FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016

274 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 Repressalien durch seinen Arbeitgeber zu rechnen hat.“ Wer überhaupt kein Risiko eingehen möch- te, kann sich anonym an die Bafin wenden. Dann taucht der eigene Name weder in den Behördenakten noch sonst wo auf. Wer diesen Weg geht, muss aber darauf achten, dass wäh- rend der Kommunikation nicht unbeabsichtigt Informationen zur eigenen Person weiterge- leitet werden. Der Tippgeber sollte also keine persönliche E-Mail-Adressen verwenden und bei einemAnruf die Rufnummer unterdrücken. Auch darf der Inhalt der Nachricht keine Rückschlüsse auf die Identität des Whistle- blowers zulassen. Einfach ist das nicht, denn oft sind Missstände nur einer kleinen Gruppe von Personen bekannt, was den Kreis der möglichen „Verdächtigen“ eingeschränkt. Kritische Banker Laut Angaben des Bundesverbandes deut- scher Banken soll zukünftig auch jedes deut- sche Kreditinstitut eine eigene institutsinterne Whistleblower-Plattform einrichten. Dies sieht eine Ergänzung des Paragrafen 25a des Kre- ditwesengesetzes vor. Wie die Bankangestell- ten darauf reagieren werden, bleibt abzuwar- ten. Die Whistleblower-Hotline der Bafin stößt jedenfalls auf gemischte Gefühle. „Ge- nerell begrüße ich die Möglichkeit, auf Miss- stände hinweisen zu können“, sagt ein Anla- geberater einer deutschen Großbank. „Doch wo verläuft die Grenze? Muss man jedes Fehlverhalten der Bank oder eines Kollegen gegenüber den Kunden anzeigen? Ist bei- spielsweise der Verkauf eines Schiffsfonds an einen 80-Jährigen bereits anzeigepflichtig?“ Wenn er einen Fehler oder Verstöße in seiner Abteilung bemerken sollte, würde er sich zunächst einmal an die interne Revision wenden. „Wenn dies nichts nutzt, kann man ja auch der Presse einen Hinweis geben.“ Der Berater, der unerkannt bleiben möchte, sieht außerdem die Gefahr, dass sich vor allem unzufriedene Kollegen mit eventuell fingierten Hinweisen melden, um ihren Ar- beitgeber zu schädigen. Dass jedoch etwas geschehen muss, sieht er ein. In die „Selbstheilungskräfte“ der Bran- che hat er kein Vertrauen, insbesondere bei den Großbanken sieht er großen Kosten- und Ertragsdruck. „Dort sind auch die Gehälter viel stärker leistungsorientiert und erfolgsbe- zogen gestaltet. Dieser Umstand könnte man- chen Mitarbeiter motivieren, Dinge zu tun, die demAufsichtsrecht entgegenstehen und straf- rechtliche Konsequenzen mit sich bringen“, so der Berater. Er würde dennoch zögern, eine Meldung zu machen. „Wenn die Anonymität nicht zu 100 Prozent garantiert ist, muss man sich vor Repressionen seines Arbeitgebers oder auch der Kollegen fürchten.“ Dass nach einer Meldung der Arbeitsalltag schwerer wird, ist nicht ausgeschlossen. „Whistleblower gehen häufig ein hohes Risiko ein, sie setzen ihren Ruf und ihre Existenz aufs Spiel. Oft werden sie von jenen unter Druck gesetzt, die unbequeme Wahrheiten vertuschen wollen“, erklärt Johannes Ludwig, Vorstand des Netzwerks Whistleblower aus Köln (siehe Interview nächste Seite). Da der Whistleblo- wer von der Bafin keine Informationen über den aktuellen Stand der Ermittlungen erhält, bleibt er lange Zeit im Ungewissen. „Warten und Hoffen sind charakteristische Elemente des Whistleblowing-Prozesses. Das kann für die psychische Situation des Whistleblowers sehr belastend sein“, so Ludwig. Lockruf des Geldes Um Hinweisgeber trotz der Risiken und Unannehmlichkeiten zu einer Aussage zu motivieren, lockt man in den USA, dem Mut- terland des Whistleblowings, mit monetären Anreizen. So vergeben sowohl die Wertpa- pieraufsicht SEC als auch die US-Steuerbe- hörde jedes Jahr „Belohnungen“ in Millionen- höhe an Tippgeber, die mit ihren Hinweisen zur Aufdeckung von Missständen innerhalb der Finanzbranche beigetragen haben (siehe Kasten auf der vorherigen Seite). Deutsche Experten sprechen sich gegen die amerikanische Praxis aus. „Zum einen sind die Gegebenheiten in den USA nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragbar. Zum anderen haben wir hier eine andere Kultur“, sagt Anwalt Buchert. „Bislang werden Hin- weisgebersysteme kaum zu Denunzierungen missbraucht. Das könnte sich ändern, wenn es für Hinweise Geld gibt.“ Auch Verdi-Experte Roach reagiert ableh- nend: „Monetäre Anreize wie in den USA sind meines Erachtens nicht notwendig. Die Motivation ist eher anders gelagert. In den meisten Fällen weisen Kundenbetreuer oder Bankspezialisten auf Fehlverhalten hin, weil es ihnen die Berufsehre gebietet. Durch Zah- lungen von großen Summen könnte das Whistleblowing einen falschen Zungenschlag bekommen, im Sinne von: ‚Der hat es ja nur wegen des Geldes gemacht‘.“ Wegschauen ist keine Lösung Ob er auf Missstände hinweist oder nicht, muss letztendlich jeder Banker für sich ent- scheiden. Negative persönliche Folgen kön- nen dabei nicht immer ganz ausgeschlossen werden. „Wer nicht handelt, läuft jedoch Ge- fahr, zumindest ein Stückchen seines Selbst- wertgefühls und seiner positiven Einschätzung gegenüber seiner Organisation und damit seiner intrinsischen Motivation, für diese zu arbeiten, einzubüßen“, sagt Ludwig vom Whistleblower-Netzwerk. Es ist eben keine Lösung, immer nur wegzuschauen. MARCUS HIPPLER | FP bank & fonds I whistleblowing Foto: © Dr. Buchert & Partner Rechtsanwälte PartGmbH Rainer Buchert, Rechtsanwalt: „Das System der Bafin hat einen Pferdefuß.“ Landgericht verunsichert Hinweisgeber Ein Beschluss des Landgerichts Bochum (Beschluss vom 16. 3. 2016, Az.: II-6 Qs 1/16), wonach Unterlagen von Hinweisgebern bei anwalt- lichen Ombudspersonen keinem Beschlag- nahmeverbot unterliegen, hat zu Unsicherheit in der Branche geführt. Das Landgericht hat seine Auffassung unter anderem damit begründet, dass zwischen Hinweisgeber und Ombudsperson kein „mandatsähnliches Verhältnis“ entstanden sei. Rechtsanwalt Rainer Buchert aus Frankfurt sieht den Beschluss jedoch als einzelfallbezogene Aus- nahme und nicht als richtungweisend an. „Ent- scheidend ist, wie der Vertrag zwischen Unterneh- men und Ombudsperson gestaltet ist und wie und auf welche Weise ein potenzieller Hinweisgeber darin einbezogen wird“, so der Anwalt. „Ein Be- schlagnahmeverbot solcher anwaltlicher Unterlagen besteht meiner Ansicht nach zumindest dann, wenn sie sich in den Kanzleiräumen des Anwalts oder seiner persönlichen Obhut befinden“, so Buchert.

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