FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017
213 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 Chikova ein. Mit gut 70 Prozent Kosten im Verhältnis zu den erwirtschafteten Erträgen rangieren heimische Banken zusammen mit den deutschen Geldhäusern als Schlusslicht im europäischen Vergleich. „So sind zwar in den letzten fünf Jahren beispielsweise Fort- schritte beim Filialabbau erzielt worden, diese liegen jedoch deutlich unter denen anderer Länder wie Großbritannien oder den Nieder- landen“, berichtet die Bankenexpertin. Als „Best Champion“ zeichnete die Unter- nehmensberatung in diesem Jahr für den deutschsprachigen Raum die Bawag aus. Seit der Übernahme durch die Private-Equity-Ge- sellschaft Cerberus reduzierte das Haus die Komplexität im Produktsortiment und im Ver- trieb. Zudem baute das Institut die Nutzung digitaler Kanäle aus und steigerte die Produk- tivität der Mitarbeiter. Das Ergebnis: Die Kos- ten sanken in den vergangenen zwei Jahren um 16 Prozent. Eine weitere Ausnahme- erscheinung im deutschsprachigen Raum sei die ING-Diba. Sie fällt durch eine überdurch- schnittliche Performance beim Ertrag pro Kunde auf. Als Gründe nennt Chikova ein wachsendes Geschäftsvolumen, steigende Er- träge im Depotgeschäft sowie die Vernetzung mit dem Firmenkundenbereich. Chancen verschlafen Eine weitere große Herausforderung, mit der sich die Finanzwirtschaft konfrontiert sieht, ist der digitale Wandel. Die Entwicklung gewann in den vergangenen Jahren an Fahrt. So wickelten 2015 weltweit nur 28 Prozent der Kunden ihre Finanzgeschäfte rein online ab. Bloß zwei Jahre später waren es schon 43 Prozent, zeigt eine Studie der Unternehmens- beratung Boston Consulting Group (BCG). Die Experten haben weltweit 42.000 Privat- kunden befragt. Ein Ergebnis erstaunt dabei besonders: Auch die angeblich so filialverlieb- ten Österreicher öffnen sich digitalen Kanälen. Nur noch elf Prozent der hiesigen Bankkun- den erledigen ihre Finanzgeschäfte ausschließ- lich in der Bank vor Ort. Rund die Hälfte nutzt sogar schon ausschließlich die Online- angebote. Immerhin 38 Prozent greifen auf beide Wege zurück. Die meisten Banken hätten zwar auf diese Entwicklung reagiert und ihre digitalen Ange- bote optimiert, berichten die BCG-Experten. Viele Institute schöpfen aber das Potenzial der Digitalisierung bei Weitem noch nicht aus. „Retailbanken verschlafen derzeit noch zu viele Chancen der Digitalisierung“, sagt Hol- ger Sachse, Partner und BCG-Experte für Finanzdienstleister. Die Branche sei in einer Transformation begriffen. Am Ende stehe das Zusammenspiel von persönlicher Beratung und digitalen Produkten und Dienstleistungen. „Abwarten ist keine Option“, warnt Sachse. „Gerade in entwickelten Ländern müssen Retailbanken jetzt handeln und massiv in den Ausbau einer intelligenten Mensch-Maschi- ne-Interaktion investieren.“ Dies sei entschei- dend für den langfristigen Erfolg. Tragfähiges Geschäft gesucht Letztlich gehe es für die Branche darum, ein dauerhaft tragfähiges Geschäftsmodell zu finden, ergänzt Dirk Müller-Tronnier, Leiter Banking & Capital Markets bei der Wirt- schaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. „Früher war es möglich, mit hohen Zins- einnahmen andere Dienstleistungen quer- zusubventionieren – das geht im aktuellen Niedrigzinsumfeld nicht mehr.“ Andere Ertragsquellen seien versiegt. „Andererseits bieten sich erhebliche Einsparpotenziale, mit denen die Banken ihre Ertragskraft steigern können, da sowohl der Kundenkontakt als auch Verwaltungstätigkeiten immer stärker auf digitalem Weg ablaufen“, fasst Müller-Tron- nier zusammen. Unterm Strich haben die Geldhäuser große Aufgaben zu bewältigen. „Da die österreichi- schen Privatkundenbanken kaum Spielraum bei der Zinsmarge haben und sich das aktuelle Volumenwachstum nicht fortsetzen wird, müssten sie die Provisionserlöse um fast 30 Prozent steigern und die Kosten um fast 20 Prozent senken, um eine Aufwands-Ertrags- quote von 60 Prozent zu erreichen“, resümiert Achim Kaucic, Principal Financial Services bei A.T. Kearney in Österreich. „Eine gewal- tige Herausforderung, die jetzt in einem posi- tiven Wirtschaftsumfeld konsequent angegan- gen werden sollte“, appelliert Kaucic. Denn ein weiterer Sturm wie Lehman würde alle Bemühungen der Branche zunichtemachen. SEBASTIAN ERTINGER | FP Eckart Windhagen, McKinsey: „Die Banken drückten bei Krediten sozusagen den Reset-Knopf.“ Seltener Besuch Wie Österreichs Privatkunden Finanzgeschäfte abwickeln Die angeblich so filialverliebten Österreicher nutzen tatsächlich recht häufig digitale Angebote. Quelle: BCG Retailbanking-Umfrage 2017 Filiale 11 % Beides 38 % Online 51 % Österreich und Deutschland Kosten-Spitzenreiter Aufwands-Ertrags-Quote (Cost-Income Ratio) europäischer Banken 2016 Beim Verhältnis von Kosten zu Ertrag schneiden die Geldinstitute aus Deutschland und Österreich besonders schwach ab. * Tschechien, Ungarn, Slowakei und Slowenien | Quelle: A.T. Kearney 2017 Retail-Banking-Radar 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % Türkei Skandinavien Spanien Zentraleuropa* Schweiz Großbritannien Italien Frankreich Österreich Deutschland M 70 % 70 % 69 % 67 % 63 % 61 % 55 % 55 % 49 % 46 %
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