-Mitgliedsstaaten unsere Beispiele auch jederzeit gern ergänzen. In Deutschland ist das etwa schon ge- schehen. Das Zweite Finanzmarktnovel- lierungsgesetz erlaubt den Einbehalt von Provisionen auch, wenn Kreditinstitute über ein breites Filialnetz verfügen. Ja, richtig. Nun sollte man dabei bedenken, dass ein breites Filialnetz die Kosten für Finanzprodukte in die Höhe treibt und somit die Performance senkt. Damit ist es doch viel- mehr eine Last, eine Bürde. Und in Zeiten der Digitalisierung bringt es höchstens einer sehr kleinen Gruppe Vorteile. Wie sehen Sie die Zukunft der Provisi- onsberatung insgesamt, sieht das Ge- schäftsmodell Ihrer Meinung nach sei- nem Ende entgegen? Möglicherweise werden die neuen Anforde- rungen dazu führen, dass Verbraucher Provi- sionsberatung künftig seltener in Anspruch nehmen. Das wäre die Konsequenz daraus, dass Endkunden erkennen, wie teuer sie in Relation zu den Erträgen ist. Gerade in Zeiten eines dauerhaften Niedrigzinsniveaus stellt sich sicher die Frage, ob ein Kunde noch be- reit ist, Provisionen zu zahlen, wenn er merkt, dass sie ihn 20 bis 30 Prozent seiner Erträge kosten. Damit ist das Geschäftsmodell der Provisionsberatung aber nicht am Ende. Die Berater müssen ihre Kosten senken, etwa in- dem sie Prozesse mehr standardisieren oder stärker IT-Tools einsetzen. In Großbritannien oder den Niederlanden machen die Honorar- berater vor, wie es funktionieren kann. Kommen wir zu einem anderen Thema, das Banken und Vermittler beschäftigt: Taping. Die Aufzeichnung aller Teile eines Beratungsgesprächs, die potenziell zu einem Abschluss führen, ist künftig Pflicht. Das sorgt für Unmut in der Branche. Wie stehen Sie dazu? Das Taping ist sehr wichtig, zuallererst für die Berater und Vermittler selbst. Damit sichern sie sich hinsichtlich der vereinbarten Inhalte eines Vertrags ab. Im Zweifelsfall dient die Aufzeichnung schließlich auch der Aufsichts- behörde, die etwa prüfen muss, ob bei Ver- tragsabschluss alles korrekt gelaufen ist. Als ich aktiv bei der nationalen Finanzaufsicht der Niederlande tätig war, haben wir solche Tapes regelmäßig genutzt. Ich halte das Taping für sinnvoll, und technisch sind solche Aufzeich- nungen heute kein Problem mehr. Für sehr kleine Kreditinstitute und freie Vermittler sind die Kosten für eine ent- sprechende IT schon ein Thema. Zudem befürchten manche Juristen, die Auf- zeichnungspflicht könnte mit der neuen EU-Datenschutzverordnung kollidieren. Auf europäischer Ebene sind Fragen des Da- tenschutzes selbstverständlich genauestens überprüft worden. In dieser ersten Phase des Gesetzgebungsprozesses, auf Level I, schauen Juristen mit scharfem Auge darauf, dass es nicht zu Widersprüchen zwischen den einzel- nen Teilen der europäischen Gesetzgebung kommt. Natürlich können sich in der Praxis Datenschutzfragen ergeben, wenn Beratungs- gespräche aufgezeichnet werden. Diese müs- sen die EU-Mitgliedsländer in ihrer nationalen steuer & recht I steven maijoor | esma 218 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 » Die neuen Anforderungen werden möglicherweise dazu führen, dass Provisionsberatung künftig seltener in Anspruch genommen wird. « Steven Maijoor, ESMA Foto: © François Daburon Steven Maijoor: „Das Taping ist sehr wichtig, zuallererst für die Berater und Vermittler selbst. Damit sichern sie sich hinsichtlich der vereinbarten Inhalte eines Vertrags ab.“

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