FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016
281 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 wirbt, dann verschickt es Briefe mit einer all- gemeinen Anlageempfehlung. Die wirft prak- tisch jeder gleich in den Mülleimer. Jeder weiß, das bekommen hunderttausende andere auch, das ist gar keine persönliche Empfeh- lung. Aber über die Daten einer Person wie Name, Anschrift, Geburtsdatum, Familien- stand sowie den bisherigen Bestand im Depot lässt sich eine wirklich individuelle Empfeh- lung berechnen. Eine Geodatenauswertung der Anschrift verrät einiges über das Vermö- gen. Das Alter und der Familienstand geben Hinweise auf den Lebenszyklus. Hieraus las- sen sich auf den Kunden zugeschnittene Angebote ableiten, die wirklich zur persön- lichen Situation passen und das bestehende Depot ergänzen. Davon sind die Anbieter hierzulande noch meilenweit weg. Manche Kunden haben Konten bei meh- reren Banken, und nicht alle Asset Ma- nager verfügen über diese Daten. Klar, perfekt werden solche Empfehlungen nie ausfallen. Aber solche Werbung hätte eine deutlich höhere Trefferquote als bisher. Es wären aber auch andere nützliche Funktionen für die Kunden denkbar. Etwa könnte die Bank über eine Depotauswertung berechnen, wie hoch der Freistellungsauftrag für die kom- menden zwei Jahre angesetzt werden sollte. Das wäre ein toller Service und vor allem passgenau für jeden Kunden. Sie haben viele Entwicklungen angespro- chen. Aber nur große Häuser können all diese Themen umsetzen. Nicht jeder Anbieter muss auf jedes Pferd set- zen. Jeder muss für sich definieren, welcher Aspekt der Digitalisierung wichtig ist und sich fragen: Was machen wir, wann machen wir es, wie machen wir es und was machen wir nicht? Bei der Digitalisierung nach innen soll- ten Sie einen hohen Grad der Industrialisie- rung und Automatisierung erreichen. Der Pro- zess muss vollumfänglich betrachtet werden. Nach außen hin sollten Sie ein Ist-Bild auf- nehmen: Wo sind die Kundenkontaktpunkte, und bin ich da richtig aufgestellt? Daraus müssen Sie dann ein Ziel-Bild erstellen: Wo will ich hin? Asset Manager ohne eigenen Vertriebskanal stehen wiederum vor der Fra- ge: Wer sind meine Vertriebspartner, und wie kann ich sie bei der Digitalisierung unterstüt- zen? Für Blackrock etwa heißt Digitalisierung etwas ganz anderes als für die Deka oder die Union. Für Blackrock ist sie ein tolles Mittel, um an Endanleger heranzutreten. Das kann für Deka und Union nicht das Ziel sein. Dort ist am Ende der Bankberater derjenige, der den Kontakt zu den Kunden hält. Wir sprachen über Fintechs. Aber auch Tech-Giganten wie Apple oder Google stoßen in die Finanzwelt vor. Geht von ihnen eine Bedrohung aus? Die Apples und Googles werden letztendlich auch in den Markt für Finanzprodukte eintre- ten. Bei ihnen fließen alle Datenströme zu- sammen. Sie wissen, worüber ich mich gera- de informiere, und können mir ein individu- elles Angebot unterbreiten. Sie sind konse- quent und nutzen die ihnen zur Verfügung ste- henden Daten aus. Der Sprachassistent meines Handys kann mir heute bereits sagen, wo die nächste Pizzeria ist. Warum soll er in einigen Jahren nicht auch sagen können, welche Ver- mögensanlage gerade die beste für mich ist? Das kann große Veränderungen für Banken und Asset Manager mit sich bringen. ImMoment verdienen die Fondsanbieter noch hervorragend. Ist der Änderungs- druck da groß genug? Da zeigen sich die Vollprofis im Manage- ment: Die verändern ihr Unternehmen zu dem Zeitpunkt, wenn es ihm gut geht. Dann haben sie noch die Mittel und Kapazitäten. Sie war- ten nicht, bis es ihm schlecht geht. Denn dann können sie nur noch reagieren und nicht mehr agieren. Eile ist kein guter Berater. Wenn sie ihre komfortable Lage ausnutzen und die Digitalisierung vorantreiben, haben sie auch künftig eine Chance, vorne mit dabei zu sein. Wie werden sich Fondsanbieter verän- dern müssen? Asset Manager werden sich noch stärker vom Produkt- zum Lösungsanbieter wandeln. Das haben bereits viele erkannt, sie müssen es aber auch umsetzen. Vielleicht werden einige auch eine Vermögensverwaltung anbieten. Jeden- falls wird ihr Angebot noch individueller wer- den. Vielleicht kommt es ja so, dass jeder Kunde in ein paar Jahren seinen eigenen Fonds stricken kann. Heute ist das wegen der Regulierung nicht möglich, und die Kosten sind zu hoch. Privatkunden können sich schon heute ein eigenes Zertifikat nach ihren Vor- stellungen bauen lassen. Durch die Skalierung und Automatisierung sind in ein paar Jahren vielleicht auch individuelle Fonds möglich. Vielen Dank für das Gespräch. SEBASTIAN ERTINGER | FP » Da zeigen sich die Voll- profis im Management: Die verändern ihr Unter- nehmen zu dem Zeitpunkt, wenn es ihm gut geht. « Christian Leurs, Eurogroup Consulting Christian Leurs: „Der Sprachassistent meines Handys kann mir heute bereits sagen, wo die nächste Pizzeria ist. Warum soll er in einigen Jahren nicht auch sagen können, welche Vermögensanlage gerade die beste für mich ist?“
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