FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016
272 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 bank & fonds I whistleblowing Foto: © Fotolia | DDRockstar, agenda/Karin Desmarowitz; Fotolia | kasto D ass in großen Firmen, Institutio- nen und selbst bei Geheimdiens- ten nicht immer alles einwand- frei abläuft, weiß die breite Öffentlich- keit spätestens seit Wikileaks und den Veröffentlichungen von Edward Snow- den. Ganz gleich ob es um das Hinter- ziehen von Steuern, Korruption oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit geht: Nicht zuletzt wegen der Publika- tionsmöglichkeiten, die das Internet bie- tet, steigt die Zahl der Menschen, die öffentlich auf Missstände und strafbares Verhalten in ihrem näheren Umfeld hin- weisen. Genannt werden sie Whistle- blower, was wohl am besten mit „Auf- decker“ oder „Enthüller“ zu übersetzen wäre. In den USA ist das Whistleblo- wing seit Langem gang und gäbe und sogar durch ein eigenes Gesetz legiti- miert. In Deutschland führt es hingegen ein Schattendasein. Dies ändert sich jedoch allmählich, insbesondere für Mitarbeiter aus der Finanzbranche. Seit Juli dieses Jahres können Bank- mitarbeiter, denen Missstände oder Ver- stöße ihres Arbeitgebers oder ihrer Kol- legen gegen geltendes Recht bekannt werden, an offizieller Stelle als Whistle- blower tätig werden. Die Bundesan- stalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat dafür sogar eine Hotline ein- gerichtet. Sie hofft darauf, dass sich In- formanten aus der Finanzbranche mel- den und beispielsweise dabei helfen, ab- gesprochene Zinsmanipulationen oder verbotene Cum-Ex-Deals aufzudecken. „Die Bafin möchte Personen mit beson- deremWissen über Unternehmensinter- na die Möglichkeit geben, ohne Angst vor negativen Konsequenzen für die eigene berufliche Zukunft Vorgänge zu melden, die gegen das Aufsichtsrecht verstoßen“, sagt ein Sprecher der Be- hörde. „Bis Anfang September sind etwa 35 Hinweise eingegangen, die einer ersten Vorprüfung hinsichtlich der aufsichtlichen Relevanz standgehalten haben und in den Fachreferaten der Bafin weiterbearbeitet werden.“ Die Liste potenzieller Vergehen ist lang, denn unter das Aufsichtsrecht fal- len alle Gesetze und Rechtsverordnun- gen der Europäischen Union und der europäischen Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA. Dazu gehören auch die Eigenmittelrichtlinie, die Markt- missbrauchsverordnung und die Vor- schriften über die Basisinformations- blätter. Auch wer als Bank seinen Kun- den hilft, Steuern zu hinterziehen, kann „verpfiffen“ werden. Bafin-Hotline Die Whistleblower-Anlaufstelle ist Personen vorbehalten, die bei einem Finanzinstitut angestellt oder in einem sonstigen Vertrags- und Vertrauensver- hältnis zu dem Unternehmen stehen. Für Verbraucher, die sich über eine fal- sche Beratung oder zu hohe Kreditzin- sen beschweren möchten, ist weiterhin das Verbrauchertelefon zuständig. Hinweise müssen aber nicht per Tele- fon gegeben werden, Banker können auch per Post, E-Mail oder persönlich Seit Sommer dieses Jahres können Banker die Bafin per Hotline auf Missstände bei ihrem Arbeitgeber aufmerksam machen. Ganz ungefährlich ist das nicht. Riskanter Geheimnis verrat Psst, bloß nichts verraten! Wer mitbekommt, dass Kollegen oder Vorgesetzte in der Bank gegen Aufsichtsregeln verstoßen, ist nicht mehr zum Schweigen verdonnert. Seit einigen Monaten kann er sich der Bafin anvertrauen – notfalls anonym. Kontaktmöglichkeiten für Banker Bankmitarbeiter können die Hinweisgeberstelle der Bafin über mehrere Wege erreichen. Ein Überblick: POSTADRESSE: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Hinweisgeberstelle Graurheindorfer Straße 108, 53117 Bonn PER E-MAIL: hinweisgeberstelle@bafin.de PER TELEFON: 0228/41 08-2355 PERSÖNLICH: Besuchsadresse (nach telefonischer Terminvereinbarung unter 0228/41 08-2355): Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Hinweisgeberstelle, Dreizehnmorgenweg 44–48, 53175 Bonn WICHTIG: Bankangestellte dürfen sich nur unter engen Vorausset- zungen mit firmeninternen Informationen an eine Behörde wenden. Im Regelfall muss ein vorheriger interner Hinweis erfolglos geblie- ben oder ganz ausnahmsweise nicht zumutbar gewesen sein, was im Streitfall letztlich ein Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände der Causa in kaum vorhersagbarer Weise bestimmt. Werden diese Voraussetzungen nicht beachtet, kann der Whistleblower für die Nichtbeachtung unabhängig von der Richtigkeit des Hinweises arbeits- und disziplinarrechtlich sanktioniert und unter Umständen sogar rechtmäßig fristlos gekündigt werden. (Quelle: Whistleblower Netzwerk, Köln)
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